So machen die TV-Hersteller ihren Geräten heimlich Beine

Bis vor kurzem taugte die Bildwiederholfrequenz eines Fernsehers noch als Auswahlkriterium. Inzwischen helfen die Hertz-Angaben kaum mehr – die meisten Zeiten wurden schön gerechnet.

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Die Angabe der Bildwiederholfrequenz von TVs – beispielsweise 100 Hertz – war bislang Hinweis darauf, ob ein schnelles LCD-Panel im Fernseher steckt. Ein flinkes Panel hat steile Schaltflanken und kann bewegte Bilder dadurch schärfer wiedergeben; auf einem lahmen Panel produzieren schnelle Bilder Schlieren. Ein 100-Hz-Fernseher etwa fügt ein eigens berechnetes Bild zwischen zwei originale 50-Hz-TV-Bilder und erzeugt so eine schärfere und ruckelfreie Darstellung.

Unschärfen am LCD-TV lassen sich zusätzlich verringern, indem die Hintergrundbeleuchtung zwischen zwei aufeinander folgenden Bildern kurzzeitig ausgeschaltet wird. Dasselbe lässt sich auch mit dem zeilenweisen Beleuchten des Bildschirms, dem sogenannten Scanning Backlight, erzielen. Andere Optimierungen wie das lokale Dimmen innerhalb eines Bildes oder die dynamische Anpassung der Hintergrundbeleuchtung an den Bildinhalt erhöhen zwar den Kontrast, reduzieren aber weder Unschärfe noch Ruckler.

Samsung nennts "CMR": Die Clear Motion Rate ist nur bedingt aussagekräftig.

Damit scheint es zunächst folgerichtig, wenn etwa Samsung erklärt, die Bildwiederholfrequenz eines Panels reiche zur Charakterisierung nicht (mehr) aus. Umfassender sei die "Clear Motion Rate" (CMR), die neben dem Panel-Refresh auch die Backlight-Steuerung und den Bildprozessor einbezieht. Nebeneffekt: Ein 100-Hz-Panel verwandelt sich in ein erstaunlich flinkes Display mit 400 Hz CMR – wobei das TV weiterhin maximal 100 Bilder pro Sekunde ausgibt. Samsung nutzt die Regelmechanismen sehr kreativ als Multiplikatoren: 100 Hz (Panel-Refresh) × 2 (Zwischenbildberechnung) × 2 (Backlight-Blinking) = 400 Hz CMR.

Viele andere LCD-Hersteller verleihen ihren Fernsehern ebenfalls mit solchen Berechnungen Flügel. Gemeint sind stets statt der Bildwiederholrate eine Mischung aus Panelschaltgeschwindigkeit, Backlight-Ansteuerung, Zwischenbildberechnung und Bildoptimierung. Auch in Prospekten und auf Internetseiten findet man inzwischen fast nur noch Angaben zu "Motion Rates", "Motion Flows" oder "Motion Clarities".

LG bewirbt den 47LV570S mit 500 Hz MCI, tatsächlich steckt im 47-Zöller ein 100-Hz-Panel.

LG nennt seine kreative Kombination aus Panel-Refresh, Backlight-Scanning, Local Dimming und Zwischenbildberechnung "Motion Clarity Index" (MCI). Samsung fasst den Panel-Refresh, die Zwischenbildberechnung und das Backlight-Blinking wie erwähnt als "Clear Motion Rate" (CMR) zusammen. Sony kombiniert den Panel-Refresh, die Zwischenbildberechnung und die Backlight-Regelung zum "Motionflow XR" (MXR), bei Toshiba heißt diese Kombination "Active Motion Rate" (AMR).

Philips addiert sehr großzügig diverse Bildoptimierungen zur "PMR".

Auf die Spitze treibt es Philips: Hier addieren sich in der "Perfect Motion Rate" (PMR) neben der Panelfrequenz und der Zwischenbildberechnung als Multiplikatoren jeweils das Scanning-Backlight, das Blinking-Backlight, das lokale Dimmen, das gezielte Aufdrehen der Hintergrundbeleuchtung bei hellen Bildern und das gezielte Dimmen des Backlights in dunklen Szenen. So erzielt ein TV-Gerät mit 200-Hz-Panel eine PMR von erstaunlichen 1200 Hz …

Eine ähnliche Zahlenmagie gibt es übrigens auch bei den Plasmadisplays: Im Plasmadisplay leuchten die einzelnen Zellen nur kurzzeitig auf, helle Grau- und Farbwerte werden durch wiederholtes Ansteuern der Pixel erzeugt. Dieses Pulsieren mindert weder die Ruckler in Kamerafahrten noch schärft es die Bewegtbildwiedergabe – die bei Plasmadisplays aber ohnehin nicht unter flachen Schaltflanken leidet, sondern allenfalls unter einem langsamen Phosphor oder unter Farbübersprechern zwischen den Zellen. Verbessert wird mit dem Subfield Driving die Farbwiedergabe: Das Plasma-Panel mit 600-Hz-Subfield Rate verarbeitet die Bildsignale intern mit 10 Bit pro Farbe. Die reale Bildwiederholfrequenz des vermeintlich flinken 600-Hz-Plasmadisplays liegt im Fernsehbetrieb weiterhin bei 50 oder maximal 100 Hz und erst eine Zwischenbildberechnung für 100 ausgegebene Bilder pro Sekunde reduziert hier etwaige Ruckler.

Wie gut ein Display Bewegungsunschärfen in der Realität vermeidet, kann man im Grunde nur durch Testberichte oder eigene Beobachtungen klären. Aus den Datenblättern lässt sich die tatsächliche Bildwiederholfrequenz meist nicht herauslesen. Aber mögliche Widersprüche: Wenn beispielsweise ein TV mit 500 Hz angepriesen und zugleich für das Panel eine Reaktionszeit von 5,5 ms spezifiziert wird, muss etwas faul sein – mit 5,5 ms sind maximal 180 Bildwiederholungen pro Sekunden möglich.

In der kommenden Ausgabe der c't werden die Fähigkeiten von acht preiswerten Fernseher auf Her(t)z und Nieren geprüft. Alles sind vermeintliche 100-Hz-Geräte: Einige berechnen für die Wiedergabe von Blu-rays und DVDs Zwischenbilder, nur ein TV gibt tatsächlich 100 Bilder in der Sekunde aus. Wie sich die ab 500 Euro erhältlichen 40- bis 47-Zöller mit Diagonalen zwischen 1 m und 1,20 m im Fernseh- und Videobetrieb, bei der Medienwiedergabe und beim Surfen behaupten, lesen Sie in c't 26/11; das Heft ist ab 5. Dezember am Kiosk erhältlich. (uk)