Strom verheizen

Elektrische Energie in Wärme zu verwandeln ist eine Verschwendung kostbarer Ressourcen, hieß es jahrelang. Es wird Zeit, umzudenken.

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In der letzten TR-Ausgabe haben wir darüber berichtet, dass Photovoltaik-Freiflächenanlagen mittlerweile günstiger Strom produzieren als solarthermische Kraftwerke. Nun kommt der nächste Tiefschlag für die Solarthermie: Die Fachzeitschrift Photon hat berechnet, dass sich auch Warmwasser für den Hausgebrauch günstiger mit Photovoltaik-Strom erzeugen lässt als mit klassischen Solarkollektoren auf dem Dach. Eine Kilowattstunde Wärme lässt sich laut Photon mit Solarkollektoren für acht bis zwölf Cent, mit Photovoltaik in Verbindung mit einer Wärmepumpe hingegen für sechs bis acht Cent erzeugen.

Das erscheint auf den ersten Blick widersinnig, denn jahrelang galt es als Verschwendung, die edle Energieform Strom in schnöde Wärme umzuwandeln. Das gilt auch weiterhin, falls der Strom aus einem konventionellen Wärmekraftwerk stammt – dort geht etwa zwei Drittel der eingesetzten Primärenergie in Form von Abwärme verloren. Umso absurder ist es, den auf diese Weise teuer erzeugten Strom wieder zurück in Wärme zu verwandeln.

Mit Wärmepumpen ist das etwas anderes: Sie setzen den Strom nicht direkt in Wärme um, sondern entziehen der Umwelt (der Luft, dem Boden oder dem Grundwasser) Energie. So lassen sich mit einer Kilowattstunde Strom rund drei Kilowattstunden Wärme gewinnen. Ein weiterer Vorteil der Photovoltaik-Lösung: Überschüssiger Strom kann ins Netz eingespeist und verkauft werden, der selbstverbrauchte Photovoltaik-Strom wird sogar gesondert vergütet. Bei Solarthermie-Anlagen hingeben gibt es im Sommer außer für das Brauchwasser keine Verwendung für die Wärme.

Wirtschaftlich ist es sogar sinnvoller, Photovoltaik-Strom ohne Wärmepumpe direkt zum Heizen zu benutzen – und zwar durch eine Art Tauchsieder im Warmwasserboiler. Das spart Investitionen und erhöht den lukrativen Eigenverbrauch von Sonnenstrom. Nach nur acht Jahren hat sich solch ein System laut Photon amortisiert, bei Wärmepumpen sind es zehn bis elf Jahre.

Energetisch gesehen ist das direkte Verheizen von Strom zwar nicht so effizient wie der Antrieb einer Wärmepumpe, aber unter bestimmten Umständen könnte es trotzdem Sinn machen: Dann nämlich, wenn es ein Überangebot an Wind- und Sonnenstrom gibt und die Anlagen abgeschaltet werden müssten, wenn sich kein anderer Stromabnehmer findet. Solche „negative Regelleistung“ würde nicht nur das Stromnetz stabilisieren, sie würde auch eine entsprechende Menge fossiler Brennstoffe einsparen, die sonst zum Heizen benutzt worden wären. Dänische Forscher haben das Prinzip bereits auf große Blockheizkraftwerke (BHKW) übertragen: Wenn die Windkraftanlagen zu viel Energie liefern, heizen die BHKWs mit Strom statt mit Gas – eine Wiederkehr der Nachtspeicheröfen gewissermaßen, diesmal aber unter ökologischem Vorzeichen. (wst)