Insolvenzverfahren: Arbeitgeber muss Abfindung nicht zahlen

Sich auf einen Aufhebungsvertrag einzulassen, weil die Firma in finanzieller Not ist, ist keine gute Idee. Der Mitarbeiter steht am Ende vielleicht ohne Job und ohne Abfindung da.

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Von
  • Marzena Sicking

Ein Aufhebungsvertrag ist letztendlich nichts anderes, als ein Geschäft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Mitarbeiter verzichtet auf seinen Job und der bisherige Arbeitgeber bezahlt ihn dafür. Deshalb ist ein Rücktritt vom Aufhebungsvertrag durchaus möglich, wenn einer der Beteiligten nicht "liefern" kann. Mit anderen Worten: zahlt der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung nicht, kann der Mitarbeiter nach § 323 Abs. 1 BGB vom Aufhebungsvertrag zurücktreten. Das Rücktrittsrecht darf vertraglich allerdings nicht ausgeschlossen worden sein und der Mitarbeiter muss der Firma zuvor eine Frist für die Zahlung gesetzt haben, die der Arbeitgeber ergebnislos verstreichen ließ. Aber Achtung: dies gilt nicht, falls der Arbeitgeber gar nicht zahlen kann oder darf. Sich auf einen Aufhebungsvertrag einzulassen, weil der Arbeitgeber in einer finanziellen Schieflage ist, kann demzufolge sehr riskant sein.

Wie das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil nämlich festgestellt hat, setzt das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs.1 BGB voraus, dass die Forderung durchsetzbar ist. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn sich das Unternehmen zwischenzeitlich in einem Insolventverfahren befindet.

Diese bittere Pille musste vor Gericht ein Arbeitnehmer schlucken, der 33 Jahre bei einer Firma beschäftigt war, bevor er im Oktober 2008 seine Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag setzte. Dieser sah eine Abfindung in Höhe von 110.500 Euro für vor, die mit dem Dezember-Gehalt ausgezahlt werden sollte. Anfang Dezember beantragte die Firma allerdings die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht bestellte einen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Zahlungen nur noch mit dessen Zustimmung durchgeführt werden dürften.

Der Ex-Arbeitnehmer wartete dann auch vergeblich auf seine Abfindung und forderte diese danach schriftlich mit einer Fristsetzung bis zum 16. Dezember ein. Diese und eine weitere Frist verstrichen erfolglos. Daraufhin erklärte der Mann seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag. Kurz darauf wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der frühere Arbeitnehmer klagte vor Gericht und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum vereinbarten Termin beendet worden sei. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht sah den Fall jedoch anders, die Revision des Insolvenzverwalters hatte vor dem Sechsten Senat Erfolg.

Dieser schmetterte die Klage des Arbeitnehmers als unbegründet ab. Das Arbeitsverhältnis habe wie im Aufhebungsvertrag vereinbart, mit Ablauf des 31. Dezember 2008 geendet. Sein Rücktritt von diesem Vertrag sei unwirksam. Begründung: Der Abfindungsanspruch sei zum Zeitpunkt seines Rücktritts nicht durchsetzbar gewesen und damit seien die Rücktrittsvoraussetzungen nach § 323 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Die Firma habe die Abfindungssumme ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters gar nicht auszahlen dürfen. Wäre sie ausgezahlt worden, hätte der Insolvenzverwalter die Zahlung anfechten müssen, weil sie nach dem Eröffnungsantrag für das Insolvenzverfahren abgewickelt worden wäre. Damit ist der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz entgültig los und muss nun als Gläubiger gegenüber der Firma auftreten. Besonders groß dürften die Chancen, die komplette Abfindung zu erhalten, demnach nicht mehr sein (Urteil vom 10. November 2011, Az.: 6 AZR 357/10). (Marzena Sicking) / (map)
(masi)