Digitalradio stört Polizeifunk

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Wie bei anderen Übertragungstechniken hört auch ein DAB+-OFDM-Signal nicht an den Kanalgrenzen schlagartig auf. Seine Nebenaussendungen können noch in geraumem Abstand andere Systeme stören.

Nach TV-Kabelkunden mit analogem Anschluss (siehe c’t 18/11, S. 28) leiden nun auch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS: Polizei, Feuerwehr etc.) unter Störungen durch den jüngst in Betrieb gegangenen digitalen Hörfunk DAB+. Seit Anfang August kommt es in mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen zu Empfangsproblemen beim Polizeifunk. Betroffen sind vor allem VHF-Handfunkgeräte, die bei schlechter Empfangslage oder in unmittelbarer Nähe zum DAB+-Sender auf bestimmten Funkkanälen lediglich ein Knarzen oder Rauschen von sich geben und so keine Kommunikation mit der Einsatzleitzentrale mehr erlauben.

VHF-Polizeifunk und DAB+ nutzen unterschiedliche, aber direkt benachbarte Frequenzen: Der Polizeifunk arbeitet zwischen 168 und 174 MHz, DAB+ zwischen 174 und 230 MHz. Manche DAB+-Sender funken am Bandanfang (Kanal 5A bei 174 MHz), sodass die Systeme dann nur durch 0,18 MHz Schutzabstand getrennt sind. Offensichtlich sind deshalb unvermeidliche Nebenaussendungen der DAB+-Sender des Sendedienstleisters Media Broadcast die Ursache der Störungen. Nach Messungen der Bundesnetzagentur liegen die Nebenaussendungen aber im erlaubten Bereich.

Ende 2012 soll der Infrastrukturausbau des gegen DAB+-Störungen immunen BOS-Funks TETRA abgeschlossen sein. Bundesweit durchgehend nutzbar ist er voraussichtlich 2014.

(Bild: BDBOS)

Die Bundesnetzagentur bestätigte ferner gegenüber c’t, dass auch die Handfunkgeräte der Polizei ihre technischen Vorgaben erfüllen. Die Störungen seien deshalb nicht vorhersehbar gewesen. Bislang behelfen sich die Polizisten mit dem Wechsel auf weniger stark gestörte Funkkanäle. Wegen einer für den 3. September angekündigten Großdemonstration in Dortmund hatte die Bundesnetzagentur eine vorübergehende Abschaltung des dortigen DAB+-Senders verfügt. Zu ähnlichen Maßnahmen könnte es künftig auch in anderen Bundesländern kommen, denn beispielsweise in Mainz und Stuttgart arbeiten ebenfalls DAB+-Sender auf Kanal 5A (Liste der Standorte siehe c’t-Link am Artikelende). Beim Vorgängerstandard DAB trat das Problem nicht auf, weil DAB auf höheren Frequenzen und mit weniger Leistung ausgestrahlt wird.

Als mittelfristige Lösung kommt wahrscheinlich nur ein Wechsel der DAB+-Sender auf höhere Frequenzen in Frage, bis die BOS-Dienste mit digitalen Funkgeräten ausgerüstet sind. Der Ausbau des zwischen 380 und 395 MHz arbeitenden und deswegen gegen DAB+-Störungen immunen TETRA-Netzes schleppt sich allerdings schon seit Jahren hin. Der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) zufolge soll die bundesweite TETRA-Infrastruktur bis Ende 2012 errichtet sein. Dann stehen aber in den meisten Regionen noch Inbetriebnahme und Testläufe aus.

www.ct.de/1120055 (ea)