Kritik an Berliner Vorschlag zum Schutz von Whistleblowern

Das Whistleblower-Netzwerks kritisiert die Bundesratsinitiative des Landes Berlin für einen gesetzlichen Schutz der Whistleblower in Unternehmen als "hanebüchen". Der Plan sei "nahezu eine Kopie" des abgelehnten Entwurfs aus Zeiten der großen Koalition.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Guido Strack, Vorsitzender des Whistleblower-Netzwerks kritisiert die Bundesratsinitiative des Berliner Senats zum gesetzlichen Whistleblowerschutz als "hanebüchen". Entgegen der Erwartungen eines "progressiven" Vorschlags sei der Plan (PDF-Datei) der Berliner aber "nahezu eine Kopie" des Entwurfs (PDF-Datei) der großen Koalition, der auf Initiative des ehemalige Verbraucherministers Horst Seehofer (CSU) nach dem Gammelfleischskandal 2008 erfolglos in den Bundestag eingebracht worden war.

Der aktuelle Vorschlag der rot-roten Berliner Landesregierung bleibt nach Auffassung von Strack in einigen Punkten nun sogar hinter Seehofers Initiative zurück. Die Vorgabe, dass ein Arbeitnehmer vor einer Anzeige nicht nur konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat haben müsse, sondern auch nachweisen soll, dass eine Beschwerde im Betrieb die Aufdeckung der Missstände verhindern würde, mache Whistleblowing regelrecht unmöglich: "Diese völlig überhöhten Beweisanforderungen dürften Whistleblower kaum je erfüllen können", sagte Strack gegenüber heise online.

Die Vorgabe ignoriere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch, die Anzeige gegen ein Berliner Pflegeheim erstattet hatte. Strack: "Da kann man schon den Eindruck bekommen, dass der Berliner Senat mit dem aktuellen Vorschlag von Scheinrechten für Whistleblower vor allem Wahlkampf betreiben und von seiner Verantwortung als Inhaber von Vivantes im Fall Heinisch ablenken will."

Ein weiterer Kritikpunkt des Whistleblower-Netzwerks ist, dass zwei Regelungen des Seehofer-Vorschlags herausgenommen wurden. So könnten nun Arbeitgeber in Arbeitsverträgen festlegen, was ein Mitarbeiter intern unternehmen muss, bevor er sich an eine externe Stelle wie einen Ombudsmann oder gar die Polizei wenden darf, ohne seinen Arbeitsplatz zu riskieren. Außerdem wird darauf verzichtet festzulegen, dass andere Beschwerderechte wie etwa die datenrechtliche Beschwerde unberührt bleiben.

Weiterhin erneuerte Strack seine frühere Kritik, dass der Vorschlag sich nur auf Arbeitnehmer, nicht jedoch auf arbeitnehmerähnliche Verhältnisse wie Leiharbeit oder andere Dreiecksverhältnisse beziehe. Er vermisst außerdem, dass Whistleblower dem Entwurf nach zunächst eine interne Anzeige erstatten müssen und dass Ausnahmen hierzu nicht wirklich gerichtsfest beschrieben werden. Vor anderen Repressalien seien Whistleblower dann auch weiterhin ungeschützt. So müsse der Arbeitnehmer nachweisen, dass Verschlechterungen des Arbeitsverhältnisses oder Mobbing in Zusammenhang mit seinen Hinweisen stehen.

Das Whistleblower-Netzwerk vermisst zudem einen rechtlichen Schutz von anonymen oder vertraulichen Hinweisen. Dass dies notwendig ist, zeigen drei Fälle aus der Lebensmittelindustrie: In zwei von drei Fällen waren die Hinweisgeber durch Anonymität geschützt, im dritten Fall wurde der Whistleblower entlassen. Dass gerade hier Handlungsbedarf besteht zeigen auch die aktuellen Vorschläge des Sozialstadtrats Michael Büge (CDU) des Berliner Bezirks Neukölln, der angesichts anhaltender Missstände in der Berliner Altenpflege fordert, dass sich "ehemalige Mitarbeiter" anonym an einen Ombudsmann wenden können sollen, da in den betroffenen Unternehmen "ein Klima der Angst und eine Mauer des Schweigens" herrsche.

Die Autorin war von November 2006 bis Juni 2008 Vorstandsmitglied des Whistleblower-Netzwerk e.V. und ist nicht mehr aktiv für den Verein tätig.
(vbr)