ISSCC: Chip mit Hirn

Forscher vom Max-Planck Institut für Biochemie in Martinsried wollen Hybridschaltungen aus organischen neuronalen Netzen und Halbleiterprozessoren entwickeln.

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Von
  • Erich Bonnert

Wie Microchips direkt mit Gehirn- und Nervenzellen verbunden werden können, untersucht Peter Fromherz vom Max-Planck Institut für Biochemie in Martinsried. Sein Ziel sind Hybridschaltungen aus organischen neuronalen Netzen und Halbleiterprozessoren, erklärte er auf der International Solid-State Circuits Conference (ISSCC).

Bevor man ernsthaft an neuro-elektronische Entwicklungen denken kann, müssen Grundlagen für ein Interface geschaffen werden, um zuverlässige Verbindungen zwischen Halbleiter und Nervenzellen zu bauen. Die Ladungsträger im Halbleiter Silizium sind Elektronen, während im vorwiegend aus Wasser und Salzen bestehenden Gehirngewebe Ionen die Ladung transportieren. In die Zellen eindringende Elektronen würden diese zerstören; Wasser- oder Kochsalzionen hätten im Halbleiter Korrosion zur Folge.

Eine Elektrolytschicht zwischen den Zellen und der Chipoberfläche verhindert dies. Wird eine Nervenzelle oder ein Neuron angeregt, öffnen sich Ionenkanäle in der Zellmembran. Damit fließt Strom entlang der Elektrolytschicht zwischen Chip und Zelle und erzeugt eine Spannung am offenen Gatter eines Feldeffekttransistors. Für den Übergang vom Chip zur Zelle wird eine Spannung an einem Silizium-Elektrolyt-Übergang angelegt, der damit eine Art Kondensator bildet. Die extra-zelluläre Spannung öffnet Ionenkanäle -- und das Neuron wird stimuliert.

In Experimenten hat Fromherz die Dynamik von Kalium- und Natrium-Ionen ausgenutzt, die in tierischen Nervenzellen für elektrische Stimuli sorgen. Die Neuronen (Ganglien) von Schnecken sind besonders leicht an Chips zu koppeln, da sie eine große Berührungsfläche mit dem Halbleiter haben. Säugetierneuronen sind winzig und die Kopplung daher schwach.

Neuronen bilden Netze durch Signalübertragung über Synapsen. Die synaptische Übertragung zwischen zwei Schneckenganglien kann vom Chip (per Kondensatorspannung) im ersten Ganglion angeregt, danach im zweiten Ganglion registriert und gespeichert werden. Durch Verstärkung der Synapsen via kapazitiver Stimulation wurde somit ein neuronaler Speicher auf dem Chip etabliert.

Für ein größeres neuronales Netz dienten dünne Scheiben eines Rattengehirns, die direkt auf den Transistoren kultiviert wurden. Auch in diesem Fall wurden synaptische Transfers und synaptische Speicher an die Siliziumchips gekoppelt. Um im nächsten Schritt tausende von Neuronen auf einen Chip zu packen, diente anstatt Silizium- ein CMOS-Chip. Auf einer Matrix von 128×128 Sensor-Transistoren wurde eine Schicht von Rattenneuronen platziert. Deren zeitlich verteilte neuronale Aktivität kann so über Bildgebersignale 3D-visuell dargestellt werden. (Erich Bonnert) / (jk)