Ungewöhnliche Formulierung im Zeugnis sind zulässig

Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, ihr Zeugnis nachbessern zu lassen. Das gilt aber nicht, wenn die Formulierung nur etwas ungewöhnlich ist.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wenn es um Zeugnisse geht, sind die meisten Arbeitnehmer sehr sensibilisiert. Weiß man doch, dass Chefs und Personalabteilungen inzwischen "Geheimcodes" entwickelt haben, um ihre wirkliche Meinung über den Ex-Kollegen mitzuteilen. Doch nicht jede Formulierung, die über den Standard hinaus geht, enthält auch eine versteckte Botschaft. Diese Meinung hat jetzt auch das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil vertreten (Urteil vom 15.11.2011, Az: 9 AZR 386/10).

In dem Fall ging es um einen Mann, der knapp drei Jahre als Mitarbeiter im "SAP Competence Center" eines Systemhauses beschäftigt war. Nach seinem Ausscheiden aus der Firma erhielt er sein Arbeitszeugnis und störte sich an folgender Formulierung: "Wir haben XY als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Er war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit."

Der Ex-Mitarbeiter wollte eine Änderung, doch der Arbeitgeber sah dafür keine Veranlassung und so landete der Fall vor Gericht. Der Kläger argumentierte, die Formulierung "kennen gelernt" werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden. Denn sie enthalte die verschlüsselte Botschaft, dass eigentlich das Gegenteil der Aussage gemeint sei.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen und auch die Revision vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts war ohne Erfolg. Begründung: Die Formulierung erwecke aus objektiver Sicht keinesfalls den Eindruck, der Arbeitgeber wolle dem Ex-Mitarbeiter Desinteresse und fehlende Motivation attestieren.

So darf ein Zeugnis laut § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere Aussage zu treffen, als die aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche (Grundsatz der Zeugnisklarheit). Zwar gibt es durchaus sogenannte "Geheimcodes", doch die sind relativ einfach zu entschlüsseln. So sollten Arbeitnehmer bei Formulierungen wie "er hat sich bemüht", "er hat versucht", "er war bestrebt" u.ä. hellhörig werden. Denn die sagen vor allem aus, dass der Mitarbeiter die gewünschte Leistung nicht erbracht hat. Auch Sätze, in denen von "in der Regel", "entsprach im Allgemeinen" oder "im Großen und Ganzen" die Rede ist, sind mit Vorsicht zu genießen. Und tatsächlich hat der Arbeitnehmer in solchen Fällen Anspruch auf Nachbesserung – vorausgesetzt, der Arbeitgeber kann nicht nachweisen, dass die Leistung tatsächlich mangelhaft war. Das gilt aber nicht, wenn der Arbeitgeber nur ein wenig von den üblichen Standardaussagen abweicht. Denn eine ungewöhnliche Formulierung muss noch lange keinen Geheimcode enthalten. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)