Wegen Fachräftemangel: Erst kommt das Vergnügen, dann die Arbeit.

Vor allem kleinere Firmen haben derzeit Schwierigkeiten, ihre offenen IT-Stellen mit qualifizierten Kandidaten zu besetzen. Doch Not macht erfinderisch. Wie zum Beispiel bei der Sivis Group in Karlsruhe. Das Software- und Beratungsunternehmen schickt ihre neuen Experten erst mal in den Urlaub auf die kanarischen Inseln.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking
Sivis-CEO Bernd Israel

Sivis-CEO Bernd Israel

(Bild: Sivis)

Lieber Bernd Israel, CEO des Software- und Beratungshauses Sivis Group,

wie groß der Fachkräftemangel in der IT-Branche wirklich ist, weiß niemand ganz genau. Aber es gibt Schätzungen. Nach Angaben unseres Branchenverbandes Bitkom aus dem September dieses Jahres sind in Deutschlands Firmen rund 38.000 IT-Stellen unbesetzt, davon knapp die Hälfte bei Firmen der ITK-Branche selbst. Mit gravierenden Folgen auch für die Volkswirtschaft. "Der Fachkräftemangel kostet uns jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro Umsatz“, stöhnte Bitkom-Präsident Dieter Kempf Anfang dieses Monats. Da nach seinen Berechnungen jeder IT-Experte in seinem Umfeld durchschnittlich 2,5 weitere Arbeitsplätze schafft, sprechen wir laut Kempf sogar "über ein verschenktes Beschäftigungspotential von knapp 100.000 Arbeitsplätzen“. Das Handelsblatt brachte die Not auf dem Stellenmarkt in einer Schlagzeile auf den Punkt: "Bewerber verzweifelt gesucht", titelte die Zeitung einen Bericht über die derzeit schwierige Lage nicht nur der IT-Branche, qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Vor allem kleinere Unternehmen tun sich schwer, Top-Leute zu gewinnen. "Im Mittelstand ist das Problem am drängendsten", sagt Bitkom-Chef Kempf. Sie, lieber Herr Israel, werden das sicher bestätigen. Sivis ist ein Software- und Beratungsunternehmen mit rund 40 Mitarbeitern und etwa fünf Millionen Umsatz. Die Firma wächst und sucht neues Personal. Sechs Monate lang hatten Sie vergeblich versucht, eine SAP-Beraterstelle zu besetzen. Doch Not macht bekanntlich kreativ und erfinderisch. So auch bei Ihnen. Sie machten die Kandidaten mit einem ungewöhnlichen Angebot auf sich aufmerksam. Wer bei Ihnen den Arbeitsvertrag unterschreibt, der darf erst einmal eine Woche Urlaub auf den kanarischen Inseln machen. Auf Firmenkosten natürlich. Mit anderen Wort: Sie stellten den bekannten Leitsatz "Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen“ auf den Kopf: Bei Sivis kommt erst das Vergnügen, dann die Arbeit.

Die Idee hat funktioniert. Immerhin fünf qualifizierte Bewerbungen gingen bei Ihnen ein, der neue SAP-Berater der Sivis GmbH fängt am 1. März nächsten Jahres bei Ihnen an. Beziehungsweise am 9. März, wie man sagen sollte, denn am 1. März steigt Ihr Neuer erst einmal in den Flieger nach Teneriffa, wo er sich in Ruhe auf seine kommenden Aufgaben vorbereiten kann. Weil die Idee so gut ankam, geht sie jetzt in Serie: Zwei weitere SAP-Beraterstellen werden genauso beworben.

Lieber Herr Israel, eine interessante Geschichte, die zeigt, dass auch kleinere Firmen eine Chance haben, geeignetes Personal zu finden, wenn sie ungewöhnliche Wege gehen. Natürlich ist zu hoffen, dass der neue Mitarbeiter sich nicht nur wegen des einwöchigen Urlaubs für Sivis entschieden hat. Und ebenfalls würde mich interessieren, was Ihre bereits an Bord befindlichen Mitarbeiter von der Aktion halten. Finden die das gut? Und was tun Sie für sie, damit sie bleiben und weiterhin motiviert und begeistert ihre Aufgaben meistern? Denn es ist ja ähnlich wie im Geschäft mit Kunden. Wer sich für die Neukundengewinnung auf den Kopf stellt, sollte auch immer daran denken, die Stammkunden bei Laune zu halten.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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