Der ungedruckte Irrweg

Japanische Elektronikhersteller fahren total auf E-Book-Reader mit LC-Displays ab, die Inhalte auch farbig darstellen können. Nun macht auch noch Panasonic mit – mit zweifelhaften Aussichten, wie ein Selbsttest zeigt.

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Von
  • Martin Kölling

Japanische Elektronikhersteller fahren total auf E-Book-Reader mit LC-Displays ab, die Inhalte auch farbig darstellen können. Nun macht auch noch Panasonic mit – mit zweifelhaften Aussichten, wie ein Selbsttest zeigt.

Noch ein Gerät. Ein Farb-E-Book-Reader auch noch. Wo soll ich den denn noch hinstecken? Mit sieben Zoll Bildschirmdiagonale ist er zu groß für die Westen- oder Hosentasche. Gleichzeitig ist er zu schwer und dabei inhaltlich zu leichtgewichtig, als dass er in meiner Tasche einen Sonderplatz neben dem Notebook, dem Akku-Kabel, meiner schnurlosen Smartphone-Tastatur und der Digitalkamera verdienen würde. Ich rede von einem der neuesten Irrwege der hiesigen Elektronikindustrie, dem eBook-Reader Panasonic UT-PB1, der von Japans größtem Online-Store Rakuten für seinen gestern gestarteten E-Bookstore "Raboo" als Lesegerät der Wahl vorgestellt wurde.

Jahrelang verschmähten die japanischen Elektronikkonzerne daheim E-Book-Reader auf Basis elektronischer Tinte (eInk), die in den USA den Markt erobert haben. Selbst Sonys Reader gab es nur im Ausland. Als Grund musste das höhere Anspruchsniveau der Japaner und der japanischen Inhalte herhalten. Nippons Söhne und Töchter, gewohnt mit ihren Farbhandys die Welt des mobilen und festen Netzes zu durchbrowsen, wollen es bunt und bewegt und nicht schwarz-weiß und still, so die fixe Vorstellung. Also müssen das auch die Geräte beherrschen. Da allerdings elektronische Farbtinte noch nicht den Weg in den Massenmarkt geschafft hat, tüftelten die Hersteller lange an E-Book-Readern mit LC-Display herum, die sie nun seit vorigem Jahr einführen.

Sharps schnittiger Reader Galapagos machte den Anfang. Ach, wäre Panasonic doch nur nicht gefolgt. Denn das Gerät ist nicht nur hässlicher als Sharps, sondern auch noch total unsexy getauft. UB-PB1? Wer hat sich denn den Namen ausgedacht. Doch schlimmer noch: Wie Sharps Produkt ist es weder Fisch noch Fleisch. Genauer gesagt: Farbige E-Book-Reader sind keine guten Lesegeräte für elektronische Bücher und noch schlechtere Tablet-PCs. Bei hellem Licht sind sie weit schlechter ablesbar als schwarz-weiße E-Book-Reader. Und sie bieten in ähnlicher Größe bei ähnlichem Gewicht wie Tablet-PCs weniger Funktionen, in der Regel miserable Batterielaufzeit zu einem noch immer happigen Preis. 35.000 Yen (320 Euro) will Panasonic für sein Gerät haben.

Dafür bekommt der Kunde einen 400 Gramm schweren 7-Zollbildschirm mit 1024 mal 600 Pixeln, E-Mail, Android-Betriebssystem mit Zugang zum Buchladen und Android-Apps sowie als Sahnehäubchen die Möglichkeit, das Gerät als Fernbedienung für einen Internet-fähigen Flachfernseher der Marke Panasonic zu verwenden. Das Gerät kann neben E-Books auch Musik und Filme wiedergeben, solange man sich nicht allzu lange von zu Hause entfernt. Bei voller Bildschirmhelligkeit, also dem Lesen außerhalb schummriger Räume, ist der Akku in der Buchfunktion bereits nach 3,5 Stunden leer, als Film- oder Fotovorführgerät schon nach drei Stunden. Das reicht – bei vollem Akku – gerade für die Zugfahrt zwischen Tokio und Osaka. Selbst bei dunkelster Einstellung bleibt der Bildschirm spätestens nach sechs Stunden schwarz, sagt der Hersteller. Auch ich bin der Meinung, dass die japanischen Kunden hohe Ansprüche stellen – und daher diese Reader liegen lassen werden. Mein Fazit: Es handelt sich eher um ein Heimgerät für Panasonics Fernseherkunden denn um ein Prestigobjekt, mit dem man sich in der Öffentlichkeit sehen lassen kann.

Natürlich sind die Japaner immer noch innovativ – und nicht alle sind so verbohrt wie Sharp und Panasonic. Andere Hersteller wie Fujitsu preisen farbige E-Book-Reader an, die ähnlich arbeiten wie die klassischen eBücher, mit einer Art statischer Tinte. Sie verbinden relativ gute Lesbarkeit bei Licht und lange Batterielaufzeiten. Aber sie sind zu teuer, um gegen die Flut der Tablet-PCs bestehen zu können.

Dennoch bleibt es für mich ein Rätsel, warum gerade zwei der am stärksten am Kunden ausgerichteten japanischen Hersteller wie Sharp und Panasonic so verkrampft am Konzept des farbigen E-Book-Readers festgehalten und lange keine vollwertigen Tablets gegen Apple & Co. auf den Markt werfen wollten. Immerhin, Sharp hat es offenbar verstanden. Als diesen Monat sein 7 Zoll großes A01SH gezeigt wurde, nannte man das Android-Gerät nicht mehr E-Book-Reader, sondern Media-Tablet. Dazu gibt es auch eine Art Office-Programm, Google-Talk-Unterstützung, ein Videoschnittprogramm und vieles andere mehr. Und mit 389 Gramm ist es sogar leichter als Panasonics Gerät und fast so leicht wie Samsungs kleines Galaxy Tab. Vielleicht wachen die Hersteller ja auf. (bsc)