Staatstrojaner: Bayerns Innenminister Herrmann wettert gegen CCC und Piraten
Für den CSU-Politiker kann der Chaos Computer Club kein Partner einer Sicherheits-Behörde sein. Die Piratenpartei legte er im selben Zeitungsinterview in die Schublade "Produktpiraterie" ab. Aus Bayern stammt der vom CCC entdeckte Staatstrojaner.
In der Debatte um den Einsatz von Spähsoftware hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Software erneut verteidigt – und zugleich den Chaos Computer Club (CCC) angegriffen. "Die Fachleute vom Landeskriminalamt sagen, die von ihnen eingesetzte Software konnte genau nur das, was der Richter angeordnet hat", sagte Herrmann dem Münchner Merkur und wies damit erneut die Erkenntnisse des CCC als falsch zurück.
Der Club hatte publik gemacht, dass die von Bayern und anderen Bundesländern eingesetzte Spionage-Software des hessischen Software-Firma Digitask mehr könne, als sie dürfe, und auf Computern gravierende Sicherheitslücken hinterlasse. In einer Aktuellen Stunde des Bundestages hatten daraufhin mehrere Oppositionspolitiker dem CCC ausdrücklich gedankt. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lobte die umstrittenen Computerexperten vergangene Woche für die Entdeckung.
"Der Chaos Computer Club heißt so, weil er genau dieses Selbstverständnis hat", sagte Herrmann der Münchener Tageszeitung und wies jegliche Abstimmung mit dem CCC in der Frage zurück. "Das kann kein Partner sein für eine Behörde, die für Recht und Sicherheit steht." Ähnlich äußerte sich bereits sein Parteikollege, Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich am vergangenen Wochenende: Der CCC habe "dem Chaos in seinem Namen alle Ehre gemacht".
Mit der zuletzt bei den Berliner Senatswahlen hoch erfolgreiche Piratenpartei will Herrmann ebensowenig zusammenarbeiten: "Die heißen so, weil sie die Produktpiraterie im Internet zum eigenen Programm erhoben haben." Herrmann musste sich wegen des Einsatzes des sogenannten Trojaners einer Flut von Vorwürfen erwehren, bayerische Ermittler hätten möglicherweise die Grenzen von Recht und Gesetz überschritten. "Wir schützen Recht und Gesetz in Bayern seit jeher konsequenter als andere Bundesländer", sagte Herrmann dazu. Dabei würden geltende Grenzen aber nicht überschritten. "Wenn der Datenschutzbeauftragte in ein paar Wochen seine Überprüfung abgeschlossen hat, muss auch weiterhin eine Telekommunikationsüberwachung möglich sein", sagte Herrmann zu der derzeit ausgesetzten Trojaner-Anwendung.
Siehe dazu:
- Sachsen-Anhalts Innenministerium verteidigt Spionage-Software
- Staatstrojaner sorgen fĂĽr Schlagabtausch im Bundestag
- Bundesregierung: Nur rechtskonforme Staatstrojaner im Einsatz
- Kaspersky entdeckt neue Staatstrojaner-Version
- Justizministerin lobt den CCC
- Staatstrojaner: Mehr als 50 Einsätze bundesweit
- Staatstrojaner: Bundesinnenminister verteidigt den Einsatz und greift CCC an
- Niedersachsen wechselte Lieferanten des Staatstrojaners aus
- Staatstrojaner: Dementis, Rätselraten und Nebelkerzen
- Staatstrojaner-Hersteller Digitask: Entwickler fĂĽr besondere Aufgaben
- Einsatz des Staatstrojaners: Zwischen fehlendem Rechtsrahmen und Verfassungswidrigkeit
- Bayern stoppt vorerst Einsatz des Staatstrojaners
- Bayerntrojaner auch in Baden-WĂĽrttemberg und Brandenburg
- Staatstrojaner: Eine Spionagesoftware, unter anderem aus Bayern
- Staatstrojaner: Von der "rechtlichen Grauzone" zur Grundrechtsverletzung
- CCC knackt Staatstrojaner, Aufdeckung des Chaos Computer Clubs um den "Bundestrojaner"
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- CCC entlarvt Bundestrojaner und Sicherheitspolitik: Trotz des Urteils des Verfassungsgerichts ist der Bundestrojaner genau das Monstrum des Ăśberwachungsstaates geworden, wie Kritiker dies prophezeit haben.
- Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner, Erkärung des CCC mit Link zu den Binaries des Regierungstrojaners
- Analyse einer Regierungs-Malware, Bericht des CCC ĂĽber die Code-Analyse des Regierungstrojaners
- Anatomie eines digitalen Ungeziefers, CCC-Sprecher Frank Rieger in der Sonntags-FAZ ĂĽber die Analyse des Regierungstrojaners
- O’zapft is: Überwachungsrepublik Deutschland, Blogposting von Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht
- Netzpolitik-Interview: Ulf Buermeyer ĂĽber den Staatstrojaner
- Andreas Pfitzmann, Markus Hansen, Windei Bundestrojaner, c't 25/08, S. 86 (Online-Artikel)
- Richter Ulf Buermeyer, Prof. Dr. Matthias Bäcker, Zur Rechtswidrigkeit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung auf Grundlage des § 100a StPO, HRRS (Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtssprechung im Strafrecht), Oktober 2009
(mit Material von dpa) / (olm)