Virtuelle Ermittler in sozialen Netzen

Ermittler von Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zoll ermitteln offen und verdeckt in sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage hervor.

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Von
  • Detlef Borchers

Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei und Zoll ermitteln offen und verdeckt in sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ und Wer kennt Wen. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage (PDF-Datei) der Linksfraktion im Bundestag hervor. Danach nutzen Beamte des BKA, der Bundespolizei und des Zollfahndungsdienstes die sozialen Netzwerken hauptsächlich zur Verdichtung bereits gewonnener Erkenntnisse. "Spezifische Organisationseinheiten" mit besonders ausgebildeten Fahndern für soziale Netzwerke gebe es bislang nicht, auch kooperiere man nicht mit privaten Firmen als Ermittler in sozialen Netzwerken.

Die Behörden nutzten fallbezogen offen zugängliche Informationen aus sozialen Netzwerken, heißt es weiter in der heise online vorliegenden, demnächst zur Veröffentlichung anstehenden Antwort, die das Ministerium im Auftrag der Bundesregierung abgegeben hat. "Es wird keine systematische und anlassunabhängige Recherche in sozialen Netzwerken durchgeführt." Es gebe keine Kooperationen mit Nachrichtendiensten. Die Arbeit mit den gewonnenen Informationen ist nach Darstellung der Bundesregierung erfolgreich: In insgesamt vier Fällen habe das BKA Bestands- und Inhaltsdaten an die entsprechenden Dienstellen weitergeleitet, die zur konkreten Abwehr von Gefahren für Personen dienen konnten. Außerdem seien in den vergangegenen 24 Monaten insgesamt sechs verdeckte BKA-Ermittler in sozialen Netzwerken unterwegs gewesen. In keinem einzigen Fall hätten bislang ausschließlich in sozialen Netzwerken gewonnene Daten zu einem Erfolg geführt.

Dabei wurde nach Auskunft der Bundesregierung auch Software von Rola Secutity und zu Testzwecken das IBM-System CRUSH (Criminal Reduction Utilising Statistical History) eingesetzt. Es stammt aus US-amerikanischer Entwicklung und wird auch in Großbritannien getestet. Die Antwort der Bundesregierung, ob verdeckte Ermittler zur Tarnung ihrer Identität strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken weitergegeben haben, wurde als "Verschlusssache" klassifiziert und kann nur von Abgeordneten bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages eingesehen werden. Die Frage, ob Ermittler in sozialen Netzwerken "Honigtöpfe" für bestimmte Gruppen ausgelegt haben, wird in der Antwort der Bundesregierung verneint. Da es für solche Ermittlungen keine Statistikpflicht gibt, macht die Bundesregierung keine Angaben zur Gesamtzahl der Ermittlungen in den letzten fünf Jahren.

Die Anfrage der Linksfraktion stützte sich auf Überlegungen über die Rolle von polizeilichen Ermittlern, die in der Zeitschrift "Kriminalistik" veröffentlicht wurden. Die Autoren merkten seinerzeit an, dass in sozialen Netzwerken gewonnene Erkenntnisse von hohem taktischen Nutzen seien. Entsprechend wurde vor allem nach der Rolle von verdeckten Ermittlern in sozialen Netzwerken gefragt. Andererseits fragte die Linke nach datenschutzrechtlichen Implikationen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte in seinem 23. Tätigkeitsbericht (PDF-Datei) Zweifel geäußert, ob das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen bei Ermittlungen des BKA in sozialen Netzwerken ausreichend geschützt sei.

In ihrer Antwort betont die Bundesregierung, dass die Abschöpfung personenbezogener Daten aus offenen Quellen im Internet oder durch Beobachtung eines offenen Chats mit den Grundrechten vereinbar sei. "Keinen Eingriff Grundrechte stellt es nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes regelmäßig dar, wenn Beamte des BKA unter einer Legende an offener Kommunikation in sozialen Netzwerken teilnehmen, solange der Betroffene nicht schutzwürdig in die Identität des Kommunikationspartners vertraut." Man teile ausdrücklich nicht die Zweifel des Bundesbeauftragten, heißt es in der Antwort, die auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes und das Urteil zur Online-Durchsuchung hinweist.

Unterdessen will die Berliner Polizei ihre Fahndungsaufrufe noch nicht wie andere Polizeibehörden systematisch über soziale Netzwerke verbreiten. Zwar habe es einen "Erfahrungsaustausch" mit der Polizei in Hannover gegeben, die Facebook gezielt nutze, teilte die Innenverwaltung laut dpa in einer am Mittwoch veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage mit. In Berlin könne so etwas höchstens in Einzelfällen geschehen. Die Facebook-Seite "Aktuelle Meldungen der Polizei Berlin" werde nicht aber nicht von der Polizeibehörde betrieben. Die Polizei Hannover hat dagegen ihre eigene Facebook-Seite, auf der sie je nach Anlass um Mithilfe bittet. In Nordrhein-Westfalen ließ das Innenministerium ein Iphone-App "Polizei NRW" entwickeln, um Pressemeldungen und Fahndungsaufrufe zu verbreiten. (vbr)