Gutes Geld

Nachhaltigkeitsfonds werden bei Anlegern immer beliebter. Das könnte für Chemiekonzerne ein Anreiz sein, umweltverträglicher und sozialer zu wirtschaften. Die Auswahlkriterien der Fonds sind allerdings noch zu unscharf.

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Von
  • Hans Schürmann

Nachhaltigkeitsfonds werden bei Anlegern immer beliebter. Das könnte für Chemiekonzerne ein Anreiz sein, umweltverträglicher und sozialer zu wirtschaften. Die Auswahlkriterien der Fonds sind allerdings noch zu unscharf.

Nicht erst seit dem Untergang der Ölplattform Deepwater Horizon ist das Umweltimage von Öl- und Chemieunternehmen angekratzt. Doch neuerdings geraten verantwortungslose Produzenten nicht nur ins Visier von Umweltschützern, sondern werden auch von vielen Anlegern gemieden. Denn ähnlich wie der Umweltschutz gewinnt das Thema nachhaltige Chemie für private wie institutionelle Finanziers zunehmend an Reiz. Sogenannte Nachhaltigkeitsfonds verheißen ihren Geldgebern neben einem guten Gewissen inzwischen auch sehr gute Renditen.

Nachhaltigkeitsfonds investieren ausschließlich in Unternehmen, die sich ökologisch, ethisch und sozial korrekt verhalten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die Zahl solcher Publikumsfonds im ersten Quartal 2011 einen neuen Höchststand erreicht. So ließ die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in diesem Segment letztes Jahr 357 Fonds zu – 44 mehr als im Vorjahr. Nach Angaben des Sustainable Business Institute stiegen die Investitionen in Nachhaltigkeitsfonds von knapp 30 Milliarden im Jahr 2009 auf rund 34,4 Milliarden Euro.

Aktienfonds haben vor allem für private Anleger den Vorteil, dass sich der Geldgeber nicht selbst um den richtigen Aktienmix kümmern muss. Das überlässt er Finanzdienstleistern wie den Fondsanbietern. Sie bündeln renditeträchtige Aktien von Unternehmen verschiedener Branchen und schnüren daraus ihr Fondspaket. Bei der Auswahl der Aktien im Segment Nachhaltigkeit vertrauen die Finanzdienstleister zumeist auf die Einschätzung von unabhängigen Rating-Agenturen, die regelmäßig die Besten der Branche ermitteln.

Kein Wunder, dass immer mehr börsennotierte Unternehmen alles daransetzen, in den Rankings, auch Indizes genannt, gelistet zu sein. Der sicherste Weg zum Ziel besteht darin, die Unternehmenspolitik an den Auswahlkriterien der Rating-Agenturen zu orientieren. In der Chemiebranche sind Bayer und BASF hierbei sehr erfolgreich: Der Leverkusener Konzern ist inzwischen in neun verschiedenen Umweltrankings aufgeführt, BASF in fünf.

Zu den einflussreichsten dieser Nachhaltigkeitsindizes gehört der „DJ Sustainability World“ (DJSI). Der weltweite Index wird gemeinsam von Dow Jones und dem Schweizer Sustainable Asset Management herausgegeben. Der DJSI hat allein im vergangenen Jahr weltweit Investitionen in Nachhaltigkeitsfonds in einer Höhe von insgesamt 11,2 Milliarden Dollar beeinflusst. Wie nachhaltig die in den Fonds vertretenen Unternehmen tatsächlich wirtschaften, ist allerdings fraglich. Jede Agentur hat ein anderes Bewertungssystem und kommt zu anderen Ergebnissen.

„Alle großen Nachhaltigkeitsindizes stehen vor dem Dilemma, dass sie börsennotierte Unternehmen vor allem nach ökonomischen Kriterien bewerten müssen“, sagt Frank Figge, Nachhaltigkeitsexperte an der Euromed Management School in Marseille. Aufgabe sei es, insbesondere großen Anlegern wie Versicherungen oder Pensionsfonds eine wirtschaftlich verlässliche Orientierung für ihre langfristigen Investitionen zu geben.

Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit sind für die Rating-Agenturen in erster Linie qualitative Indikatoren wichtig. So schauen sie beispielsweise nicht auf die tatsächliche Höhe des CO2-Ausstoßes im Unternehmen, sondern vergleichen nur, um wie viel Prozent das Treibhausgas in der Unternehmensbilanz gegenüber dem Vorjahr reduziert wurde. „So können Investoren einen Klimasünder oft nicht von einem nachhaltig orientierten Unternehmen unterscheiden“, sagt Figge.

Wie sehr Rating-Agenturen danebenliegen können, zeigt das Beispiel BP. In vielen Nachhaltigkeitsrankings war der Ölkonzern zum Zeitpunkt des Untergangs von Deepwater Horizon im Golf von Mexiko noch als vorbildlich nachhaltiges Unternehmen gelistet – auch im DJSI –, und das, obwohl Öko-Aktivisten wie Greenpeace schon seit Langem auf die Umweltsünden des Konzerns hinweisen und BP scherzhaft als Abkürzung für „British Polluters“ interpretieren. Mit seinem Engagement in erneuerbare Energien, dem hohen Anteil der Erdgasförderung am Gesamtgeschäft und seinen sozialen Aktivitäten war es dem Ölförderer offenbar gelungen, die Nachhaltigkeitsanalysten von seinen Schwachstellen abzulenken.

Allerdings sind nicht alle Ranking-Anbieter auf die Selbstdarstellung des Ölmultis hereingefallen. Die Rating-Agentur oekom research in München etwa, die eigene Methoden und Maßstäbe entwickelt hat und im Ruf steht, bei ökologischen und sozialen Kriterien härtere Maßstäbe anzulegen als die großen Indizes, hatte BP schon längst nicht mehr auf ihrer Liste.

Auch bei der Beurteilung der wichtigsten börsennotierten Chemiekonzerne schauen die Münchener genauer hin als andere. Sie bewerten zum Beispiel zusätzlich die Sicherheit der Produktionsanlagen. Sie achten auf den Einsatz nachwachsender Rohstoffe, schauen, ob das Unternehmen unbedenkliche statt umweltschädlicher Chemikalien verwendet. Und sie üben auch Kritik: „Die Chemiefirmen sind im Vergleich zu anderen Branchen beim Thema Nachhaltigkeit zwar führend, sie haben in den letzten Jahren aber kaum noch Fortschritte erzielt“, bemängelt Oliver Rüdel, der bei oekom research die weltweit größten Chemiekonzerne im Blick hat.

Die Sicherheit ihrer Produktionsanlagen hätten die meisten Unternehmen schon seit Längerem im Griff, und auch beim Klimaschutz hätten sich einige Firmen verbessert, sagt Rüdel. Jedoch bestünde bei der Produkt- und Chemikaliensicherheit sowie der Verwendung ökologisch unbedenklicher Materialien weiterhin großer Handlungsbedarf. Die Mehrzahl der Firmen führe zwar Risikoanalysen durch, problematische Stoffe würden aber zu selten und zu langsam durch umweltfreundlichere ersetzt.

Ein weiteres Kriterium bei oekom research ist der Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Erdöl und Erdgas sind immer noch die Hauptrohstoffquellen der chemischen Industrie, auch wenn steigende Preise und die Endlichkeit der Erdölvorräte die Chemie-Industrie zum Umstieg auf Ersatzmaterialien anspornen. Am weitesten verbreitet ist inzwischen die Produktion von Kunststoffen auf Basis pflanzlicher Rohstoffe wie Stärke, Zucker, Zellulose und Öl. Ob der Anbau auch sozial- und umweltverträglich erfolgt, ist jedoch kaum transparent – gerade hier stößt Oliver Rüdel bei seinen Recherchen immer wieder auf deutliche Mängel. Nur wenige Unternehmen können wie der niederländische Chemiekonzern Akzo Nobel Standards vorweisen, die Kriterien für den nachhaltigen Anbau nachwachsender Rohstoffe festlegen.

„Oekom research hat bereits gute Bewertungsmaßstäbe entwickelt“, sagt Manfred Krautter von EcoAid, einer Hamburger Beratungsagentur für Nachhaltigkeitsfragen. Sie seien aber noch nicht ausreichend. Nach Ansicht des gelernten Chemie-Ingenieurs fehlt es immer noch an Informationen über Produktionsstandards im Ausland und an Störfallstatistiken. Ein weiteres wichtiges Beurteilungskriterium bestehe in der Frage, ob die Unternehmen politische Lobbyarbeit pro oder contra Nachhaltigkeit betreiben. Kaum ein Konzern sei in dieser Beziehung so gespalten wie BASF. „Einerseits bewirbt er sich als besonders nachhaltiges Unternehmen, andererseits tritt er aber in Brüssel meist als Gegner schärferer Chemikaliengesetze auf“, kritisiert Krautter.

Neben härteren Bewertungskriterien gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, Druck auf die Unternehmen auszuüben. „Damit die Firmen einen Anreiz haben, ihre Nachhaltigkeit weiter zu optimieren, müssen die Investoren stärker Einfluss auf die Zusammenstellung der Fonds nehmen“, sagt Frank Figge von der Euromed Management School. Etwa indem sie Ausschluss-kriterien formulieren und kundtun, dass sie keine Fonds kaufen werden mit Aktien von Unternehmen, die umweltproblematische Stoffe herstellen oder mit diesen handeln. „Verbraucher nutzen ihre Macht bereits erfolgreich. Anleger, die in Fonds investieren, sollten das auch tun“, fordert Figge. (nbo)