Revolution in der Distribution

Die Distribution ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Jetzt übernehmen die Distributoren schon ihre eigenen Fachhändler. Zumindest ist der Anfang getan: Also Actebis verstärkt sich mit dem Berliner Systemhaus Druckerfachmann.de. Wo soll das nur enden?

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Druckerfachmann.de-Chef Heino Deubner

(Bild: Druckerfachmann.de)

Lieber neuer Also-Actebis-Manager Heino Deubner,

die Überraschung ist Ihnen ja wirklich gelungen. Sie lassen sich beziehungsweise Ihre Firma Druckerfachmann.de von Also Actebis kaufen und werden in Zukunft als Also Actebis MPS GmbH Teil der Familie sein.

Der Vorgang ist eine Premiere, wenn man so will ein Quantensprung oder ein Paradigmenwechsel oder ein Tabubruch: Ein Großdistributor übernimmt einen seiner Handelspartner. Eine Sensation, und der Versuch von Also Actebis, die Sache klein zu reden, ist ein durchsichtiges Manöver. "Also Actebis erweitert Angebot um Managed Print Service" – das ist die läppische Headline, hinter der sich der Sprengsatz, sprich die Übernahme von Druckerfachmann.de, verbirgt. Gerade so als ob es sich hier lediglich um einen weiteren Distributionsvertrag handeln würde. Die Headline, ja die ganze Presseinfo, ist nichts anderes als eine Nebelkerze. Man hat den Eindruck, als ob die hohen Herren von Also Actebis gerne von der Brisanz des Vorgangs ablenken wollten.

Wie es heißt, soll mit der Übernahme (in der offiziellen Mitteilung wird das Wort "Übernahme" sorgfältig vermieden, so als ob es sich um etwas Unanständiges handeln würde) das MPS-Angebot der Also Actebis erweitert und allen interessierten und geeigneten Händlern zur Verfügung stehen. Das klingt gut. Ich frage mich allerdings, was das in der Praxis bedeutet. Denn MPS ist ja nur sehr begrenzt distributionsfähig, wie mir scheint. Sicher, da gibt es Hard- und Software, aber das ist ja nur der triviale Teil. Ich habe mal auf der Homepage von Druckerfachmann.de nachgesehen, und danach besteht MPS aus den folgenden Elementen:

  • Analyse
  • Konzeption
  • Implementiertung
  • Services
  • Weiterentwicklung

Noch mal die Frage: Was davon ist distributionsfähig bzw. distribuierbar? Handelt es sich nicht in der Mehrheit um Leistungen, um Dienstleistungen, welche direkt vor Ort beim Kunden erbracht werden? In wie fern also profitieren die übrigen Also-Actebis-Händler von der Druckerfachmann.de-Übernahme? Das ist mir noch nicht so richtig klar geworden.

Außerdem stellt sich die Frage: Wenn Druckerfachmann.de in Zukunft als Distributor fungiert, was ist dann eigentlich mit den heutigen Bestandskunden von Druckerfachmann.de? Schreiben Sie denen einen Brief, dass sie sich jetzt bitteschön einen anderen Dienstleister suchen sollen? Oder werden diese Kunden schon bald unter den Also-Actebis-Händlern verlost? So eine Art Tombola? Wohl kaum. Vermutlich werden Sie diese Kunden doch weiterhin betreuen, was ja im Endeffekt bedeutet, dass die Also Actebis MPS GmbH schon mal mit ordentlich Endkundenkontakt an den Start geht. Immerhin haben Sie mehr als 25.000 Output-Systeme in MPS-Endkundenverträgen. Das birgt Zündstoff und das ist vermutlich auch der Grund, weshalb Also Actebis die Übernahme Ihres Unternehmens nicht an die große Glocke hängt.

Ich frage mich ja, ob diese Übernahme nicht die große Wende im gesamten Geschäftsmodell der Also Actebis einläutet. Denn mit dem reinen klassischen Distributionsmodell lassen sich die anspruchsvollen Renditeziele der Also-Actebis-Aktionäre und des COO Gustavo Möller-Hergt kaum erzielen. Die Übernahme leistungs- und vor allem ertragsstarker Fachhandels- und Dienstleistungsunternehmen wie Druckerfachmann.de läßt sich durchaus als Versuch oder Strategie interpretieren, die Rendite zu verbessern. Ich kann mir daher auch sehr leicht vorstellen, dass es in Zukunft ganz viele Also Actebis MPS GmbHs geben wird, und zwar überall in Deutschland verteilt. Denn Ihre Vision und Ihr Ziel als Druckerfachmann.de-Chef ist ja seit Jahren, lieber Herr Deubner, den Aktionsradius Ihres Unternehmen weit über den Berliner Großraum hinaus auszuweiten. Mit dem neuen Geldgeber im Rücken läßt sich dieses Ziel natürlich viel leichter realisieren. Gut möglich daher, dass bei auf Managed Print Services spezialisierten Händlern und Systemhäusern zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen in Kürze das Telefon klingelt und sich ein Herr Deubner aus Berlin meldet: "Ich wollte mit Ihnen mal über eine Übernahme Ihres schönen Unternehmens sprechen."

Lieber Herr Deubner, es stellen sich noch so viele Fragen. Nicht zuletzt auch die, wie Sie selbst mit Ihrer neuen Rolle umgehen werden. Als Gründer und Firmenchef von Druckerfachmann.de waren Sie immer Ihr eigener Herr und konnten nach Ihrem eigenen Ermessen gestalten und entscheiden. Damit ist es nun vorbei. Viele in ähnlichen Situationen hatten und haben damit ihre Schwierigkeiten. Es ist eben ein Unterschied, ob man nur sich selbst und dem lieben Gott Rechenschaft schuldet oder eben Also-Actebis-COO Gustavo Möller-Hergt.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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