Texanischer Richter verbietet direkte Links

Einem Webseiten-Betreiber wurde ein direkter Link ("deep link") zu dem Audio-Stream eines anderen Anbieters wegen Urheberrechtsverletzung per einstweiliger Verfügung untersagt.

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Geldmangel, Hybris, ein abgebrochenes Jurastudium: Alles Motive, die jemanden dazu verleiten können, vor Gericht als Anwalt in eigener Sache aufzutreten. Alles ganz schlechte Gründe, findet Googles Anwalt für Copyright-Fragen. Denn wenn so eine Selbst-Verteidigung in die Hose geht, schreibt William Patry in seinem Blog, kann das unangenehme Folgen haben – nicht nur für den Angeklagten, sondern auch für die Gesellschaft. Ein Verfahren vor einem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Texas hat das unlängst wieder unter Beweis gestellt, an dessen Ende ein Verbot von bestimmten direkten Links steht. "Ein sehr verstörender Fall", sorgt sich Patry.

Es geht um die Motorsport-Seiten supercrosslive.com des Unternehmens Triple Clamps, auf denen unter verschiedenen Domains Links zu Live-Audiostreams von Motorradrennen enthalten waren. Unter anderem veröffentlichte Betreiber Robert Davis direkte Links ("deep links") zu den Audiostreams eines von der Live Nation Motor Sports Inc. betriebenen anderen Angebots www.supercrossonline.com. Im Februar 2006 wurde Triple Clamps von Live Nation, einem größeren Veranstalter von Motorsportereignissen, wegen der Verletzung von Marken- und Urheberrechten sowie unlauteren Wettbewerbs verklagt. Nach einigem juristischen Hin und Her erließ der zuständige Richter Sam Lindsay kurz vor Weihnachten 2006 eine einstweilige Verfügung und untersagte Davis unter Strafandrohung, die Links zu veröffentlichen. Jetzt muss sich möglicherweise ein Geschworenengericht mit dem Fall beschäftigen.

Der Richter befand, der Link verletze tatsächlich das Urheberrecht des Klägers, weil es seinen finanziellen Interessen schade, und sei auch nicht durch die "Fair Use"-Ausnahme des US-Urheberrechts (DMCA, Digital Millennium Copyright Act) geschützt. Der Link führt zu einem Stream, der im Windows Media Player abgespielt wird. Durch die direkte Verlinkung werde dem Kläger Schaden zugeführt. Auf dessen Website führt der Weg zu den Live-Streams über eine Seite mit Werbung und Hinweisen auf Sponsoren. Die Website des Beklagten "supercrosslive.com" dient inzwischen als Sammelstelle für Dokumente des Verfahrens.

Unklar ist allerdings, ob Davis die Streams als seine eigenen ausgegeben oder in irgendeiner Form auf deren Urheberschaft hingewiesen hat. Für Experten ist das unter Umständen ein Fall von unlauterem Wettbewerb, aber nicht von Urheberrechtsverletzung. Überhaupt scheint es zwischen den Unternehmen weitere Differenzen zu geben. Offenbar streitet Davis mit der Gegenseite auch um die Marke "SupercrossLIVE". Er hält die Domain seit 2003. Beide Unternehmen haben erst kürzlich versucht, den Begriff auch als Marke eintragen zu lassen.

Für Experten wirft der Fall einige Fragen auf, nicht zuletzt weil er in der Konsequenz so genannten "deep links" grundsätzlich eine Urheberrechtsverletzung zuschreibt. So sind Anwälte unter anderem der Meinung, dass es sich bei einem simplen Link nicht um eine "Kopie" handelt und der DMCA gar keine Anwendung findet. Eine in der Begründung des Richters als Präzedenz angeführte Entscheidung lässt zudem vermuten, das Lindsay die Mechanismen des Internets nicht versteht. Der Richter verwies auf einen Fall, in dem es um die widerrechtliche Übertragung von Programmen per Satellit nach Kanada ging. Es gibt also zahlreiche Ansatzpunkte für einen Widerspruch. In einem möglichen Berufungsverfahren sollte sich Davis nach Ansicht der Fachleute allerdings einen besseren Anwalt suchen, zumal wenn es gegen eine große Kanzlei geht.

In Deutschland hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2003 "deep links" für zulässig erklärt: Die Richter stellten das allgemeine Interesse an der Funktion der Hyperlink-Technik des Internets über kommerzielle Interessen einzelner Anbieter. Ohne die Inanspruchnahme von Suchdiensten und den Einsatz von "deep links" sei eine "sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web praktisch ausgeschlossen", schrieben die Richter in ihrem Urteil. (vbr)