Das kleine Atomkraftwerk von nebenan

Der US-Bauriese Fluor investiert 30 Millionen Dollar, um ein Start-up zu retten, das an Mini-AKWs arbeitet.

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  • Kevin Bullis

Der US-Bauriese Fluor investiert 30 Millionen Dollar, um ein Start-up zu retten, das an Mini-AKWs arbeitet.

Der amerikanische Mischkonzern Fluor hat die Mehrheit bei NuScale Power übernommen. 30 Millionen US-Dollar lässt sich der Bau- und Energieriese den Einstieg bei dem Start-up kosten, das kleine, modulare Atomreaktoren entwickelt hat. Das Investment rettet NuScale: Die Firma stand am finanziellen Abgrund, nachdem der bisher größte Geldgeber Schwierigkeiten mit der US-Börsenaufsicht bekommen hatte.

Der Deal mit Fluor soll es NuScale nun erlauben, sein Kraftwerksdesign von der US-Atomaufsicht genehmigen zu lassen. Die ersten Reaktoren sollen dann bis 2020 arbeitsfähig installiert werden. Die Ingenieure der Fluor Corporation werden bei der Zertifizierung helfen und später auch bei Produktion und Aufbau der kleinen Reaktoren. NuScale hat bereits ein vorläufiges Design fertiggestellt und will der Atomaufsicht nächstes Jahr einen fertigen Antrag vorlegen.

Die Branche sieht in Fluors Engagement einen Vertrauensbeweis für den kleinen, aber aufstrebenden Bereich der Mini-AKWs. Die von NuScale und seinen Konkurrenten geplanten Reaktoren generieren maximal 300 Megawatt oder weniger – weniger als ein Drittel von dem, was konventionelle Kernreaktoren leisten. Die Technik soll dafür sicherer sein und sich gleichzeitig einfacher herstellen lassen. Die Idee erfreut sich auch deshalb zunehmender Beliebtheit, weil sie Kosten für die Energiekonzerne sparen könnte. Die Atomkatastrophe von Fukushima gilt als ein weiteres Argument gegen Großanlagen: Wenn die schon nicht mehr so leicht durchsetzbar sind, klappt es vielleicht mit den kleinen Meilern. Die Internationale Atomenergie-Organisation sieht eine mögliche Nachfrage außerdem in Entwicklungsländern oder Regionen, denen die Infrastruktur für konventionelle Reaktoren fehlt.

Andere große Baufirmen und Ingenieursgesellschaften in der Nuklearindustrie zeigen in letzter Zeit ebenfalls Interesse an kleinen, modularen Reaktoren – darunter Bechtel. Babcock & Wilcox hat im Sommer zudem eine Partnerschaft mit der Tennessee Valley Authority angekündigt, um bis zu sechs der firmeneigenen "mPower"-Minireaktoren zu bauen. Weltweit gibt es mittlerweile Dutzende verschiedener Designs aus Ländern wie Japan, Korea, China, Russland oder Argentinien. Und der US-Energieminister Steven Chu hält die Entwicklung und Genehmigung solcher Kraftwerke für einen aktuellen Schwerpunkt seiner Arbeit.

Der NuScale-Reaktor basiert auf Grundlagen, die in der Forschungsabteilung des US-Energieministeriums und an der Oregon State University (OSU) entstanden sind. Dort war man auch schon am aktuellen Westinghouse-Reaktor AP1000 beteiligt, der derzeit in China und an zwei Standorten in den USA gebaut wird. Es handelt sich nach den vorliegenden Präsentationen im Prinzip um eine Art modularisierten, kleinen Druckwasserreaktor. Das komplette Modul, das mit Hilfe eines rein passiven, konvektionsgetriebenen Wasserkreislauf gekühlt werden soll, steckt seinerseits selbst noch einmal in einem Beton-Wasserbecken. Dieses Wasserbecken wiederum ist unterirdisch ausgelegt. Falls doch einmal - ähnlich wie im März in Fukushima - sämtliches Kühlwasser innerhalb des Reaktors und im äußeren Kühlbecken verloren gehen sollte, soll dieser Prozess nach den Berechnungen der Nuscale-Ingenieure so lange dauern, dass der Reaktor dann auch von der Umgebungsluft gekühlt werden kann.

Jedes Modul in den NuScale-Reaktoren ist für nur 40 Megawatt pro Stück ausgelegt – deutlich weniger als die durchschnittlich 1000 Megawatt konventioneller AKWs. Mehrere Einheiten können aber recht einfach verbunden werden, um größere Strommengen zu produzieren. Traditionell werden AKWs aus wirtschaftlichen Gründen gleich sehr groß angelegt. Doch das verlängert die Bauzeiten und sorgt oftmals für Kostenüberschreitungen. Dieses Risiko für Investoren soll es mit NuScale nicht geben.

Kleine Reaktoren, die in Fabriken bereits vormontiert werden, machen beim Aufbau außerdem potenziell weniger Probleme. Das Design kann außerdem einfacher ausfallen, was wiederum billiger ist: So laufen die Systeme mit geringerem Druck und erlauben es, verschiedene Elemente in einem Containment zusammenzufassen. Einige Experten glauben, dass die Kosten pro Megawatt dadurch vergleichbar sind mit denen von Großanlagen. Wirklich klar ist das aber nicht: Bislang stehen alle derartigen Projekte noch vor der Vollendung.

Das modulare Design helfe außerdem kleineren Betreibern, die später weitere Anlagen hinzukaufen können, wenn die Nachfrage steigt, heißt es bei NuScale. In den USA interessieren sich beispielsweise einige Stromkooperativen in ländlichen Regionen für die Technik, um veraltete Kleinkohlekraftwerke zu ersetzen. Die geringe Leistung würde dafür sorgen, dass existierende Hochspannungsnetze nicht erweitert werden müssten.

Doch es gibt auch zahlreiche Kritiker. Der Forscherverband Union of Concerned Scientists fürchtet, dass eine große Anzahl kleiner Reaktoren in einem Land Unfälle künftig schwerer handhabbar machen. "Hinzu kommt, dass diese Form der Proliferation dazu führen könnte, dass Nuklearmaterial in die Hände von Terroristen gelangen könnte", so die Vereinigung. (bsc)