Festplatten: Mondpreise und leere Lager

Das Hochwasser in Thailand bringt den Festplattenmarkt in Aufruhr. HEKs und VKs schnellen in ungeahnte Höhen. Meist steht den Angeboten aber keine Ware gegenüber. Die Distribution versucht nun vor allem bestehende Verträge zu erfüllen. Wie lange der Warenzufluss gestört bleibt, ist noch vollkommen unklar.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Der Festplattenmarkt hatte ein gutes viertes Quartal vor Augen. Nach der Flutkatastrophe in Thailand ist plötzlich alles anders. Western Digital fertigt 60 Prozent seiner Laufwerke in der Krisenregion und ist damit am schlimmsten betroffen. Hinzu kommen zahlreiche Zulieferer wie zum Beispiel für Motoren, die ebenfalls dort angesiedelt sind. Dies stört die gesamte Lieferkette nachhaltig.

"Wir produzieren dieses Quartal mehr als 30 Millionen Drives weniger als letztes Quartal", erklärt WD-Unternehmenssprecher Daniel Mauerhofer. "Es wird zu erheblichen Lieferengpässen kommen, die sich wahrscheinlich mehrere Quartale lang bemerkbar machen werden. Wir geben unser Bestes, alle Verkaufskanäle so fair als möglich zu bedienen, so eine Situation gab es in der Harddisk-Industrie meines Wissens noch nie."

Als bekannt wurde, dass wegen des Hochwassers mit einer Allokation zu rechnen sei, sahen das viele Anwender und Händler die Lage zunächst locker. Während der Japankrise Anfang des Jahres hieß es auch, alles werde knapp und teurer. Letztendlich hatten die Ereignisse doch keine nachhaltigen Folgen für den Komponenten-Markt. Diesmal waren die Folgen aber sofort spürbar. Ende der KW 42 ging die Bestandsanzeige in den Online-Shops der Distribution nahezu durchgängig auf Null. Ab diesem Zeitpunkt herrscht erst einmal Ratlosigkeit. Gleichzeitig schnellten die Preise nach oben. 2-TByte-Platten, die beispielsweise im Münchener Einzelhandel für rund 62 Euro verkauft wurden, kosteten plötzlich doppelt so viel.

Das gab es noch nie: Die HEKs sind zwischen 50 Prozent bis 94 Prozent gestiegen. Allerdings steht meist keine Ware hintern den Angeboten.

Händler, die aktuell Festplatten liefern können, geben diese quasi nur gegen Höchstgebot ab. "Kunden, die dringend eine Festplatte benötigen bezahlen klaglos die momentanen Preise", erklärt ein Augsburger Wiederverkäufer gegenüber heise resale. "Gleichzeitig gibt es derzeit keinerlei Informationen wann wir wieder mit einem Warenzulauf rechnen können." Angeblich sollen am 10. bzw.11. November neue Lieferungen bei den Broadlinern eintreffen. Der Handel muss aber davon ausgehen, dass die Distribution damit zunächst bestehenden Aufträge abdeckt.

Forecasts werden bevorzugt behandelt

Dies ist auch der Grund, warum online plötzlich keine Ware mehr in der Distribution erhältlich ist. Nachdem feststand, dass eine massive Allokation besteht, haben die Verantwortlichen den verfügbaren Bestand eingefroren. Dabei geht es zunächst um Schadensbegrenzung: Zum Teil sind Vorbestellungen und Rahmenverträge an Bedingungen geknüpft. Das heißt, wird nicht geliefert, muss der Distributor Schadenersatz leisten. Daher galt es zunächst eine Bestandsaufnahme zu erstellen und den möglichen Schaden zu beziffern. Dementsprechend regelt sich derzeit die Warenauslieferung. Die Distribution ist bemüht zu versichern, man liefere so fair wie möglich aus. Unbefriedigend bleibt die Situation trotzdem, denn auch der Handel hat bindende Verträge geschlossen.

Ansonsten sind alle Preise, die derzeit im Internet zu sehen sind, mehr oder weniger Mondpreise. In der Regel steht keine Ware dahinter. Wie lange die Industrie benötigt, um ihre Fertigung umzustellen, lässt sich bis dato nicht seriös beantworten. Seagate geht davon aus, im Q4 nur etwas weniger Laufwerke zu produzieren als ursprünglich geplant. Das genügt aber nicht, um die Ausfälle bei WD zu kompensieren. Da sich Hitachi und Samsung auf die Übernahmen durch WD bzw. Seagate vorbereiten, haben beide – unbestätigten Meldungen zufolge – die Produktion gedrosselt. Insider gehen davon aus, dass sich der Festplattenmarkt frühestens im zweiten Quartal normalisieren wird.

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Bei der Preisbeobachtung unterstützten uns:

Actebis Peacock
B.com Computer AG
CTT AG
Devil AG
Ecom GmbH
Ingram Micro GmbH

Aktuell herrscht eine seit vielen Jahren einzigartige Situation: Der Preis spielt keine Rolle und auch die Kapazität ist zweitrangig. Die Verfügbarkeit ist bis auf weiteres das einzig wichtige Kaufkriterium. Die Branche geht aber davon aus, dass sich die Lage kurzfristig etwas normalisiert. Zwar verstehe die Kundschaft die Problematik, Aufschläge von bis zu 200 Prozent werden aber trotzdem nicht toleriert. Disk-Hersteller sprechen beispielsweise bisher von Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent. Alles was darüber liegt, kommt in der Distribution bzw. im Handel hinzu. Doch wer will es der Branche verübeln, normalerweise bewegt sich die Marge bei Festplatten auf einem kaum wahrnehmbaren Niveau. (gs)