Mit Propan flutscht es besser

Ein neues Verfahren des kanadischen Konsortiums N-Solv soll den Abbau von Ölsanden deutlich billiger machen und die dabei freiwerdenden Treibhausgas-Emissionen um 85 Prozent verringern.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein neues Verfahren des kanadischen Konsortiums N-Solv soll den Abbau von Ölsanden deutlich billiger machen und die dabei freiwerdenden Treibhausgas-Emissionen um 85 Prozent verringern.

Eines der größten bekannten Ölreservoire bilden die Ölsande in Kanada. Sie enthalten genug von dem schwarzen Gold, um Nordamerika – den größten Ölverbraucher der Welt – auf Jahrzehnte damit zu versorgen. Der Abbau von Ölsanden ist jedoch teuer und ökologisch umstritten. Das kanadische Konsortium N-Solv hat nun ein Verfahren entwickelt, das die Ausbeute verdoppeln und die dabei freiwerdenden Treibhausgas-Emissionen um 85 Prozent verringern soll.

Weil Ölsande Kohlenwasserstoffe vor allem in Form des zähflüssigen Bitumens enthalten, erfordert deren Gewinnung viel Energie. In den Lagerstätten, die direkt an der Erdoberfläche liegen, lassen sich die Kohlenwasserstoffe aus dem Ton- und Silikathaltigen Gemisch mittels Wärme und Chemikalien herausziehen.

Vier Fünftel der kanadischen Ölsande liegen jedoch zu tief für einen solchen Tagebau. In ihnen muss das Bitumen zunächst mit Hilfe von eingespritztem Wasserdampf unterirdisch verflüssigt werden, um es wie Rohöl durch Bohrlöcher abpumpen zu können. Weil es für den Transport durch Pipelines in beiden Fällen nicht flüssig genug ist, muss seine Viskosität durch einen weiteren Chemikalieneinsatz herabgesetzt werden. In all diesen Prozessschritten werden Treibhausgase ausgestoßen.

N-Solv setze nun statt des Wasserdampfs ein Lösungsmittel ein, sagt Murray Smith, Vorstandsmitglied des Konsortiums. Das Lösungsmittel, zum Beispiel Propan, müsse nur auf gemäßigte 50 Grad Celsius erhitzt werden, bevor es in die Lagerstätte eingeleitet wird und das Bitumen aufbricht. Dieses Verfahren verbrauche weniger Energie als der Einsatz von Wasserdampf, so Smith. Weil die schwersten Bitumen-Bestandteile in der Lagerstätte verblieben, müssten die hochgepumpten Bestandteile für den Pipeline-Transport nicht mehr so stark nachbehandelt werden wie üblich.

N-Solv verspricht sich von dem neuen Ansatz vor allem niedrigere Kosten. Zum einen ist weniger Energie für den Abbau nötig. Zum anderen sind die Anlagen, um das Propan zu erhitzen und für einen weiteren Zyklus aufzubereiten, erheblich billiger. Der herkömmliche Abbau mit Hilfe von Wasserdampf rechnet sich nur bei Ölpreisen von 50 bis 60 Dollar pro Barrel – ein „Fass“, das 159 Litern entspricht, hat auf den Spotmärkten im Januar 2011 bis zu 120 US-Dollar gekostet. Für diese Menge müssen im Schnitt zwei Tonnen Ölsand verarbeitet werden.

Mit dem neuen Lösungsmittel-basierten Verfahren sei der Abbau schon ab einem Preis von 30 bis 40 Dollar pro Barrel realisierbar, sagt Smith, also auf dem Preisniveau der 1990er und frühen 2000er Jahre. Damit werde es wirtschaftlich machbar, doppelt so viel Ölsand pro Jahr abzubauen wie bisher.

Die Idee, Lösungsmittel einzusetzen, war bereits in den 1970er Jahren vorgeschlagen worden. In früheren Versuchen erwies sich das Verfahren jedoch als zu langsam für die Ölindustrie. Dass es nun doch geht, liegt laut N-Solv an zwei Entwicklungen. Dank Fortschritten in der Bohrtechnik kann man heute auch problemlos horizontale Bohrungen ausführen, so dass sich Ölsand-Lagerstätten auf der gesamten Länge anzapfen lassen.

Weil im Ölsand auch Methan enthalten ist und das eingeleitete Propan für weitere Abbauzyklen verunreinigt, hat N-Solv in seinen Anlagen eine Methanabscheidung installiert. Das so gewonnene Methan wird gleich als Brennstoff verwendet, um das Propan zu erhitzen – was die Energiekosten noch einmal verringert.

Dass die "Ölsand-Revolution" von N-Solv – so der Vermarktungsslogan – Kritiker des Ölsand-Abbaus besänftigen wird, ist aber unwahrscheinlich. Denn die meisten CO2-Emissionen aus Öl fallen im Straßenverkehr und in Heizanlangen an, wenn seine Folgeprodukte verbrannt werden. Und wenn das Verfahren die Ausbeutung von Ölsand wirklich verdoppeln sollte, wäre die größere CO2-Effizienz dahin, könnte der Ausstoße von Kohlendioxid unterm Strich sogar steigen, warnt David Keith, Erdölingenieur an der University of Calgary.

So weit ist es allerdings noch nicht: N-Solv hat sein Verfahren bisher nur im Labor durchgespielt. In Kürze will das Konsortium ein Pilotprojekt starten, das 500 Barrel Öl am Tag fördern soll. Das 60 Millionen Dollar teure Vorhaben finanzieren vor allem private Investoren, die kanadische Regierung beteiligt sich mit zehn Millionen Dollar. (nbo)