Ein Zeichen

Ende 1971 hatte Ray Tomlinson die nachhaltige Idee, Mails über ein Netz zu versenden. Als Trennzeichen zwischen Benutzer- und Hostnamen wählte er den „Klammeraffen“, heute das Symbol schlechthin für die Onlinegesellschaft.

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Von
  • Bert Ungerer

Die E-Mail, wie sie jeder Internet-Anwender heute benutzt, hat etwas mit vielen anderen bahnbrechenden Erfindungen gemein, etwa dem Rad oder dem Keil: Ein genaues Entstehungsdatum ist nicht überliefert. Die Einführung des @-Zeichens und der erste Mail-Transfer zwischen zwei Computern, der mit seiner Hilfe stattfand, lassen sich aber immerhin auf ein paar Monate genau festlegen – und einer Person zuordnen: Im Oktober 2011 erhielt Raymond Samuel Tomlinson für seine Verdienste um die Kommunikation den Kulturpreis der Eduard-Rhein-Stiftung.

Ende 1971, wahrscheinlich im November oder Dezember, erinnert sich Tomlinson, habe er die erste E-Mail zwischen zwei physisch nebeneinanderstehenden DEC PDP-10 übers Arpanet versendet, den Vorläufer des heutigen Internet. Er kombinierte dazu zwei bereits im Einsatz befindliche Programme: CPYNET für Dateitransfers übers Netz und SNDMSG, das Nachrichten eines Anwenders an die Mailbox-Datei eines anderen Accounts auf demselben Host anhängen konnte.

Tomlinson benötigte ein Zeichen zum Unterscheiden zwischen Account- und Host-Anteil der Adresse und suchte daher eines aus, das sich zwar auf Terminal-Tastaturen befand, aber garantiert kein Namensbestandteil war. So fiel seine Wahl auf den „Klammeraffen“, der damals im Rechnungswesen dazu diente, Stückzahlen von Preisen zu trennen und damit auf elektronischen Eingabegeräten üblicherweise vorhanden war.

An der Weiterentwicklung des Mediums zum heute unverzichtbaren Bestandteil der elektronischen Kommunikation hatte Tomlinson keinen direkten Anteil – E-Mail war für ihn ein Experiment, passte aber darüber hinaus nicht zu seiner Stellenbeschreibung.

Im April 1973 fanden SNDMSG und der Klammeraffe Eingang in RFC 498 zum Thema Mail. Bereits im November 1975 sah Jon Postel die Spamseuche voraus (RFC 706, „On the Junk Mail Problem“). Von ihm stammt auch das Simple Mail Transfer Protocol (RFC 821, mittlerweile von RFC 5321 abgelöst) aus dem Jahr 1982, das die Grundlage für die heute täglich milliardenfach genutzte Internet-Mail bildet.

Im Jahr 2003 erreichte das Spam-Aufkommen dieselbe Größenordnung wie die Zahl der erwünschten E-Mails, heute sind es über 90 %.

(Bild: http://spamstats.q-space.de )

Spam wurde erst Jahrzehnte nach Postels Vorhersage zum Problem. 2003 erreichte das Spam-Aufkommen das der erwünschten E-Mails. Bis 2008 explodierte die Zahl der Müll-Mails. Manch ein Mailserver musste über 99 Prozent aller Mails als Spam abweisen, damit die Empfänger nicht in Pillen- und Casino-Werbung erstickten.

Mittlerweile haben Spamfilter und Postmaster das Medium unter Kontrolle. Kaum ein Anwender spürt etwas von den Angriffen, denn neun von zehn E-Mails erreichen die Empfänger erst gar nicht, weil sie schädliche Software, gefährliche URLs oder stumpfsinnige Betrugsversuche transportieren.

Gefahr droht der E-Mail derzeit höchstens davon, dass die Anwender andere Medien wie Twitter oder Facebook schicker finden und dorthin abwandern. Doch schon das gute, alte Fax beweist: Wenn sich ein Medium erst einmal in der Firmenkommunikation etabliert hat, wird es das eine oder andere Jahrzehnt länger im Einsatz sein, als es selbst Optimisten vorhersehen können.

Alle Links: www.ix.de/ix1112116 (un)