Besser sehen durch Stammzellen

Drei Studien sollen helfen, die Frage zu klären, ob Stammzellen aus Embryos oder aus umprogrammierten Körperzellen besser für Therapien geeignet sind.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Auf der Stammzellforschung ruhen große Hoffnungen, doch zugleich wird dieses Gebiet ethisch und fachlich kontrovers diskutiert. Das Züchten von allerlei spezialisierten Geweben aus embryonalen Stammzellen ist umstritten, weil es die Zerstörung von Embryos bedeutet; zudem kann es nach dem Einpflanzen zur Bildung von Tumoren kommen. Die meisten Länder haben sich in Sachen embryonale Stammzellforschung mit Verboten oder mit liberalen bis unterschiedlich restriktiven gesetzlichen Vorgaben positioniert. Deutschland etwa erlaubt die Forschung mit den wandlungsfähigen Zellen, wenn sie vor einem bestimmten Datum gewonnen wurden, nicht aber ihre frische Gewinnung.

Die zunächst als Heilsbringer gefeierten Alternativen wiederum – Stammzellen, die durch das Umprogrammieren von Körperzellen ethisch sauber gewonnen werden können –, sind auch nicht unproblematisch: diese sogenannten „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (iPS) haben Experten zufolge nicht alle Fähigkeiten ihrer embryonalen Verwandten; und auch bei der Verwendung von iPS kann es – durch die Verwendung oder durch Mutationen – zu Krebs kommen.

Ich glaube, dass an den iPS trotz aller derzeitigen Unzulänglichkeiten kein Weg vorbei führen wird. Gegen die embryonalen Stammzellen sprechen sind nicht nur ethische Einwände. Gewebe aus ihnen wird auch immer fremdes Gewebe für den Körper des Empfängers bleiben; damit besteht aber die Gefahr einer Abstoßung, wenn das Immunsystem mit nicht Medikamente stark gedämpft wird – und das ist mit ernsten Nebenwirkungen behaftet. Die große Hoffnung bei umprogrammierten Körperzellen ist, dass Patienten sich selbst Zellen spenden können, aus denen dann das gewünschte Gewebe gezüchtet wird.

Natürlich werden iPS nur dann einsetzbar sein, wenn ihre Herstellung so verändert werden kann, dass eine Krebsgefahr gänzlich ausgeschlossen ist. Und auch dann werden sich diese künstlichen Stammzellen nach wie vor mit den Fähigkeiten der embryonalen Stammzellen messen müssen – und das macht im direkten Vergleich am meisten Sinn. Deshalb blickt die Forscherwelt dieser Tage gespannt auf mehrere Studien, in denen dasselbe schwere Augenleiden – eine Netzhautschädigung namens altersbedingte Makuladegeneration – mit Gewebe aus beiden Zellarten therapiert werden soll, wie das Wissenschaftsmagazin „The Scientist“ in seiner aktuellen Ausgabe schreibt.

Behandelt werden soll eine bis dato unaufhaltsame Schädigung der Netzhaut: Bei der sogenannten trockenen Makuladegeneration löst sich eine aus sogenannten Epithelzellen bestehende Schutzschicht der Netzhaut auf. Dadurch werden anschließend auch die nun freiliegenden Lichtrezeptoren und die sie mit Nährstoffen versorgenden Blutgefäße geschädigt, bis die Patienten schließlich erblinden. Als beste Therapieoption gilt der rechtzeitige komplette Austausch der schadhaften Schutzschicht, und dafür würde sich aus Stammzellen gezüchtetes Gewebe besonders gut eignen.

Bereits 2010 lief eine Studie der US-Biotech-Firma Advanced Cell Technologies mit AMD-Patienten an, denen aus embryonalen Stammzellen hergestellte Schutzzellen ins Auge gespritzt wurden. Im kommenden Jahr, so schreibt „The Scientist“, soll eine ähnliche Studie in Großbritannien starten, bei der nicht nur eine Zelllösung mit losen Schutzzellen, sondern bereits eine gezielt gezüchtete komplette Gewebeschicht aus ihnen transplantiert würde. Den direkten Vergleich dazu könnte eine Studie von japanischen Forschern um Masayo Takahashi vom Riken Center for Developmental Biology in Kobe liefern. Die Wissenschaftler wollen die trockene Makuladegeneration mit Schutzzellschichten aus rückprogrammierten Stammzellen behandeln. Nach erfolgreichen Tierversuchen mit hundert Labormäusen, bei denen keine Tumore auftraten, könnte innerhalb von drei Jahren die erste Studie mit Patienten beginnen.

Trotzdem müssen wir uns aber wohl noch einige Zeit in Geduld üben, die Forschung mit iPS hat noch einige Hürden vor sich. Obwohl es inzwischen bereits Verfahren gibt, die ohne den problematischen Einsatz von Viren als Transportmittel für die Umprogrammiergene auskommen, sind nun Hinweise darauf aufgetaucht, dass auch iPS Abstoßungsprobleme verursachen können. Da sind also genauere Untersuchungen über das „wie“ und „warum“ notwendig. Trotzdem bleiben die programmierten Stammzellen wohl Hoffnungsträger. Auch Organverpflanzung schienen anfangs zu beschwerlich bis unmöglich. (vsz)