Schöner schwarzfahren mit dem Smartphone

Die Kollegen von der FAZ berichten, wie clevere, junge Programmierer soziale Netzwerke benutzen, um in Echtzeit vor Kontrolleuren zu warnen. Und da heißt es immer, die deutsche Jugend interessiere sich zu wenig für Technik.

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Wenn das mal nicht kreativ ist: Die Kollegen von der FAZ berichteten neulich darüber, wie clevere, junge Programmierer soziale Netzwerke, den Kurznachrichtendienst Twitter und die Ortsdaten von Smartphones benutzen, um in Echtzeit vor Kontrolleuren in Straßenbahnen und Bussen zu warnen.

Eine App mit dem schönen Namen Schaffner-Radar, die das besonders komfortabel machen soll, wird jetzt über den Android Market verbreitet. Neben der technischen Integrationsleistung finde ich den sozialen Aspekt dieser Technologie besonders spannend: Die Idee ist nicht auf ein bestimmtes Verbreitungsgebiet festgelegt, die Entwickler setzen, ähnlich wie beim Kartenprojekt Openstreetmap, offenbar auf die Schwarmdynamik des Internet – je mehr Menschen sich an dem Dienst beteiligen, desto interessanter wird er. Und da heißt es immer, die deutsche Jugend interessiere sich zu wenig für Technik. Über mangelnde Kreativität kann man sich da doch wirklich nicht beschweren.

Ein bisschen grinsen musste ich schon, als ich das gelesen habe. Natürlich ist Schwarzfahren schrecklich illegal – aber sozial weitaus weniger geächtet als der Ladendiebstahl. Und das nicht ohne Grund: Ich habe das nicht empirisch überprüft, aber in Hannover hält sich hartnäckig das Gerücht, besonders zu Messezeiten würden die Kontrolleure sich gerne an den Grenzen der Tarifzonen positionieren, weil Ortsunkundige diese Grenzen notorisch ignorieren – und sich damit ganz schnell mal der Erschleichung von Beförderungsleistungen verdächtig machen.

Das Problem ist allerdings noch weitaus grundsätzlicher: Hinter der Frage, wie teuer Karten für den öffentlichen Nahverkehr sind, steckt nämlich die politische Frage, ob die Bereitstellung einer solchen Infrastruktur eigentlich eine öffentliche Aufgabe ist – oder sein sollte. Weil in Hannover die Tage der Aktion Roter Punkt schon lange her sind, gilt hier – wie auch in vielen anderen Städten – der Nahverkehr als ganz normales Dienstleistungsangebot. Das wird zwar, ähnlich wie die Oper, öffentlich subventioniert. Aber dieser Zuschuss wird – in Zeiten knapper Kassen – zunehmend zähneknirschend bezahlt: Der Betrieb hat sich möglichst weitgehend selbst zu tragen.

Und um die Einnahmen zu erhöhen, hat das Unternehmen – wie wahrscheinlich eine Menge anderer Verkehrsunternehmen auch – die Zahl seiner Kontrolleure massiv gesteigert. Bisher reagiert das Unternehmen damit so ähnlich wie die Musikindustrie, die in den Tagen von Napster und Co. versucht hat, Raubkopierer durch Klagen abzuschrecken. Jetzt haben einige clevere Leute neue, technische Mittel gefunden, um diese Jagd erheblich schwieriger zu gestalten.

Wie sollte also die Reaktion der Verkehrsunternehmen aussehen? Nachrüsten? Den Smartphone-Empfang in den U-Bahn-Schächten blockieren? Oder noch besser: filtern und auswerten? Schnelle Eingreiftruppen bilden? Noch mehr Kontrolleure ausschicken – am besten flächendeckend? Oder von der Musikindustrie lernen: das Angebot verbessern, auf Kopierschutz – also Kontrolleure – verzichten und damit die eigenen Kosten senken, aber den Umsatz steigern? Ich sage nur: Von Apple lernen, heißt siegen lernen. In diesem Sinne: gute Fahrt! (wst)