RoboCup-WM: Befreiende Ballwürfe und verkickte Torchancen

Am dritten und vorletzten Spieltag der RoboCup-Weltmeisterschaft nimmt das Turnier langsam Fahrt auf. Viele Teams haben die üblichen Anfangsprobleme weitgehend behoben und ihre Roboter in Form gebracht.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Am dritten und vorletzten Spieltag der RoboCup-Weltmeisterschaft in Istanbul nimmt das Turnier langsam Fahrt auf. Viele Teams haben die üblichen Anfangsprobleme weitgehend behoben und ihre Roboter in Form gebracht. Da bringt dann auch das Zuschauen mehr Spaß.

Schön war etwa die Szene in der Humanoid League, als der Torwart der Darmstadt Dribblers, dicht bedrängt von einem Gegenspieler, den Ball mit den Armen aufnahm und über den Angreifer hinweg aufs Spielfeld warf. Zwar gelang es ihm erst im zweiten Versuch, den Ball zu greifen, aber das reichte immer noch, um die brenzlige Situation elegant zu klären. Natürlich gab es Szenenapplaus.

Wenn der Ball nach so einem Wurf ins gegnerische Tor rollen würde, würde das nicht zählen. In dieser Frage orientiert sich der RoboCup an den Regeln der FIFA für Hallenfußball. Auch dort muss zuerst ein anderer Spieler den Ball berühren. Da es das langfristige Ziel des RoboCup ist, bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern den amtierenden Fußballweltmeister nach offiziellen FIFA-Regeln zu schlagen, erscheint es durchaus sinnvoll, sich auch heute schon so weit wie möglich an diesen Regeln zu orientieren.

Das Werfen des Balls war bislang nur Gegenstand von Spezialwettbewerben und kann jetzt erstmals auch im Spiel erfolgen. Die meisten Teams haben allerdings schon genug damit zu kämpfen, ihren Spielern schnelles und stabiles Laufen beizubringen. Doch auch bei langsamem Spielverlauf entstehen immer wieder spannende Situationen. Da trippelt ein Stürmer um den Ball herum, um die richtige Schussposition zu finden, während ein Verteidiger heranschleicht, der sich noch in den Weg stellen könnte. Die menschlichen Teammitglieder werden dann sichtlich nervös. Schießt er jetzt endlich? Nein, der Roboter macht noch einen Schritt, will sich noch besser ausrichten, steht jetzt aber wieder eher schlechter. Und der Gegner kommt näher ...

Wenn dann im letzten Moment doch noch ein Treffer gelingt, entlädt sich die Anspannung oft in lautem Jubel wie im Vorrundenspiel zwischen dem mexikanischen Team Cyberlords und TKU aus Taiwan. Die Cyberlords lagen 1:0 zurück und hatten den Ausgleichstreffer am Ende der ersten Halbzeit schon auf der Fußspitze. Für die Menschen am Spielfeldrand war das deutlich zu erkennen, doch der Roboter war offenbar noch nicht überzeugt und zögerte zu lange. Umso größer war die Erleichterung, als in der zweiten Halbzeit mit einem weiten Schuss doch noch das 1:1 gelang. Nun haben die Programmierer Gelegenheit, ihren Robotern den Perfektionismus abzugewöhnen und sie öfter mal auf gut Glück schießen zu lassen. Das richtige Verhältnis zwischen Tempo und Präzision ist häufig spielentscheidend.

Die rollenden Roboter des niederländischen Teams Team-Homepage in der Middle Size League können beides. Sie sind schnell und präzise. Im Spiel gegen den ehemaligen Weltmeister Cambada aus Portugal, das sie 4:1 gewannen, gab es wunderbare Dribblings und einen Schuss aufs Tor, der genau die Lücke traf, einen Sekundenbruchteil, bevor ein Verteidiger sie schloss. Eine Videoaufzeichnung von dieser Szene wird gewiss bald auf der Team-Homepage zu sehen sein.

RoboCup-WM 2011: Impressionen vom 3. Spieltag (5 Bilder)

Der Roboter des Teams Wright Eagle folgt dem Menschen durch den Supermarkt ...

Die RoboCup@home League verlagerte ihren Wettbewerb gestern nachmittag, wie schon im letzten Jahr, in einen realen Supermarkt. Schließlich müssen sich Haushaltsroboter eines Tages in so einer Umgebung zurechtfinden können, wenn sie ihren Nutzern beim Einkaufen helfen sollen. Gegenüber dem vergangenen Jahr war aber keine Verbesserung zu erkennen. Die Aufgabe bestand darin, einem Menschen zu folgen, der auf einzelne Objekte auf den Regalen aufmerksam machte. Diese Objekte mussten die Roboter sich merken, bei einer zweiten, autonomen Rundfahrt wiederfinden und nach Möglichkeit greifen. Dieser Griff gelang in diesem Jahr nur dem Team Wright Eagle aus China. Das Team NimbRo von der Universität Bonn, das im vergangenen Jahr als einziges ein Objekt aus dem Regal holen konnte, scheiterte diesmal an Problemen mit der Spracherkennung. Dennoch liegen die Bonner derzeit mit einem komfortablen Vorsprung von etwa 1000 Punkten auf Platz eins, gefolgt von Wright Eagle. Der Griff nach dem Weltmeistertitel könnte also klappen. (ps)