Geplanter "Schultrojaner" sorgt für Wirbel

Nach Medienberichten soll ein "Schultrojaner" Lehrer und Schüler ausspionieren. Die Berichte beruhen auf der Veröffentlichung eines Vertrags der Bundesländer mit Urheberrechts-Verwertern. Doch offenbar ist die Software noch nicht einmal im Planungsstatus.

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Von
  • Holger Bleich

Die Öffentlichkeit reagiert zurzeit empfindlich, wenn der Begriff "Trojaner" im Zusammenhang mit Behörden und staatlichen Organisationen fällt. Seit dem netzpolitik.org am heutigen Montag berichtete, dass deutsche Schulbuchverlage angeblich einen "Schultrojaner" planen, ist in Blogs und auf Twitter eine Menge los. netzpolitik.org bezieht sich auf den "Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG" (PDF-Datei), der im Dezember 2010 von Vertretern der Bundesländer und verschiedenen Verwertungsgesellschaften unterzeichnet wurde.

Hauptbestandteil dieses Vertrags ist eine pauschale Vergütung für das Kopieren von Lehrmaterial, wie es an Schulen gang und gäbe ist. Für das Jahr 2011 haben die Vertragspartner beispielsweise festgelegt, dass die vertragsgemäßen Vervielfältigungen mit der Zahlung von 7,3 Millionen Euro abgegolten sind. Im Gegenzug haben sich die Länder verpflichtet, durch im Vertrag erwähnte technische Maßnahmen sicherzustellen, dass die unerlaubte Verbreitung digitalisierter Unterrichtsmaterialien möglichst unterbleibt.

Woher nun die Aufregung rührt, ist die Art der technischen Maßnahme. Im Vertrag heißt es: "Die Verlage stellen den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können." Die Länder haben sich dazu verpflichtet, dass "jährlich mindestens 1 Prozent der öffentlichen Schulen ihre Speichersysteme durch Einsatz dieser Plagiatssoftware auf das Vorhandensein solcher Digitalisate prüfen lässt."

Im Vertrag ist weder ausgeführt, wie diese Software genau funktionieren soll, noch, auf welchen Rechnern in den Schulen sie eingesetzt werden soll. "Es ist ein Skandal, wenn sich die Länder hier von Verlagen vorschreiben lassen, wie sie mit ihren Bediensteten umgehen sollen", kritisierte Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei. "Das ist ein offener Vertrauensbruch mit den Lehrerinnen und Lehrern. Schulleiter und Landesregierungen sind keine Hilfspolizisten der Verlegerlobby." netzpolitik.org spricht von "Schnüffel-Software", die auf Schulen losgelassen werde, um "Lehrer für unberechtigte Kopien zu sanktionieren."

Noch ist allerdings völlig unklar, ob, wann und welche Software zum Einsatz kommen soll. Zuständig wäre der Verband der Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien (VdS Bildungsmedien), der den Vertrag auch mitunterzeichet hat. VdS-Sprecher Christoph Bornhorn gab sich im Gespräch mit heise online am heutigen Nachmittag überrascht, weil die Plagiatssoftware noch gar nicht existiere: "Wir haben noch nicht einmal einen Entwicklungsauftrag vergeben", sagte er. Wenn jetzt schon von einem Trojaner gesprochen werde, sei das mindestens irreführend.

Bornhorn zufolge ist noch völlig offen, wie das Vorhaben technisch umgesetzt wird. Es gebe aber auf keinen Fall eine "heimliche Überprüfung" von Rechnern. Ohnehin sei allenfalls geplant, Server zu inspizieren, nicht aber einzelne PCs in Schulen. Und bei allem werde man sich streng an die datenschutzrechtlichen Vorgaben halten, versicherte er. (hob)