100 Jahre Filmkopierwerke in Deutschland: Vom Stummfilm zum Digital Intermediate

Vor 100 Jahren eröffnete der Filmpionier Karl August Geyer mit seiner Kino-Kopier-Gesellschaft in Rixdorf bei Berlin das erste deutsche und weltweit das zweite Filmkopierwerk nach den Éclair-Studios in Paris.

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Von
  • Georg Immich

Vor 100 Jahren eröffnete der Filmpionier Karl August Geyer mit seiner Kino-Kopier-Gesellschaft in Rixdorf bei Berlin das erste deutsche und weltweit das zweite Filmkopierwerk nach den Éclair-Studios in Paris. Damit setzte auch ein Wandel in der Struktur der Filmwirtschaft ein – weg von der Manufaktur hin zum industriellen System der Filmwirtschaft von heute. Die Geyer-Werke waren an der Produktion vieler Klassiker wie „Große Freiheit Nr. 7“, den „Sissi“-Filmen oder an Autorenfilmen von Werner Herzog („Aguirre der Zorn Gottes“, „Nosferatu: Phantom der Nacht“) und Wim Wenders („Der amerikanische Freund“, „Paris,Texas“) beteiligt. Aber auch in den letzten Jahren arbeitete man für internationale Erfolge wie Tom Tykwers „Lola rennt“ oder den Oscar-Gewinner „Das Leben der Anderen“.

Obwohl die Arbeit mit Filmmaterial noch einen großen Teil des Umsatzes ausmacht, hat die CinePostproduction-Gruppe mit ihren fünf Standorten in Deutschland rechtzeitig in die Diversifikation und in die rein digitale Produktion investiert. Für diesen Bereich entwickelt man sogar eigene innovative Lösungen, wie eine gesicherte Übertragung von Arbeitsmustern auf das iPad.

Anfangs kümmerten sich die Filmproduzenten meist alleine um Produktion und Vertrieb. Neben dem Drehen von Kurzfilmen übernahmen sie selbst die Perforierung, Entwicklung und Kopierung des Filmmaterials und verkauften die fertigen Filme direkt an die Kinobesitzer. Im Laufe der Zeit wurden die Filme jedoch nur noch für einen gewissen Zeitraum an die Kinos verliehen. Aufgrund der geringeren benötigten Zahl an Filmkopien rentierte es sich für die Produzenten nicht mehr, alle technischen Geräte für die Filmkopierung vorzuhalten. Diesen Umstand erkannte der Kamerakonstrukteur Karl August Geyer und legte sich mit seiner Kino-Kopier-Gesellschaft ein zweites Standbein zu. Allerdings blieb bis zum Ende 2. Weltkriegs die Maschinenbau-Abteilung ein wichtiger Bestandteil des später Geyer-Werke AG genannten Konsortiums. So entwickelte Geyer etwa Aufklärungskameras für das Militär, eine 16mm Kamera sowie einen Projektor für Filmamateure.

Blick in den Kopierraum der Geyer-Werke Anfang der 1920er Jahre

(Bild: CinePostproduction GmbH)

Das Kopierwerk gewann aber speziell während der Nazi-Zeit an Bedeutung, da das Propagandaministerium die Produktion der Wochenschauen bei Geyer in Berlin zentralisierte. Hinzu kamen die Filme von Leni Riefenstahl. Zusätzlich experimentierte man mit verschiedenen Farbverfahren und baute 1940 eine eigene Kopiermaschine für den deutschen Agfacolor-Farbfilm.

Gegen Ende des 2. Weltkriegs wurde das 1914 bezogene Stammhaus in Berlin-Neukölln durch alliierte Luftangriffe teilweise zerstört und ein Sohn des Firmengründers getötet. Den Wiederaufbau startete Karl August Geyer zunächst 1949 in Hamburg-Rahlstedt, bevor man 1953 das Berliner Kopierwerk wieder in Stand setzen konnte.

Ab den sechziger Jahren setzte die Firma auf Diversifikation und Expansion: In Berlin wurde eine Videopostproduktion und ein Synchronstudio aufgebaut und 1967 eine Dependance in München eröffnet. 1988 übernahm man das Kopierwerk und die Videoabteilung der Bavaria Film, elf Jahre später auch ihr Tonstudio.

Während Mitbewerber wie das Filmkopierwerk in Potsdam-Babelsberg im letzten Jahr Insolvenz anmelden mussten, setzt die CinePostproduction Gruppe seit gut zwanzig Jahren zusätzlich auf die digitale Filmproduktion. 1991 fing es mit einem ersten Avid-Schnittplatz für den Carl Schenkel Film „Knight Moves“ an, inzwischen besitzt man deutschlandweit 20 digitale Schnittplätze und sechs digitale Grading-Suiten mit Baselight- und Lustre-Systemen. Vor kurzem wurde in Berlin ein Saal zusätzlich mit Equipment für stereoskopisches 3D (S3D) ausgestattet. Als größtes deutsches Produktionshaus ist man Betatester für diverse Produkte von Autodesk und Colorfront.

Während früher die Prüfung und Ergebniskontrolle des gedrehten Materials nur im Kopierwerk selber möglich war, eröffnet die digitale Arbeitsweise neue Möglichkeiten, die man bei CinePostproduction frühzeitig genutzt hat. So war man nach eigenen Angaben im August 2008 weltweit das erste Kopierwerk, das eigene RED-Kameras zusammen mit eigenen Digital Image Technicians (DIT) für die Produktion der RTL-Serie „Brains“ zur Verfügung stellte. Aus dieser Arbeit hat sich eine eigene Prüfsoftware namens COSS entwickelt, die man inzwischen auch für die ARRI-Kameras der Alexa-Serie adaptiert hat. Darüber hinaus war CinePostproduction der erste Dienstleister, der mit der COPRA-App eine Anwendung für das iPad vorgelegt hat. Damit können sich freigeschaltete Benutzer die aktuellen Muster der Dreharbeiten auf ihr iPad laden und betrachten.

Zusätzlich unterhält das Unternehmen einen umgebauten Unimog, der mit einer mobilen Gradingstation ausgestattet ist, um knifflige Fragen der Schärfe und Beleuchtung vor Ort zu klären. Ein ähnliches Konzept will man demnächst auch für den S3D-Bereich anbieten, in dem man einen LKW-Trailer mit einer mobilen S3D-Projektion ausrüstet. (vza)