GVU: "Nach Kino.to ist vor Kino.to"

Nach dem Erfolg gegen das illegale Streamingportal wollen die Rechteinhaber neben Zugangsanbietern und Internetnutzern auch die Werbewirtschaft in die Pflicht nehmen.

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Die Filmbranche will den Betreibern illegaler Angebote im Netz ans Portemonnaie. "Wir müssen uns auch auf die Geschäftsmodelle konzentrieren", sagte der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), Matthias Leonardy, zur Eröffnung des fünften GVU-Branchenforums für die deutschsprachige Filmindustrie in Berlin. Der Erfolg gegen das inzwischen stillgelegte Streamingportal Kino.to habe gezeigt, dass die Szene einen hohen Organisationsgrad aufweise: "Die haben das nicht als Hobby betrieben."

"Wo eine große Nachfrage herrscht, da entstehen Geschäftsmodelle", sagte Leonardy. Auch hier müsse die Piraterie-Bekämpfung ansetzen. Der GVU-Chef bietet den Dialog an und hofft, dass die Werbewirtschaft ihr Bewusstsein für illegale Werbeumfelder schärft und im Dialog mit den Rechteinhabern einen eigenen Kodex entwickelt, diese zu vermeiden. In Berlin wurden dafür auch technische Lösungen gezeigt, wie Werbetreibende ihre Marken vor der Beschädigung durch illegale Plattformen schützen können. Darüber hinaus will die GVU aber auch die Frage der "rechtlichen Verantwortung" der Werbebranche geklärt wissen.

Illegal kopierte und veröffentlichte Filme sind nach Erkenntnissen der GVU in der Regel "Lockmittel", mit dem Traffic erzeugt und vermarktet wird. Die noch laufenden Ermittlungen gegen Kino.to haben nach Angaben der Anti-Piraterie-Organisation ergeben, dass die Verantwortlichen des Portals zugleich nicht nur Sharehoster, sondern auch Media-Agenturen zur Vermarktung der Werbeplätze betrieben hätten. So sollen sie ihre Einnahmen maximiert haben. Nach der Razzia gegen Kino.to im Juni waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft rund 2,5 Millionen Euro beschlagnahmt worden.

Zwar wertet die Branche den Schlag gegen Kino.to als Erfolg, doch macht sich Leonardy keine Illusionen, die Szene damit nachhaltig geschwächt zu haben. "Nach Kino.to ist vor Kino.to", sagte der GVU-Chef und will damit auch betonen, wie wichtig es sei, an verschiedenen Angriffspunkten anzusetzen. Neben der Werbewirtschaft sollen etwa auch die Zugangsanbieter weiter in die Pflicht genommen werden.

"Die Access-Provider haben eine besondere Verantwortung", sagte der Rechtsanwalt Nikolaus Kraft, der für die österreichische Partnerorganisation Verein zur Bekämpfung der Film- und Medienpiraterie (VAP) von einem laufenden Musterverfahren berichtete. Dabei habe das Oberlandesgericht Wien eine Verfügung gegen den Provider UPC Telekabel bestätigt, dass der Zugang zu Kino.to zu unterbinden sei.

Hintergrund des österreichischen Verfahrens ist eine EU-Verordnung, der zufolge die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Rechteinhaber "gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können", über die Urheberrechtsverletzungen begangen werden. In Deutschland sei diese noch nicht umgesetzt, sagte Kraft. Doch wünscht sich die Branche auch hierzulande einen schnelleren Zugriff auf die Access-Provider.

Geklärt werden müsse einerseits die Frage der Fristen, wie lange Provider die Verbindungsdaten ihrer Kunden aufbewahren sollen, sagte Leonardy. "Zehn Tage halten wir für einen gangbaren Weg", ansonsten laufe der gesetzliche Auskunftsanspruch faktisch ins Leere. Bei nachgewiesen illegalen Inhalten müssten die Zugangsanbieter dann sperren oder filtern, führte der GVU-Chef aus. Über das Verfahren könne etwa eine unabhängige "Clearingstelle" wachen. Eine neue staatliche Behörde einzurichten, hält Leonardy nicht zwingend für die beste Lösung.

Darüber hinaus spricht sich die GVU weiterhin für ein "Warnhinweismodell" aus, bei dem Nutzer von urheberrechtswidrigen Inhalten verwarnt werden sollen. Das könne "einiges Potenzial aus dem illegalen Markt" nehmen, so Leonardy. Ausgehend von dem Verfahren gegen Kino.to erhofft sich die Filmbranche zudem vom Gesetzgeber die Klärung der Frage, wie das Ansehen von Filmen auf illegalen Streaming-Portalen rechtlich zu bewerten ist. Die Dresdener Staatsanwaltschaft konzentriert ihre Ermittlungen im Fall von Kino.to auf die Betreiber und ignoriert bisher die Nutzer.

Anfang Juni hatten die Behörden bei Razzien in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden 13 Verdächtige festgenommen, von denen einige nach umfangreichen Aussagen wieder aus der Haft entlassen worden waren. Bei Durchsuchungen in 20 Wohnungen, Geschäftsräume und Rechenzentren waren umfangreiche Datenbestände sichergestellt worden. Ende Oktober hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden eine erste Anklage beim Landgericht Leipzig erhoben.

Auch gegen die Quelle der illegalen Raupkopien geht die GVU weiter vor. Laut dem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht 2010 hat die Organisation im vergangenen Jahr 595 Ermittlungen wegen Urheberrechtsverletzungen durchgeführt, davon 213 gegen Release-Gruppen und Vetriebsstrukturen wie Streaming-Portale. Die Ermittlungen mündeten den Angaben zufolge in 367 Strafverfahren. Im Jahr 2010 wurden 422 Verfahren mit Sanktionen für die Beklagten abgeschlossen. Dabei kam es zu Geldstrafen, im Fall einer Gruppe von organisierten Raubkopierern aus dem Ruhrgebiet auch zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und vier Jahren. (jk)