LG Leipzig: Online-TV-Recorder verstößt gegen das Urheberrecht

Das Gericht hat es dem virtuellen Videorecorder Shift TV unter Androhung eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft verboten, das Programm von RTL für die Kunden von Shift TV aufzuzeichnen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
  • Volker Zota

Der Betreiber des Angebots Shift TV muss eine Schlappe vor dem Landgericht Leipzig hinnehmen. Das Gericht verbot es unter Androhung eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft, das Programm von RTL für die Kunden von Shift TV aufzuzeichnen. Das Angebot verstoße gegen das Urheberrecht. Bei dem Onlinedienst können Kunden für 10 Euro pro Monat einen virtuellen Festplattenrecorder mit 10 Stunden Aufzeichnungskapazität mieten, der per Internet zu programmieren ist. Die Sendungen werden von Shift TV digital aufgezeichnet und dem Kunden zum Download zur Verfügung gestellt. Kostenlos sind Aufzeichnungen bis zu 30 Minuten Länge möglich.

Der Rechtsstreit geht schon ins zweite Jahr. Bereits im April 2005 wurde Shift TV vom Landgericht Köln untersagt, Sendungen aus dem RTL-Programm aufzunehmen. Heute bietet Shift TV die Aufzeichnung von 20 verschiedenen deutschen Programmen an, RTL und Senderschwester Vox fehlen dabei.

Das Landgericht Leipzig stellte in seinem Urteil (Aktenzeichen 05 O 4391/05) fest, dass der Aufzeichnungsservice gegen das Urheberrecht von Programmanbieter RTL verstoße. Als Sendeunternehmen besitzt RTL das ausschließliche Recht, Funksendungen weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen. Die Argumentation der Beklagten, dass der virtuelle Videorecorder sich nur wenig von einem normalen unterscheide, ließ das Gericht nicht gelten. Weil Shift TV das Fernsehsignal zeitversetzt an seine Kunden übermittle, werde unbefugt in die Rechte von RTL eingegriffen. Dass der Nutzer selbst über die Aufnahme der Sendungen entscheide, ändere an dem Umstand nichts: "Das Werk wird auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies steht bei einer Verbreitung im Internet außer Frage" heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Mitschnitte von Shift TV seien auch keine privilegierte Privatkopie. Ein Vergleich mit Münzkopierautomaten, die vom Oberlandesgericht München für rechtmäßig erklärt worden waren, greife daher nicht: "Entscheidend ist, dass die eigentliche Kopiervorlage von der Erstbeklagten durch Abgreifen des Sendesignals erst beschafft und nicht etwa vom jeweiligen Nutzer zur Verfügung gestellt wird." Auch dass der Service derzeit nicht kostendeckend arbeite, lässt das Gericht nicht gelten – Shift TV fertige keine unentgeltlichen Privatkopien an.

Damit bestätigt das Leipziger Gericht die Auffassung des Landgerichts Köln, das bereits vor einem Jahr ähnlich geurteilt hatten. Die Kölner Richter sahen aber schon in der Weiterleitung des Fernsehsignals auf die virtuellen Festplattenrecorder einen unzulässigen Eingriff in die Urheberrechte. In dem Urteil stellt das Landgericht auch fest, dass sich Shift TV und RTL in einem Wettbewerbsverhältnis befinden, besonders bezüglich der Werbeeinnahmen: "Sind die nachgefragten Fernsehsendungen der Klägerin über das Internet zu empfangen, liegt die Gefahr auf der Hand, dass Werbekunden der Klägerin zu der Erstbeklagten ganz oder teilweise abwandern."

Sinkende Werbeeinnahmen machen den Fernsehsendern schon lange zu schaffen. Vergangene Woche kündigte RTL-Senderchefin Anke Schäferkordt an, dass die Angebote des Senders nur noch verschlüsselt zu empfangen sein sollen. Neben dem Kabel- und Satellitensignal soll auch die Ausstrahlung per terrestrischem DVB-T verschlüsselt werden. "Einen von drei Verbreitungswegen unverschlüsselt zu lassen, halte ich für wenig konsequent", sagte Schäferkordt in einem Interview mit der Financial Times Deutschland.

Neben dem unerlaubten Mitschneiden macht RTL gegen Shift TV auch Verstöße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geltend. Der Anbieter hat nur eine simple Überprüfung von Personalausweisnummern eingebaut, um die Volljährigkeit der Kunden zu überprüfen und so einen Account für nicht-jugendfreie Sendungen freizuschalten. Dieses Verfahren ist schon seit Jahren umstritten und einfach zu umgehen. So war es RTL gelungen, einen Account freizuschalten, indem einfach die Prüfnummer von einem auf der Webseite abgebildeten Musterausweis in ein Eingabefeld übertragen wurde. Der Auffassung schloss sich das Gericht an. Da schon 16-Jährige einen Personalausweis bekommen und auch an Jüngere weiterreichen könnten, genüge der Schutz den gesetzlichen Anforderungen nicht und sei damit wettbewerbswidrig.

Das Urteil des Landgerichts Leipzig ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht verpflichtete den Beklagten, dem Sender RTL Auskunft zu geben, wieviele Nutzer bei dem Service angemeldet waren und wieviele RTL-Sendungen aufgezeichnet wurden. Aus einer solchen Auskunft könnten sich etwaige Schadensersatzansprüche ableiten, die aber erst in einem separaten Urteil festgelegt werden müssten. Obwohl der Rechtsstreit noch in die nächste Instanz gehen kann, könnte das Urteil mit zum Ende der verschiedenen Angebote zum Aufzeichnen von Fernsehsendungen beitragen. Wie RTL auf Anfrage von heise online mitteilte, wurden auch die Angebote save.tv und onlineTVrecorder wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrechts abgemahnt.

Zu den Rechtsstreitigkeiten um Online-Videorecorder siehe auch den Artikel aus c't 7/2006: IPTV-Schattenspiele. (Torsten Kleinz) / (vza)