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Was war. Was wird.

Mit dem passenden Kleidungsstück lässt sich auch der heißeste Laptop auf dem Schoß ertragen, denkt sich Hal Faber mit Blick nach Bayern.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Am Ende bedurfte es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen in die gludernde Lot, in die gludernde Flut und die Ära Stoiber war vorbei, hingerichtet wie eine kleine Blume am Morgen. Aller Voraussicht nach folgt nun das Prinzip Sicherheit, das schon für manchen bizarren Gedanken im "Kampf gegen den Terror" gesorgt hat, ganz ohne blendende Wortakrobatik. Bundeskanzlerin Merkel bedankte sich bei Stoiber noch, dass er das Land mit "Laptop und Lederhose" zu dem gemacht habe, was es sei. Laptop und Lederhose, diese Kombination gibt natürlich zu denken. Der Bayer als solcher ist mit dieser Ausrüstung gut bedient und kann noch den heißesten Laptop auf dem Schoß halten, während wir Weicheier aus der norddeutschen Tiefebene schnell an die Martha Vögeli-Methode erinnert werden. Doch woher kommt der Spruch vom Laptop und der Lederhose? Ist das nicht eine gute Frage für gutefrage.net, das in dieser weichgespülten Pressemeldung beschrieben wird?

*** Laptop und Lederhose steht vielleicht für die Vielzahl von öden Orten, die es in Bayern gibt, aus denen man nur dann schnell wegkommt, wenn man einen Laptop hat. Und Stoibers Bilanz entpuppt sich als Erbe von Franz-Josef Strauß und der Gnade der späten Industrialisierung, gepaart mit dem Geschick, zur rechten Zeit das Tafelsilber Bayerns verscherbelt zu haben. Von der Maxhütte bis zum verrotteten Imperium von Leo Kirch hat der bayerische Staatsinterventionismus nicht nur Glanzprojekte vorzuweisen. Am Ende findet sich der Slogan vielleicht in einer Dissertation: "Polit-PR. Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien am Beispiel der CSU", vorgelegt von einer Studentin namens Gabriele Pauli.

*** Die freiwillige Ausreise ist nach der aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der kindgerechten Abschiebung zum Unwort des Jahres gewählt worden. Passend dazu werden Details darüber bekannt, wie intensiv die rotgrüne Bundesregierung darüber beriet, die freiwillige Einreise von Murnat Kurnaz zu verhindern. Wer die Chronologie der laufenden Ereignisse liest, kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Passfälscherei und dummdreiste "Immunisierungsstrategien" des Innenministeriums zeigen deutlich die gludernde Lot, abgesegnet vom heutigen Außenminister, dem typischen deutschen Technokraten einer Türkenlösung. Das Studium der Überlegungen, wie Recht und Gesetz umgedreht werden, sollten jeden warnen, der Maßnahmen wie die Online-Durchsuchung, die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei und anderer Superdatenbanken akzeptiert, weil sie im Rahmen einer Rechtsordnung liegen. So lernen wir: Im Kampf gegen den Terror verlieren Menschen den Verstand, und das ganz ohne Folter. So sind Appelle zum Rücktritt vergeblich, weil sie etwas voraussetzen, das der Regierung abhanden gekommen ist. Ganz nebenbei ist ein trauriges Jubiläum fällig: Seit fünf Jahren gibt es das Lager Guantánamo, in dem kein Gesetz gilt.

*** Während gerade die Plaudertaschen der Reisebranche Web 2.0 entdecken, dieses tolle Internet, das uns mit Angeboten wie Netvibes so großartig den Verstand erleichtert, sind die Hacker schon weiter. Hacker 3.0 lautet die Losung, und sie wird so rührend vorgetragen, dass die Augen ganz feucht werden. Da gibt es also die Utopie eines Menschenrechts auf Information, denn die dunkle Seite der Macht, das ist eigentlich die, wo man gar nix wissen darf. Gilt es, die Macht transparent zu machen, so sind mit diesem moralischen Anspruch kleinere Schäden vertretbar. Das klingt wie ein bisschen Folter an den Sachen und ist schließlich ja auch für einen guten Zweck. Vor allem klingt es sehr nach dem rührend naiven Bekenntnis zur Hackerethik früherer Jahre, hübsch geschminkt im Zeichen der Vorratsdatenspeicherung. Nur über die Defacements der Skript Kiddies ärgert sich der Hacker 3.0, dabei ist das nur der eigene Nachwuchs, der auch mal spielen will.

*** Der Kolumnist Art Buchwald ist tot. Über 8000 Kolumnen hat er geschrieben, Hut ab. Unter ihnen Goodbye, my Friends, die nach seinem Tode erscheinen sollte. Einige seiner Werke werden Bestand haben, zumindest für drei Jahre, schrieb Buchwald im Hospiz. Ich wünsche mir, dass The six minute Louvre länger bekannt bleibt. Heute kann man solche Kolumnen nicht mehr schreiben, Art. Wenn der Eintritt im Louvre frei ist, gelingt der Weg zur Mona Lisa nur in Tippelschritten. Und ein Text wie "Windows Vista in sechs Minuten installieren" ist schlicht unglaubwürdig.

Was wird.

Was für eine prallvolle Woche. Wer alle Termine in Europa wahrnehmen wollte, müsste den dreifachen Kyrill im Rücken haben, ganz zu schweigen von Veranstaltungen wie der Lotussphere mit ihren 12 Verdächtigen.

Die wichtigste Veranstaltung findet sicher in den Schweizer Bergen statt, wo sich der Homo Davosiensis (so nennt es Richard Sennett) trifft, wo die "Nabelschau der Weltverbesserer" angesagt ist (so nennt es die Süddeutsche Zeitung. Das Thema ist die Verschiebung der Machtbalance und Angela Merkel spricht das Machtwort. 50 der insgesamt 200 Teilkonferenzen werden ins Internet übertragen und wer noch mehr wissen will, kann sich auf der Hype-Plattform Second Life als Avatar die Interviews von Adam Reuters reinziehen. Vielleicht regnet es Pimmel oder lila Schweine, doch was ist das gegen die reine virtuelle Wahrheit, die so serviert wird? Die Rede von der Machtbalance hat nichts mit der Guten Transparenten Macht der 3.0-Hacker zu tun, die die Böse Dunkle Macht bekämpfen. In Davos dreht es sich schlicht ums Geld. Es ist der Ort, wo "Getriebene Manager" das globale Zittern lernen und sich in Davos-Speak geschraubt über den Zustand der Welt äußern. Doch was ist reich, was ist arm, global gesehen? Die Verschiebung der Machtbalance ist übrigens in der IT-Branche längst geklärt. Das Spiel ist vorbei und Google hat gewonnen. Vielleicht erzählt es der Davos-Teilnehmer Eric Schmidt den anderen Berghockern, dass man kein Verb mehr ist.

Darmstadt hat zwar nur die Mathildenhöhe und ähnlich kleine Hügel, ist aber Tagungsort einer Konferenz des CAST-Forums, die sich mit der Frage beschäftigt, ob Public-Key-Infrastrukturen nicht eine völlig überholte Technik sind. Verglichen mit der Geschwindigkeit, mit der sich elektronische Signaturen im Alltag verbreiten, sind Schnecken blitzschnelle Tiere.

In der bayerischen Voralpenebene zu Nürnberg startet zum zweiten Mal das "Heise-Event für IT-Entscheider" unter dem etwas seltsamen Titel Open Source Meets Business, der einen Wettkampf zwischen Hase und Pinguin suggeriert. Neben zahlreichen Fachvorträgen lässt sich sicher noch ein zünftiger Flamewar darüber einschieben, warum Suse Linux besser ist als Windows Vista.

Sollte die superwindempfindliche neue Schnellbahntrasse nach München frei sein, wäre ein Abstecher zu Digital, Life, Design möglich, wo Homini Davosiensii ein paar erleuchtende Keynotes abliefern, ehe es in die Schweizer Berge geht. Dieses Treffen beginnt schon heute und gibt sich schwer Web-2.0-lastig: Laptops sind erlaubt, Lederhosen verboten. Märkte sind Konversationen, geleitet von Mavens. Malen ist sowas von gestern, wenn an der Schnittstelle von Mensch und Design das kollektive Kunstwerk jacksonpollock2.0 zusammengekleckert wird. Auf der Gästeliste übrigens auch der Herrscher über die gluderne Lot, der Performance-Künstler Scatman Stoiber. (Hal Faber) / (anw)