Textverarbeitung für Genome

Ein US-Forscherteam hat ein Verfahren entwickelt, um DNA-Abschnitte in Bakteriengenomen an vielen Stellen auf einmal auszutauschen – ein wichtiger Schritt hin zu Mikroorganismen, die neue Chemikalien und Medikamente produzieren.

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Von
  • Katherine Bourzac

Ein US-Forscherteam hat ein Verfahren entwickelt, um DNA-Abschnitte in Bakteriengenomen an vielen Stellen auf einmal auszutauschen – ein wichtiger Schritt hin zu Mikroorganismen, die neue Chemikalien und Medikamente produzieren.

Genmanipulierte Mikroorganismen gehören längst zum Inventar der chemischen Industrie, um etwa Insulin zu produzieren. Bislang sind die Möglichkeiten, die Einzeller zu verändern, aber noch ziemlich grob. Ein Team von Forschern der Yale University und der Harvard Medical School hat nun ein Verfahren vorgestellt, mit dem Teile des genetischen Codes ähnlich leicht bearbeitet werden können wie Texte am Computer mit Hilfe der Suchen-und-Ersetzen-Funktion.

Damit gelang es den Forschern um George Church und Farren Isaacs, in dem Bakterium Escherichia coli 314 Genomsequenzen auszutauschen. „Dies ist das erste Mal, dass ein Genom in einem solchen Umfang verändert wurde“, lobt James Collins, Biologe an der Boston University, die Arbeit. Sie zeigt die Stoßrichtung der künftigen Gentechnik, die auch unter dem Begriff Synthetische Biologie firmiert: Nicht mehr nur einzelne Gene werden manipuliert, sondern ganze Genome.

Der genetische Code, den jedes Lebewesen in sich trägt, ist im Wesentlichen ein Bauplan für die Herstellung von Proteinen. Dabei kodieren Folgen aus je drei Basenpaaren – so genannte Codons – die verschiedenen Aminosäuren, aus denen in den Ribosomen einer Zelle die Eiweißmoleküle zusammengesetzt werden.

Die vier Nukleinbasen Adenosin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C) lassen sich zu 64 Codons (43)anordnen, so dass theoretisch 64 Aminosäuren im Gencode dargestellt werden könnten. Irdisches Leben nutzt allerdings nur 22 Aminosäuren, während Chemiker im Labor bereits Hunderte von „unnatürlichen Aminosäuren“ herstellen konnten. Könnte man Zellen dazu bringen, auch solche unnatürlichen Aminosäuren zu kodieren, ließen sich etliche neue Makromoleküle auf biologischem statt auf chemischem Wege produzieren.

Dafür wären zwei Veränderungen nötig: Forscher müssten bestimmten Codons neue Aminosäuren zuweisen und anschließend die Zellmaschinerie so manipulieren, dass diese Codons entsprechend ausgelesen werden. Das Yale-Harvard-Team hat nun für den ersten Schritt eine wichtige Vorarbeit geleistet.

Den Forschern gelang es, das TAG-Codon, das in E. coli als Stopp-Codon dient und das Auslesen eines Gens beendet, an allen 314 Stellen im Genom der Mikrobe durch ein TAA-Codon zu ersetzen. Allerdings nicht auf einen Schlag: Zunächst nahmen sie in 32 verschiedenen E. coli-Stämmen jeweils zehn Codon-Ersetzungen vor. In mehreren Schritten führten sie dann die veränderten Genome der 32 Stämme in einem neuen Stamm zu einem einzigen Genom zusammen.

Anders als die Forscher des J. Craig Venter Institute, die zuerst komplette Genome synthetisieren und dann in Mikroben einpflanzen, verändert das Yale-Harvard-Team Genome im lebenden Objekt. Das habe den Vorteil, dass man Fehler noch während der Manipulation korrigieren könne, sagt Church. Die Forscher prüften denn auch bei jedem Zwischenschritt, ob die TAG-Codons in den jeweiligen E. coli-Stämmen auch wirklich ersetzt worden waren.

Denn auch wenn der DNA-Herstellungspreis pro Basenpaar in den vergangenen Jahren auf unter einen Dollar gefallen ist, sind synthetische DNA-Stränge noch immer eine kostspielige Angelegenheit,. „Wir müssen die Kosten noch weiter senken und das Verfahren noch einfacher machen“, sagt Church.

Church verfolgt mit seiner Arbeit drei Ziele. Er will Bakterien schaffen, die neue Chemikalien – etwa Medikamente – produzieren können. Die manipulierten Bakterien sollen außerhalb des Labors nicht lebensfähig sein, um etwaige Umweltschäden zu vermeiden. Und sie sollen immun gegen Viren sein, die in heutigen Bioreaktoren immer wieder Mikroorganismen zerstören und damit der Industrie Probleme machen. „Um alle drei Ziele zu erreichen, muss man den Gencode eines Mikroorganismus verändern“, sagt Church, der jetzt eine Zusammenarbeit mit der kalifornischen Biotech-Firma Ambrx begonnen hat.

Ambrx sowie die Firma Allozyme haben bereits Bakterien dazu gebracht, einzelne nicht-natürliche Aminosäuren in Proteine einzubauen. Viele solcher Aminosäuren in die Zellmaschinerie von Mikroorganismen zu integrieren, würde ein ganz neues Feld von Protein-Medikamenten eröffnen, schwärmt David Tirrell, Chemiker am California Institute of Technology, der mit Allozyme zusammenarbeitet. Solche Medikamente könnten möglicherweise Gewebebarrieren im Körper wie die Blut-Hirn-Schranke überwinden, die verhindert, dass medizinische Wirkstoffe krankem Hirngewebe verabreicht werden können.

Das Paper:
Isaacs, Farren et al.: "Precise Manipulation of Chromosomes in Vivo Enables Genome-Wide Codon Replacement", Science Vol. 333 no. 6040, S. 348, 15.7.2011 (Abstract) (nbo)