Prozessorgeflüster

Wenige Tage bevor AMD seinen Hoffnungsträger Bulldozer für den Servermarkt ins Rennen schickt, hat ein neuer starker Konkurrent seinen Hut in den Ring geworfen: ARM.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Schon zu Jahresbeginn hatte ARM verlauten lassen, dass man bis etwa 2014/15 die ARM-Architektur auf 64 Bit erweitern werde. Nun hat die britische Firma auf der hauseigenen ARM TechCon 2011 in Santa Clara – also just dort, wo Konkurrent Intel sein Hauptquartier besitzt – angekündigt, dass man weit stärker Gas gibt und möglicherweise schon 2013 mit den ersten servertauglichen Prozessoren mit 64-bittiger ARMv8-Architektur zu rechnen ist. Wahrscheinlich hat Microsoft mächtig Druck gemacht.

Für 2015 peilt ARM mutig bereits einen Anteil am Servermarkt von 10 Prozent an – also mehr als derzeit AMD, deren Anteil in diesem margenträchtigen Markt bei 6 bis 7 Prozent dümpelt. Hier hofft man, dass der in Kürze vom Stapel laufende Interlagos-Prozessor neuen (Auf-)Schwung in die Szene bringen wird. Immerhin ist er der erste echte Serverprozessor mit Intels AVX-Erweiterung und den im High Performance Computing so begehrten Fused-Multiply-Add-Befehlen. Allerdings muss man sich auch sputen, wo doch jetzt die neue Konkurrenz lautstark mit den Hufen scharrt. Und die kommt mit Macht: Für 2020 sieht ARM immerhin einen gigantischen Gesamtbestand von 150 Milliarden Prozessoren voraus.

Die ARMv8-Architektur weist ähnlich wie AMDs 64-Bit-Erweiterung in der x86-Welt sowohl einen 64-Bit- (Aarch64, kurz A64) als auch einen 32-Bit-Betriebsmodus auf. Letzterer unterteilt sich nochmals in den normalen ARM- (A32) und den Thumb-Modus (T32). In A64 stehen 31 64-bittige Allzweckregister und 32 128-bittige Media-Register zur Verfügung. Die Media-Unit ist zudem für Kryptografie zuständig und bietet Befehle für AES und SHA-1/2. Neben einem Hypervisor-Modus für Virtualisierung besitzt ARMv8 auch einen TrustZone-Monitor, der über ein Secure World OS wachen kann, das entsprechend gesicherte Applikationen (trusted apps) ausführt.

Vor allem bei der Energieeffizienz wollen ARM und APM punkten.

(Bild: Applied Micro)

Die Befehlslänge ist in üblicher RISC-Manier weiterhin auf 32 Bit fixiert, was das gesamte Frontend inklusive der Dekodierung sehr vereinfacht. Andererseits dürften oft mehrere Befehle erforderlich werden, um mit 64-bittigen Immediates oder Offsets umgehen zu können. Feinheiten zur neuen ISA hat ARM allerdings noch nicht öffentlich bekannt gegeben, das soll erst Ende 2012 geschehen.

Bis dahin will ARM-Partner Applied Micro (APM) – die frühere Namenserweiterung mit Circuit Corporation (AMCC) hat man inzwischen gestrichen – bereits mit ARMv8-kompatibler Hardware aufwarten können. Zur allgemeinen Überraschung präsentierte Applied-Micro-Chef Dr. Paramesh Gopi den TechCon-Besuchern ein unter Linux lauffähiges Prototyp-Board mit sechs Virtex-6-FPGAs von Xilinx, das den geplanten Server on a Chip (SoC) namens X-Gene emuliert.

X-Gene soll mit 4 bis 128 ARMv8-kompatiblen Kernen (vierfach superskalar, Out-of-Order) mit 3 GHz Takt aufwarten, verbunden über ein Terabit-Fabric mit 100 GBit/s pro Sockel und mit einem integrierten 10-GBit-LAN-Interface. TSMC wurde auserwählt, den SoC in der zweiten Jahreshälfte 2012 in zunächst 40- und später in 28-nm-Chips zu gießen. Das Besondere an ihm ist sein besonders niedriger Stromverbrauch. Im Leerlauf (Idle) soll er sich mit 500 mW pro Core begnügen und beim Schlafen reichen gar 300 mW für den ganzen SoC.

Unter Last – so zeigt es ein unscharfes Bild von Applied Micro auf Bright Side of the News – soll die Energieaufnahme der Achtkern-Ausführung bei etwa 25 Watt liegen – so wie bei Intels Ultrastromspar-Xeon E3-1220L auch, wenn man dessen I/O-Baustein mit hinzurechnet. Laut Applied Micro erreicht der X-Gene mit 8 Kernen rund 110 SPECint_rate2006. Damit soll er etwa dreimal so schnell wie der Xeon E3-1220L sein, doch da hat sich Oberingenieur Jim Johnston offenbar mit Speed- und Rate-Werten dieses Benchmarks vertüddelt. Mit seinen beiden Sandy-Bridge-Kernen schafft der E3-1220L jedenfalls nach Messungen von Acer, Fujitsu und Supermicro über 66 SPECint_rate2006, und das ist nach Adam Riese mehr als die Hälfte. Doch auch eine nur um knapp Faktor zwei bessere Effizienz ist ja eine gute Grundlage.

Wer nun bald schon mit der ARMv8-Programmierung loslegen möchte: Das FPGA-Board soll man Anfang 2012 bei Applied Micro erhalten können. Das wird vor allem für den neuen ARM-Freund Microsoft interessant sein, der ARMv8 möglicherweise schon für die zu Windows 8 zugehörige Server-Variante – hier mal Server 2012 genannt – eingeplant hat.

Um besser für viele Kerne gerüstet zu sein, werden Windows 8 und Server 2012 zudem einen neuen Taskmanager bekommen, denn bei 128 und mehr Kernen sieht man auf dem alten kaum noch was. Der neue hat sich vom HPC-Clustermanager inspirieren lassen und zeigt nun mit Farben und Prozentwerten die aktuelle Auslastung der logischen Kerne an. Bis zu 640 Kerne soll Windows 8 unterstützen. Der aktuelle Windows Server 2008R2 ist auf 256 Kerne beschränkt, die er zudem nur sehr unvollkommen verwaltet. Wie mehrfach in c’t beklagt, leidet er unter einem performancerelevanten Bug bei der NUMA-Allokation, der ihn für Systeme mit mehr als einem Sockel nahezu unbrauchbar macht. Und auch die herkömmliche Verwaltung via Prozessorgruppen ist bislang sehr unglücklich implementiert, beides, so hat Microsoft im Vorfeld verlauten lassen, soll in Windows 8/Server 2012 weitaus besser gelöst sein – und das wird auch Zeit.

Mehr Infos

Auch das noch

Nach vielen Interviews mit hervorragenden Kandidaten hat der Verwaltungsrat von Globalfoundries eingesehen, dass der bisherige Übergangschef Ajit Manocha eigentlich die beste Wahl ist. Und so wurde der 61-jährige Veteran der Halbleiterszene jetzt zum offiziellen CEO ernannt. Manocha verkündete sogleich ein sehr ehrgeiziges Ziel: Langfristig wolle Globalfoundries die Marktführerschaft bei den Auftragsherstellern übernehmen. Da steht jedoch der derzeit viermal so große Brocken TSMC im Weg.

(as)