Ideen materialisieren

Der Bastler des 21. Jahrhunderts konstruiert 3D-Modelle am PC, schickt sie per Internet zu einem Dienstleister und holt die fertigen Teile wenige Tage später aus dem Briefkasten. Alles passt perfekt, und in den Finger sägt man sich dabei garantiert nicht.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter König
  • Achim Barczok

Ein Brain Gear ist eine Konstruktion aus 12 Achsen und 24 paarweise gekoppelten Kegelzahnrädern – und eigentlich zu gar nichts nütze. Trotzdem dient es einer ganzen Branche als dreidimensionale Visitenkarte. Hersteller von 3D-Druckern platzieren solche Brain Gears prominent auf ihren Messeständen – als Hingucker und viel mehr noch als Hingreifer: Dreht man eines der Zahnräder, drehen sich alle anderen mit (ein Video davon finden Sie über den c’t-Link).

Diesem ersten Aha-Effekt folgt der zweite auf dem Fuß, wenn man erkennt, dass der 3D-Drucker das Gebilde in einem Stück erzeugt hat: Die aufgefädelten Zahnräder werden parallel zu den starren Achsen aufgebaut, durch einen genügend großen Spalt getrennt, damit am Ende kein Rad stillsteht. Die 3D-Drucktechniken produzieren solche freischwebenden Komponenten problemlos. In der Industrie nutzt man solche Verfahren schon länger bei der Entwicklung von Prototypen [1] . Da die Druckmaterialien inzwischen den Belastungen des alltäglichen Gebrauchs gewachsen sind, werden auch schon Kleinserien im 3D-Druck produziert.

Bei der Testkette von fabberhouse hafteten die einzelnen Glieder aneinander und mussten per Hand voneinander gelöst werden. Die Poly- amidketten von i.materialise, Sculpteo und Shapeways wurden voll beweglich geliefert.

Die Technik ist nicht nur für Fabrikanten und Forscher interessant, sondern beflügelt eine wachsende Szene von Hobby-Designern, die emsig freie 3D-Objektdatenbanken wie Thingiverse füttern, mit druckbaren Modellflugobjekten, Uhrwerken, Spielsteinen, Büsten amerikanischer Fernsehmoderatoren und Teilen für Eigenbau-3D-Drucker. Der holländische Puzzle-Designer Oskar van Deventer entwickelt bizarre Mutationen des klassischem Rubik’s Cube speziell für die Produktion in 3D-Druckverfahren und vertreibt sie übers Web (siehe Interview auf S. 95 ). Einige seiner Puzzles wären in klassischen Techniken wie dem Spritzguss schlicht nicht herstellbar.

Der 3D-Druck schließt zudem noch eine praktische Versorgungslücke. Zerbricht beispielsweise das Gelenk einer 50-Euro-Stehlampe und der Hersteller liefert keine Ersatzteile, konnte man sich früher entweder selbst ein Provisorium zusammenschustern oder beim Schlosser um die Ecke ein neues Gelenk anfertigen lassen und dafür mehr als für eine neue Lampe bezahlen. Jetzt gibt es einen dritten Weg: Man konstruiert das Gelenk am Computer und gibt es bei einem 3D-Druckdienst im Internet im Auftrag, was bei guter Planung günstiger als der Schlosser ist und dazu noch eine Menge Spaß macht. Wir haben vier solcher 3D-Druckdienstleister ausprobiert, die sich explizit an Privatkunden richten: fabberhouse, i.materialise, Sculpteo und Shapeways.

Shapeways veredelt Drucke aus rostfreiem Stahl (links) auf Wunsch mit Bronze-Finish (Mitte) oder Vergoldung (rechts).

Um selbst eine brauchbare 3D-Druckvorlage zu konstruieren, braucht man weder ein teures CAD-Programm noch eine Ausbildung zum technischen Zeichner – die kostenlose Software SketchUp tut es auch. Wie das geht, beschreibt ausführlich unser Artikel ab Seite 96 .

Ein paar Randbedingungen gilt es dabei allerdings zu beachten. So gibt es in Abhängigkeit von Maschine und Druckverfahren feste Obergrenzen für die Größe eines einzelnen Objekts. Während online bei fabberhouse schon bei gut 20 cm x 20 cm x 15 cm Schluss ist, fertigt i.materialise bis zu 2,10 Meter lange Objekte am Stück. Weitere Vorgaben betreffen Mindestwandstärken und Mindestspaltmaße, damit beweglich geplante Teile im Druck nicht versehentlich miteinander verbacken. Aus manchen Materialien lassen sich überhaupt keine beweglichen Konstruktionen herstellen.

Wer die Werkzeugbahnen nicht genau prüft, bevor er sie zu fabberhouse schickt, kann Überraschungen erleben: Weder die Teilung von Schraube nebst Mutter war beabsichtigt noch der teilweise negative Druck der großen Gurtschließe.

Für mehrfarbige oder mit Texturen überzogene Objekte nutzen alle Druckdienste Maschinen von Z Corporation, die ein spezielles Pulver verarbeiten, dass beim Druck eingefärbt wird. Alle anderen Materialien gibt es nur homogen und einfarbig, egal, welches Verfahren sie in Form bringt. Das Standard-Dateiformat fürs Hochladen von einfarbigen Modellen ist STL, was je nach Lesart für Standard Triangulation Language oder Surface Tesselation Language steht. Alle Dienstleister im Test nehmen STL-Vorlagen entgegen. Für den Farbdruck packt man Texturen und die eigentliche Geometriedatei in ein ZIP- oder RAR-Archiv. Das übliche Format ist hier der bereits etwas betagte VRML-Standard, Shapeways akzeptiert auch dessen Nachfolger X3D. Sculpteo und i.materialise kommen auch mit dem proprietären Dateiformat von SketchUp klar.

Die Bestellung dauert in der Regel nur wenige Minuten: Man legt ein Benutzerkonto an und lädt sein 3D-Modell hoch. Drei der getesteten Dienstleister prüfen es automatisch auf typische Modellierfehler. Besteht das Modell diesen Test, kann man anschließend ein Material auswählen, unter Umständen noch die Größe verändern und bekommt dann einen Preis angezeigt. Ist der akzeptabel, klickt man das Modell in den Warenkorb, bezahlt die Bestellung vorab per Kreditkarte oder PayPal und bekommt nach einigen Tagen das fertige Objekt gut verpackt ins Haus geschickt.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 15/2011.

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Dinge drucken in 3D

Artikel zum Thema "Dinge drucken in 3D" finden Sie in c't 15/2011:

  • Webdienste fertigen Objekte nach Ihren 3D-Entwürfen- Seite 84
  • Interview mit dem 3D-Puzzlegestalter Oskar van Deventer - Seite 95
  • Eigenkonstruktionen für den 3D-Druck mit SketchUp entwickeln - Seite 96
  • Rechtliche Untiefen rund um den 3D-Druck - Seite 102

Eine Maschine des Herstellers EOS produzierte diese Miniatur der Dresdner Frauenkirche im Lasersinterverfahren.

(Bild: Eos)

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Technik, Material, Maschinen

3D-Druckmaschinen arbeiten nach unterschiedlichen Prinzipien, aber alle bauen das gewünschte Objekt in horizontalen Schichten auf. Jede Schicht verbindet sich fest mit der jeweils darunter liegenden, sodass nach und nach ein stabiles Objekt in die Höhe wächst. Die Schichtdicke beträgt je nach Verfahren, Material und Maschine zwischen einigen zehn Mikrometern und einem Viertelmillimeter und bestimmt die vertikale Auflösung. Die Auflösung in Länge und Breite innerhalb einer Schicht kann davon deutlich abweichen – bei vielen Verfahren zeichnet der Druckkopf Umriss und Füllung der jeweiligen Horizontalscheibe des Objekts auf Vektorbasis, ähnlich wie bei einem Stiftplotter.

Detaillierte Modelle aus Kunststoff mit glatter Oberfläche erzielt man bei der Stereolithografie. Das Werkstück entsteht in einem Becken voll flüssigem Kunstharz, das bei Beschuss mit UV-Laserlicht punktuell aushärtet. Zu Beginn wird nur der Boden des Beckens mit Kunstharz benetzt, nach Belichten der ersten Schicht wird dann der Füllstand im Becken um eine Schichtdicke erhöht und der Fokus des Lasers korrigiert. Da das flüssige Kunstharz überhängende, ausgehärtete Teile nicht trägt, muss beim Druck eine Stützstruktur aus einem zweiten Material angelegt werden, die später entfernt wird. Stereolithografiemaschinen stellen beispielsweise die Firmen 3D-Systems und Objet her. Das Objekt auf unserem Titelbild wurde auf einer Objet-Maschine gedruckt, die lichtdurchlässiges Material verarbeiten kann. Der Hersteller hat außerdem ein Verfahren namens PolyJet entwickelt, bei dem Modelle in einem Rutsch aus verschiedenen Materialien gedruckt werden können.

Sowohl Kunststoffe als auch Metall kann man über Lasersintern in Form bringen. Ein Schieber verteilt das Rohmaterial in Pulverform in Schichtdicke auf dem Drucktisch, danach erhitzt ein Laser jene Stellen, die Objekt werden sollen, und schmilzt die Körner des Materials dort zusammen. Anschließend zieht der Schieber eine neue Pulverschicht über die vorige. Im Unterschied zur Stereolithografie trägt das nicht verbackene Rohmaterial auch vorspringende Teile, sodass das Verfahren ohne zweites Stützmaterial auskommt. Die fertigen Modelle werden aus einem großen Haufen unverdrucktem Material herausgebürstet und haben oft eine raue Oberfläche, sind allerdings in der Regel elastischer und stabiler als stereolithografisch hergestellte Objekte. Spezialist für Lasersintermaschinen ist der Hersteller EOS.

Unter 3D-Druck im strengen Sinn versteht man eine Art Kreuzung zwischen Lasersintern und dem herkömmlichen 2D-Druck mit einem Tintenstrahler: Der Mehrfarb-Druckkopf verteilt farbige Tinte auf einer dünnen Schicht aus gipsähnlichem Pulver. Beigemischtes Bindemittel lässt die bedruckten Stellen aushärten. Fertige Modelle werden nachträglich mit Kunstharz getränkt, um sie zu stabilisieren. Wie Lasersintern kommt auch der 3D-Druck ohne zusätzliches Stützmaterial aus. Die Oberfläche ist rau, das Material recht schwer und spröde. Für 3D-Farbdruckmaschinen hält die Z Corporation ein Patent.

Beim sogenannten Fused Deposition Modeling wird geschmolzener Kunststoff aus einer Düse gedrückt, die schichtweise die gewünschte Form mit einem Strich aus weichem Plastik zeichnet. Als Material kommt meist ABS-Kunststoff zum Einsatz. Viele 3D-Drucker für Bastler wie RepRap, RapMan oder die Bausätze von MakerBot Industries arbeiten nach diesem Verfahren [2] . Professionelle Maschinen für Fused Deposition Modeling stammen beispielsweise von Stratasys und werden von HP unter eigenem Namen vertrieben. Diese Maschinen drucken aus einer zweiten Düse Stützkonstruktionen, sodass auch Modelle mit Überhängen möglich sind. Die einzelnen Schichten sind etwa einen Viertelmillimeter dick und bei den fertigen Objekten deutlich sichtbar.

(pek)