Diebstahl von Wertsachen im Versandhandel

Immer wieder verschwindet Ware auf dem Weg zum Kunden. Dass ein solcher Diebstahl den Händler von seiner Leistungspflicht entbinden kann, zeigt ein Urteil des OLG Hamm.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Oberlandesgericht Hamm hat ein Herz für Händler: In einem aktuellen Urteil stellte es klar, dass ein Händler nicht in jedem Fall zur erneuten Lieferung von Waren verpflichtet ist (OLG Hamm, Urt. v. 24.05.2011, Az. I-2 U 177/10). In dem Fall ging es um einen Händler, der Goldmünzen an einen Verbraucher verschickt hat. Die wurden während des Transports allerdings von einem unbekannten Dritten gestohlen. Der Kunde wollte nicht das Geld zurück, sondern bestand auf die Lieferung der Münzen. Wie die Richter des OLG Hamm nun festgestellt haben, kann der Verbraucher dies aber nicht fordern, wenn die erneute Lieferung – wie hier durch den Diebstahl der Ware – unmöglich geworden ist. Das gilt auch dann, wenn den Händler nach Ansicht des Verbrauchers eine Mitschuld trifft, weil er einen "unsicheren" Versandweg gewählt hat. Doch welche Pflichten genau hat ein Händler, wenn die Ware gestohlen worden ist? Rechtsanwalt Max-Lion Keller mit den wichtigsten Antworten zu diesem Thema.

Wenn ein Händler die Ware zur Post gebracht hat, hat er seinen Teil des Vertrages doch schon erfüllt, oder?

Max-Lion Keller: Das stimmt so leider nicht ganz. Hier muss genau differenziert werden, denn je nachdem mit wem der Händler einen Vertrag geschlossen hat, ergeben sich andere Rechtsfolgen. Versendet der Unternehmer an einen anderen Unternehmer, hat er seine Pflichten aus dem Vertrag erfüllt, sobald er die Ware einem Transportunternehmen anvertraut hat. Diese Regelung greift jedoch dann nicht, wenn ein Verbraucher bei einem Unternehmer bestellt. In diesem Fall trägt der Händler das Transportrisiko solange bis die Ware beim Kunden ankommt. Folglich muss der Verbraucher die Ware auch nicht bezahlen, wenn sie unterwegs abhanden kommt.

Kann ein Händler sein Risiko minimieren, in dem er einen versicherten und einen unversicherten Versand anbietet und dem Kunden selbst die Entscheidung überlässt, wie die Ware verschickt wird?

Keller: Zumindest wenn auch Verbraucher beliefert werden, ist dringend von einem solchen Vorgehen abzuraten, da anderenfalls kostspielige Abmahnungen drohen. Denn der Unternehmer trägt gegenüber Verbrauchern immer das Versandrisiko und darf dieses auch nicht auf den Kunden abwälzen. Wird nun versicherter und unversicherter Versand angeboten, entsteht beim Verbraucher der Eindruck, dass der Händler das Risiko gerade nicht immer zu tragen habe. Diese Irreführung ist nicht zulässig und abmahnfähig.

Muss dem Kunden nach Diebstahl der Ware der komplette Kaufpreis plus Versandkosten ersetzt werden oder kann man den Verbraucher an diesem Verlust beteiligen?

Keller: Da der Händler gegenüber Verbrauchern immer das Transportrisiko trägt, muss er auch sämtliche Konsequenzen tragen. Soll der Kaufpreis erstattet werden, so ist dieser dem Verbraucher inklusive Versand- und sonstiger Kosten gutzuschreiben.

Kann der Kunde, wenn es sich bei der Ware nicht um ein Einzelstück handelt, darauf bestehen, dass "nochmal" geliefert wird oder muss er sich mit der Erstattung des Kaufpreises begnügen?

Keller: Solange dem Unternehmer die erneute Lieferung der Ware nicht unmöglich ist, kann der Kunde grundsätzlich auf Erfüllung bestehen und eine nochmalige Lieferung verlangen. Allerdings tritt auch bei Gattungsschulden – also bei Waren die nicht nur als Einzelstücke verfügbar sind – Unmöglichkeit ein, wenn der Schuldner gemäß § 243 Abs. 2 BGB seinerseits das zur Leistung Erforderliche getan hat. Genau so lag es ja auch im Fall, den das OLG Hamm zu entscheiden hatte. Das Gericht war der Auffassung, dass der Händler nicht erneut leisten müsse, da er das zur Leistung erforderliche, nämlich das auf den Weg bringen der Goldmünzen, getan habe.

Max-Lion Keller ist Rechtsanwalt und Partner der IT-Recht Kanzlei München. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört u.a. die Beratung von Unternehmen beim Aufbau von rechtssicheren Online-Auftritten und Online-Shops, sowie juristisches Risiko- und Vertragsmanagement. Max-Lion Keller ist außerdem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für mehr Fairness im Internet e.V. – Fair-E-Com und Autor des "Lexikon für das IT-Recht 2009"

Was sollte ein Händler im Falle eines solchen Diebstahls tun? Macht es beispielsweise Sinn, Anzeige zu erstatten?

Keller: Der Händler sollte Anzeige gegen Unbekannt erstatten, da er anderenfalls keine Chance hat, den Täter zu ermitteln. Nur bei einer erfolgreichen strafrechtlichen Untersuchung kommt der Händler an die Daten des Täters. Mit diesen kann der Unternehmer dann auch zivilrechtlich vorgehen und die Herausgabe der Sache und gegebenenfalls Schadensersatz vom Täter verlangen.

Was können Händler tun, um das Verlustrisiko zu minimieren bzw. mit dem Verbraucher zu teilen?

Keller: Der Händler hat, wie bereits erwähnt, das Versandrisiko gegenüber Verbrauchern immer zu tragen. Er darf sich dieser Pflicht keinesfalls, beispielsweise durch anders lautende Regelungen in seinen AGB, entziehen. Die Minimierung seines Verlustes kann der Unternehmer nur erreichen, indem er einen zuverlässigen Transportdienstleister auswählt und seine Waren versichert versendet. So kann er im Falle des Verlustes immerhin die Versicherung in Anspruch nehmen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)