Hoffen auf die nächste Generation von Suchmaschinen

In Berlin diskutierten Medienwissenschaftler, IT-Fachleute, Politiker und Wirtschaftsvertreter am heutigen Donnerstag über die Google-Gesellschaft von heute und Suchmaschinen von morgen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 127 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Suchmaschinen, bei denen die User selbst in einem P2P-Netz zum Aufbau eines verteilten Webseiten-Index beitragen, hätten das Potenzial, die Marktbeherrschung durch Google & Co. zu brechen. Das erklärte Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) heute in Berlin auf einem Symposium zur Zukunft der Suchmaschinen. "Technologisch bietet P2P eine hervorragende Basis, noch bessere Indizes herzustellen", meinte er – "wenn diese Idee wirklich um sich greift".

Auf der Veranstaltung der acatech, aus der im kommenden Jahr die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften hervorgehen soll, propagierte Wahlster seine Vision eines Web 3.0, das er als die Verbindung von semantischem Web und dem Web 2.0 definierte. In diesem Schnittpunkt werde auch das geplante Projekt Theseus angesiedelt sein, das aus der Erbmasse des gescheiterten deutsch-französischen Suchmaschinenprojekts Quaero hervorgegangenen ist und – vorbehaltlich der Zustimmung Brüssels – demnächst starten soll. Quaero war gescheitert, weil sich die deutschen und französischen Partner nicht auf eine gemeinsame Strategie verständigen konnten. Die Franzosen hätten "zu stark versucht, Google im eigenen Paradigma zu übertreffen", kritisierte Wahlster. Während sie Google mit der Suchmaschine Exalead unmittelbar Paroli bieten wollten, mochte die Bundesregierung lieber die Suchmaschinentechnologie der nächsten Generation entwickeln. "Wir brauchen eine technologische Basis, um mitreden zu können", bekräftigte der Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien im BMBF, Wolf-Dieter Lukas, die Position. "In der nächsten Phase, bei Google 2, da sollten wir dann dabei sein."

Auf dem Weg dorthin werde man, so Wahlster, die Dokumentensuche à la Google als Fundament für die intelligentere Erschließung der Inhalte nutzen. Er sieht die Zukunft vor allem in der Verbesserung der Mensch/Maschine-Schnittstelle und in der Veredelung der Suchergebnisse durch das Extrahieren der eigentlich gesuchten Information, sodass etwa auf die Frage nach dem "Umsatz von Siemens 2005 in Deutschland" keine Linkliste, sondern tatsächlich die richtige Zahl aus der Tabelle in dem Geschäftsbericht herausgezogen und ausgeworfen werden kann. Mit dem vom BMBF gefördert SmartWeb-Projekt, dessen Ergebnisse in Kürze öffentlich präsentiert werden sollen, sei man diesem Ziel in Bezug auf einfach strukturierte Faktenanfragen schon recht nahe gekommen. Die Verknüpfung von mobilen Zugriffsdiensten – beispielsweise per Spracheingabe aus dem Auto heraus – mit semantischen Websuchdiensten könnte nach Ansicht des KI-Experten eine attraktive Plattform zur Einführung von Bezahldiensten werden.

Die Suche sei auch für Google noch kein abschließend gelöstes Problem, betonte Thomas Hofmann von der Google Switzerland GmbH, der sich auf einen knappen Ausblick auf die allgemeine Entwicklungsrichtung in Sachen "WebSearch 1.xx" beschränkte. Dazu gehört beispielsweise die in einigen Ländern bereits eingeführte "schnelle Antwort auf einfache Fragen", etwa von Wetteranfragen, bei denen der Nutzer in der Regel nicht an der Linkliste, sondern direkt an den meteorologischen Verhältnissen am Reiseziel interessiert ist. Zudem will man sich verstärkt darum bemühen, dem User bei der Verfeinerung der Fragestellung auf die Sprünge zu helfen, dabei allerdings "das User-Interface möglichst sanft anreichern, weil sich die Nutzer daran gewöhnt haben". Die Nummer 1 unter den Suchmaschinen habe inzwischen 50 Entwicklungszentren in aller Welt aufgebaut, um stärker die lokalen und regionalen Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigen zu können, und sehr intensiv werde auch die automatische Übersetzung betrieben, "damit wir Inhalte für die nicht-englischsprachigen Länder zur Verfügung stellen können".

"Wir sind definitiv auf dem Weg in die Google-Gesellschaft", konstatierte der Soziologe Rudi Schmiede von der TU Darmstadt und warnte davor, dass Suchmaschinen die Wahrnehmung prägten und die "Definitionsmacht" über das hätten, was Aufmerksamkeit lohnt und erfordert. Die ständigen Rufe nach "Informationskompetenz" oder "Medienkompetenz" hält er nicht für ausreichend. Es bedürfe "der menschlichen Vermittlung zwischen Information und Realität", damit die eigenständige Urteilskraft gestärkt werde, betonte Schmiede. Ob Suchmaschinen dabei unterstützen oder "zur konsumierenden Entmündigung" beitragen, sei auch eine Frage der Technikgestaltung. (Richard Sietmann) / (pmz)