„Die IT-Branche frisst einen auf.“

Siegbert Wortmann ist jetzt seit 25 Jahren an der Spitze des von ihm gegründeten Unternehmens. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Andere fragen sich, wie man das schafft. Die IT-Branche, so sagen sie, macht einen fertig. Schnell war sie schon immer, aber dafür recht einfach. Jetzt ist sie nicht nur schnell, sondern auch noch komplex, schwierig, unübersichtlich und extrem anspruchsvoll.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Siegbert Wortmann,

wenn es jemanden gibt, der gerade Grund zum Feiern und Ausgelassensein hat, dann sind Sie es. Vor 25 Jahren haben Sie Ihr eigenes Unternehmen gegründet, und aus dem zarten Pflänzchen von damals ist mittlerweile ein stolzer Baum mit vielen leckeren Früchten geworden. Mit Beharrlichkeit, Bodenständigkeit, Verlässlichkeit und natürlich großem Fleiß haben Sie Ihr Unternehmen zu einer festen Größe im IT-Markt aufgebaut. Der Lohn für die Mühe: stetes gesundes Wachstum. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, warum sich der Erfolg der vergangenen Jahre nicht weiter fortsetzen sollte. Nach einem zweistelligen Umsatzanstieg im vergangenen Jahr kletterten die Erlöse auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 25 Prozent.

25 Jahre in dieser verrückten Branche – das muss man erst mal schaffen! Das kann nicht jeder von sich sagen. Ich erinnere mich noch gut an eine Partnerveranstaltung von Maxdata im sonnigen Andalusien, als der damalige Deutschland-Chef Kai-Uwe Lampatz mit seinen Händlern darauf anstieß, "dass wir alle bisher überlebt haben". Das war im Jahr 2004. Im Rückspiegel betrachtet hatte der Satz seinen guten Sinn; denn wenig später ging das Unternehmen Maxdata in die Insolvenz. Wieso ich hier gerade Maxdata erwähne? Ganz einfach, weil für viele Branchenteilnehmer Maxdata lange Zeit so etwas wie das der bessere, professionellere, ambitioniertere und erfolgreichere Wortmann war. Wortmann war Provinz, Maxdata war die große weite Welt. Nicht zuletzt Maxdata-Gründer Holger Lampatz sah das lange so. Maxdata ist der Realitätscheck für die Redensart „Wer hoch hinaus will, der kann tief fallen.“ Maxdata wäre in diesem Jahr 24 Jahre alt geworden.

Aber wir wollen an dieser Stelle ja nicht über gescheiterte, sondern über erfolgreiche Unternehmen und erfolgreiche Unternehmer reden: Also über Sie, lieber Herr Wortmann, und über Ihre Firma Wortmann AG. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Geburtstagsfeier und so. Als echter Westfale feiern Sie natürlich nicht alleine, sondern haben es mit ein paar hundert Freunden, Geschäftspartnern und Kunden am vergangenen Freitag richtig krachen lassen. Einmal mehr zeigte sich: Nicht nur wie man erfolgreich Business macht, sondern auch wie man Feste feiert (oder feste feiert), kann man von Ihnen lernen, lieber Herr Wortmann.

Bevor ich es vergesse: Herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum, lieber Herr Wortmann, und weiterhin alles Gute für die nächsten 25 Jahre.

Lieber Herr Wortmann, vor einer Woche saß ich mit jemandem zusammen, der ebenfalls schon lange in der Branche tätig ist. Dieser Mann hatte - wie Sie - vor mehr als 20 Jahren ein IT-Unternehmen gegründet und erfolgreich am Markt etabliert. Er hat in seinem Leben hart gearbeitet und viel Geld verdient. Er ist heute Anfang 40 und er sagt, dass dies sein letztes Jahr in der IT-Branche sei. Warum? Weil er einfach nicht mehr könne, die Branche mache ihn fertig, sagte er. Wenn er jetzt nicht den Fallschirm nehme und abspringe, dann würde er mit dem größten Burnout aller Zeiten dafür bezahlen. Früher, sagte mein Gesprächspartner, sei die Branche ja auch schon schnell gewesen, aber dafür doch recht einfach, auch und gerade in technologischer Hinsicht. Heute sei die Branche zwar noch immer schnell, aber jetzt sei sie auch noch zusätzlich komplex, schwierig, unübersichtlich und extrem anspruchsvoll geworden. Man müsse immens viel an geistiger Energie investieren, nur um einigermaßen über die wichtigsten Themen auf dem Laufenden zu bleiben. Dazu komme der wirtschaftliche Druck, mit einer permanent sich verschlechternden Margen- und Renditesituation fertig zu werden.

Mein Gesprächspartner sagte, er sehne sich nach mehr Beständigkeit, danach, etwas zu schaffen, was über den Tag hinaus andauere. Und er sei kein Einzelfall, eine ganze Reihe seiner Bekannten mit vergleichbaren Biographien hätten ihm gesagt, dass es ihnen ähnlich ergehe. Inzwischen habe er in andere Branchen hineingeschaut und den Eindruck gewonnen, dass diese deutlich weniger an die persönliche Substanz gehen als die IT-Branche. Und wie gesagt: Dieser Mann ist kein alter Zapfen, sondern gerade erst einmal Anfang 40. Ende dieses Jahres ist für ihn in der IT-Branche Schluss. Er baut mit einem Kompagnon derzeit eine neue Firma auf; die hat nichts mehr mit IT zu tun (bzw. nur noch als Anwender).

Lieber Herr Wortmann, was sagen Sie als Branchenveteran zu solchen Äußerungen? Können Sie dies nachvollziehen, vielleicht sogar bestätigen? Und wenn es wirklich so ist, dass die IT-Branche einen „auffrisst“, was kann man tun? Und wie will man junge Menschen dafür gewinnen, in einer solchen Branche zu arbeiten oder vielleicht sogar als Unternehmer tätig zu sein (Stichwort Nachfolgeregelung)? Würde mich wirklich mal interessieren, wie Sie darüber denken.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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