Datenschützer: Schüler erziehen, nicht verdaten

Jeder Schüler in Schleswig-Holstein soll nach dem neuen Landesschulgesetz eine Schüler-ID erhalten, die ihn lebenslang auf seinem Bildungsweg begleiten soll und in einer Schülerdatenbank gespeichert wird.

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Von
  • Detlef Borchers

Am morgigen Donnerstag diskutiert der Bildungsausschuss des Landes Schleswig-Holstein den Entwurf eines neuen Landesschulgesetzes. Unter dem Stichpunkt "Umstellung der Schulstatistik auf Individualdaten mit bundeseinheitlichem Kerndatensatz" wird dabei eine gravierende Veränderung verabschiedet: Jeder Schüler soll dabei eine Schüler-ID erhalten, die ihn lebenslang auf seinem Bildungsweg begleiten soll und in einer Schülerdatenbank gespeichert wird. Nun protestiert das unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein (ULD) gegen diese Schüler-ID, die bereits auf der letzten Bundeskonferenz der Datenschützer in die Kritik geraten ist. Auch bei den Big Brother Awards 2006 wurde die neue Statistik der Bildungsforscher mit einem Negativpreis ausgezeichnet.

Der Entwurf des neuen Schulgesetzes wird von den schleswig-holsteinischen Datenschützern kritisiert, weil die Datensammlung zur Erstellung von "Bildungsverlaufsanalysen" die gesamte schulische Karriere umfasst. Dabei ist die ID so gestaltet, dass die Karriere einzelner Schüler verfolgbar wird, trotz Pseudonymisierung und Verwendung einer "zweiten Datenbank", in der nur die pseudonymen Daten stehen sollen. So erklärt Thilo Weichert, Leiter des unabhängigen Datenschutzzentrums in einer Stellungnahme: "Der Informationsbedarf der Kultusverwaltung darf nicht dazu führen, dass landes- und bald bundesweit ein Register über sämtliche Schülerkarrieren vorliegt. Die Gefahren schon beim Gebrauch sind immens; die Missbrauchsrisiken unüberschaubar. Die Schülerdatei ist als Instrument geeignet, Ausbildungs- und Berufskarrieren zu zerstören."

Neben der lebenslangen Schüler-ID soll der Datensatz eines Schülers Angaben zu den besuchten Schulen und dem besuchten Unterricht enthalten, dazu Geschlecht, Geburtsmonat und -jahr, Ersteinschulung, Staatsangehörigkeit, nichtdeutsche Verkehrssprache, Art der Wiederholungen, Schwerpunkte der Unterrichtseinheiten (Fremdsprachen, Förderschwerpunkt, Ganztagsbetreuung). Nachschulische Angaben betreffen den Ausbildungsberuf oder das Studium, die Fachrichtung sowie die "Stellung im Beruf und Wohnort" als Merkmal, ob ein angestrebter Berufsweg vollendet wurde. Daneben wollen die Bildungsforscher auf Kerndatensätze der Schulen zurückgreifen, die Angaben über Klassen und Kurse, Schülerzahlen, Zahl der Lehrkräfte inklusive Karriere oder "Lehrkraftsbewegungen" enthalten.

Insgesamt entsteht nach Ansicht der Datenschützer ein Datenkonglomerat, mit dem die angedachte Pseudonymisierung wieder aufgehoben werden kann. Ein Hintergrundpapier zur neuen Schülerstatistik spricht von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der wegen der fehlenden Zweckbeschreibung und -begrenzung der Individualstatistik auch ein Verstoß gegen die Normenbestimmtheit sei. (Detlef Borchers) / (jk)