"The Spyfiles" sollen Licht ins Geschäft mit Überwachungssoftware bringen

In Zusammenarbeit mit dem britischen Bureau of Investigative Journalism und dessen französischem Pendant OWNI hat die Whistleblower-Organisation Wikileaks ein Dossier über den Einsatz von Überwachungssoftware veröffentlicht.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Whistleblower-Organisation Wikileaks hat in Zusammenarbeit mit dem britischen Bureau of Investigative Journalism und dessen französischem Pendant OWNI das Dossier The Spyfiles veröffentlicht. Es soll das Ausmaß des Einsatzes von Überwachungssoftware dokumentieren, von dem eine 5 Milliarden Euro schwere Softwarebranche profitiert.

Wie Wikileaks-Gründer Julian Assange am Donnerstag erklärte, agiert Wikileaks mit der Veröffentlichung des Dossiers nicht als klassische Whistleblower-Drehscheibe, sondern will dem von den Partnern erstellten Dossier mit der Veröffentlichung größere Aufmerksamkeit verschaffen. Seine eigene Mitarbeit an dem Projekt siedelte Assange auf der "Satelliten-Ebene" an. Wie bei früheren Veröffentlichungen hat Wikileaks auch bei den Spyfiles Medienpartner um sich gesammelt, die das Material publizistisch auswerten sollen.

Neben der Washington Post sind dies die indische Zeitung The Hindu, der italienische L'Espresso und die deutsche ARD, die mit der Berichterstattung (PDF-Datei) des MDR-Magazins "Fakt" zur Verwicklung der deutschen Firma Gamma in die Arbeit ägyptischer Überwachungsbehörden den Anstoß der Sammlung einschlägiger Anbieter von Überwachungssoftware gab. [Update: Für die ARD erklärte ein Sprecher des derzeit federführenden WDR auf Anfrage, es gebe keine offizielle Partnerschaft der ARD mit Wikileaks.]

Spyfiles enthält nach Angaben von Assange 287 Dateien mit 1100 Dokumenten über 160 Firmen aus 25 Ländern, die "legale Abhörsoftware" an jeden Staat verkaufen, der seine Bürger überwachen will. In der Regel würdn sich diese Firmen nicht an gesetzliche Exportbeschränkungen halten, sondern den Profit über etwaige Bedenken stellen, erklärte der Wikileaks-Gründer. Der französische Mitstreiter Jean-Marc Manach nannte die Bull-Tochter Amesys, die ihre Software Eagle Glint an die libysche Regierung verkauft hatte – offenbar mit Billigung des damals zuständigen Ministers Sarkozy. Manach präsentierte Auszüge aus einem Handbuch, aus denen hervorgehen soll, dass der libysche Geheimdienst mit der Software britische Journalisten ausspionierte, die über den Familienclan der Gaddafis in London recherchierten.

Die italienische Journalistin Stefania Maurizi erzählte, wie die Mafia Überwachungssoftware nutzt, um Journalisten aufzuspüren, die über das organisierte Verbrechen recherchieren. Der US-amerikanische Aktivist und Tor-Mitgründer Jacob Appelbaum forderte alle Aktivisten auf, sich gegen den Einsatz von Spionagesoftware zu engagieren und erklärte "legale Überwachung" zur unbeschränkten Tyrannei: "Dies ist die Software, von der die deutsche Stasi immer geträumt hat." Wie zuvor Assange ermahnte auch Appelbaum die Anwesenden, ihren Smartphones zu misstrauen, die nicht zum Telefonieren, sondern zum Ausspionieren entwickelt wurden. Seine Empfehlung lautete, mit Nutzung des Tor-Projektes den Überwachern die Arbeit zu erschweren.

Die ursprünglich für den heutigen Donnerstag angekündigte Vorstellung einer neuen Einreichungs-Plattform für Wikileaks wurde von Assange auf ein künftiges Datum verschoben. Man habe bewusst geflunkert, um die gemeinsame Attacke nicht zu gefährden. Assange nutzte die Gelegenheit, das Wall Street Journal zu kritiseren, einem ehemaligen Medienpartner von Wikileaks. Dort sei die Veröffentlichung zum Thema Spyware durch und durch schöngefärbt. In der abschließenden Diskussion lehnte Assange alle Fragen zu seiner eigenen Zukunft ab und verweigerte die Auskunft darüber, welches Smartphone er selbst mit sich führt. (vbr)