Stau auf der Datenautobahn

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Urs Mansmann

Beim Internet-Zugang zeigen sich zunehmend Wachstumsschmerzen. Mobilfunk- und Festnetzbetreiber können beim anhaltenden Kunden- und Traffic-Wachstum nicht immer mithalten, viele Kabel-Deutschland-Kunden bemängeln Engpässe. Auch Kunden des Netzbetreibers O2 klagen in mehreren Großstädten über langsame Verbindungen. Zu den Spitzenzeiten zwischen 18 und 24 Uhr lahmen Internet-Verbindungen erheblich. Auch Telefonate scheitern beim Aufbau oder brechen ab. All das sind klare Anzeichen für eine Überlastung des Netzes.

Nach branchenüblicher Manier bügelte O2 die Beschwerden verärgerter Kunden zunächst als „Einzelfälle“ ab und rief damit den Blogger Matthias Bauer auf den Plan. Der startete eine Webseite „Wir sind Einzelfall“ (siehe Link) und sammelte Störungsmeldungen. Binnen fünf Tagen kamen so 1000 Einzelfälle zusammen. Die folgende Berichterstattung in verschiedenen Medien katapultierte die Zahl der Meldungen binnen einer weiteren Woche auf knapp 8000. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl gibt es dieser Erhebung zufolge in Mannheim die größten Probleme, gefolgt von Osnabrück, Münster, Heidelberg, Frankfurt und Hamburg.

O2 geriet durch die Aktion in die Defensive. Die Corporate-Communications-Abteilung trat nach kurzer Zeit die Flucht nach vorne an und räumte ein, dass der Netzausbau bei O2 der Entwicklung hinterherhinkt. Grund dafür sei der Smartphone-Boom, der die Netze an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringt. Dem O2-Pressesprecher Dr. Roland Kuntze zufolge wird O2 die bestehenden Stationen aufrüsten – und dabei gleich noch ausreichende Systemreserven einplanen, um nicht den nächsten Engpass heraufzubeschwören. Wer telefonieren will, sollte versuchen, das per GSM-Netz zu erledigen. Die GSM-Netze sind stabil und hervorragend ausgebaut.

Unter dem Kundenansturm zusammenbrechende Internetverbindungen gibt es nicht nur in den Mobilfunknetzen. Kabel-Deutschland-Kunden in Hannover klagen derzeit verbreitet über langsame Verbindungen zu den Spitzenzeiten. Betroffen ist fast das komplette Stadtgebiet.

Offenbar war Kabel Deutschland beim Akquirieren von Kunden zu erfolgreich und kam wie O2 beim Netzausbau nicht hinterher. Das Unternehmen räumt die Engpässe unumwunden ein. Beheben soll die Probleme die Einrichtung weiterer Fibre Nodes, auch als CMTS bezeichnet. Diese stellen, vergleichbar mit den DSLAMs aus den DSL-Netzen, die Schnittstelle zwischen Glasfaser-Backbone und Kupferverkabelung dar. Die Arbeiten sollen bis März 2012 abgeschlossen sein.

Kabel Deutschland sichert betroffenen Kunden Entgegenkommen zu. Auf Anfrage könne man beispielsweise bis zur Behebung der Probleme den Monatspreis mindern. „Falls in bestimmten Fällen in Hannover eine andere Einigung nicht gefunden werden kann, beenden wir je nach konkretem Einzelfall den Vertrag aus Kulanzgründen auch vorzeitig“, verspricht Pressesprecherin Kathrin Wittmann.

Die beiden Fälle zeigen deutlich, dass das schwächste Glied der Kette beim Internet-Zugang derzeit die Anbindung des Endkunden ist. Nicht nur der anhaltende Smartphone-, Tablet- und Notebook-Boom und die immer häufigere Nutzung von hochauflösenden Videos, sondern auch strategische Pläne wie die im August von Vodafone verkündete geplante Umstellung von vier Millionen DSL-Kunden auf die Mobilfunktechnik LTE werden die Versorgungslage in allen Netzen noch eine ganze Weile lang kritisch halten.

www.ct.de/1126037 (uma)