Internet-Entwickler stemmen sich gegen Netzsperren

Bekannte Netz-Entwickler wie Steve Crocker, Paul Vixie und Dan Kaminsiki warnen in ungewöhnlich scharfer Form vor den US-Gesetzesentwurf zm Protect-IP Act, der bei Urheberrechtsverletzungen Netzsperren über das Domain Name System vorsieht.

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Von
  • Monika Ermert

Eine Gruppe bekannter Netzpioniere und Entwickler fordert in einem offenen Brief (PDF-Datei) an den Rechtsausschuss des US-Abgeordnetenhauses einen Verzicht von DNS-Sperren im geplanten Protect-IP Act (RIPA). Das Gesetz ist eine Neufassung des zunächst geplanten Combating Online Infringement and Counterfeits Act (COICA). Die Vorlage stammt vom demokratischen Senator Patrick Leahy, an den sich ICANN-Präsident Steve Crocker, Bind-Guru Paul Vixie, Sicherheitsexperte Dan Kaminsiki und VeriSigns Security-Chef Danny McPherson nun auch wenden.

Die Experten wollen ein realistisches Bild der möglichen Konsequenzen aufzeigen. In ungewöhnlich scharfer Form widersprechen sie den Befürwortern des Gesetzes – darunter viele Unternehmen und Verbände aus der Unterhaltungsindustrie: So sei es schlicht falsch, dass die im Entwurf geplanten Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Internet-Infrastruktur hätten. Nach Meinung der Experten steht der Gesetzgeber ganz im Gegenteil vor einer regelrechten Grundsatzentscheidung: Entweder will er die Absicherung des Domain Name Systems mittels DNSSEC, das die Authentizität und Datenintegrität der DNS-Daten sicherstellt. Oder aber er will die aus Sicht der Experten wenig effektiven Sperren.

DNS-Sperren werden von DNSSEC automatisch als Manipulationen entdeckt und genauso wie bösartige Attacken behandelt. Der Gesetzesvorschlag würde den Erfolg von DNSSEC komplett in Frage stellen, warnen Crocker und seine Mitstreiter. Die Entwickler verweisen zudem darauf, dass schon jetzt Marketing-Kampagnen für kostenlose Werkzeuge gebe, mit denen Nutzer ihre Nameserver umstellen und ihre DNS-Antworten über Server außerhalb den USA beziehen könnten. Es gebe jährlich 58 Millionen Milliarden Visits auf Webseiten, die Urheberrechts verletzende Inhalte anbieten. Diese enorme Nachfrage würde dann schlicht umgeleitet, heißt es in dem Brief.

Auch der demokratische Politiker David Segal warnt vor der Gefahr im Handstreich durchgeführter Websperren, die sich sehr problematisch für das US-Rechtssystem auswirken könnten. Die Vorstellung, dass Strafverfolger auf einen "Marschbefehl aus Hollywood" einfach 84.000 Webseiten sperrten, mache die Sache noch haarsträubender, kommentiert er das Vorhaben. Gemäßigter, aber ebenfalls eindeutig, ist die Kritik (PDF-Datei) von Seiten mehrerer großer US-IT-Verbände (CEA, CCIA, Netchoice Coalition). (rek)