Katastrophen und Lieferengpässe

Natürliche und menschen-gemachte Katastrophen bringen die labil ausbalancierten Supply Chains in der IT-Branche allzu leicht ins Wanken, wie auch 2011 die Flut in Thailand und der Atomunfall in Japan gezeigt haben. Versorgungsengpässe und Preisturbulenzen sind die Folge.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Matthias Parbel

Hochwasser legte auch die Produktionsstätten von Western Digital in Thailand lahm.

(Bild: WD)

Das Erdbeben, der Tsunami und dann auch noch der Atomunfall im japanischen Fukushima haben im Frühjahr 2011 in erster Linie Menschenleben gefordert. Dass die IT-Branche in der Folge mit Lieferengpässen bei Speicherchips und anderen Halbleiterbauteilen zu kämpfen hatte, gerät vor diesem Hintergrund zur Nebensache. Im Herbst dann überfluteten Wassermassen einige Regionen Thailands – und wieder waren auch Produktionsstätten von Informationstechnologie betroffen. Das wochenlang andauernde Hochwasser legte vor allem die Fabriken der Festplattenhersteller und deren Zulieferer lahm, die Thailand als einen ihrer zentralen Produktionsstandorte auserkoren haben.

Anders als zuvor bei den Speicherchips, schnellten die Preise für Festplatten in der Folge drohender Lieferengpässe dramatisch in die Höhe – bei einigen Modellen zum Teil auf das Dreifache. Ursache dafür war aber nicht in allen Fällen die knappe Verfügbarkeit der Ware, einige Marktteilnehmer versuchten schlicht maximalen Profit aus der Lage zu ziehen. Der Handel reagierte verärgert – nicht jeder Preis wurde akzeptiert. Obwohl Western Digital die Produktion Anfang Dezember zumindest teilweise wieder aufnehmen konnte, ist ein Ende der eingeschränkten Liefersituation bei Festplatten zum Jahreswechsel noch nicht absehbar.

Seagate – von der Flutkatastrophe weniger unmittelbar betroffen als Western Digital – kann sogar durchaus Kapital aus der Situation schlagen: Für das Schlussquartal hob der Hersteller seine Umsatzprognose auf 2,8 Milliarden US-Dollar an. Western Digital rechnet derweil nur mit einem Umsatz von rund 1,8 Milliarden US-Dollar und plant außerdem Sonderausgaben bis zu 275 Millionen US-Dollar in Folge der Überschwemmungen ein.

Mittelfristig könnte sich das weltweite Festplattengeschäft aber noch aus einem ganz anderen Grund dramatisch wandeln. Nachdem sowohl die Übernahme der Festplattensparte von Samsung durch Seagate sowie WDs Kauf von Hitachi GST (zumindest in Europa und Australien) den Segen der zuständigen Behörden bekommen haben, konsolidiert sich die Branche in einem bisher nicht dagewesenen Maße. Obwohl beide Akquisitionen mit zum Teil maßgeblichen Auflagen verbunden sind, werden Seagate und WD den Markt künftig unter sich aufteilen – Toshiba bleibt nur die Rolle des Nischenanbieters, mit einem Anteil von circa 13 Prozent an der weltweiten Festplattenproduktion.

Ob die Branche angesichts einer solchen Konstellation an die aus der Vergangenheit gewohnte Entwicklung – Wettlauf um Platten mit immer höherer Speicherkapazität bei kontinuierlich sinkenden Preise pro GByte – anknüpfen wird, erscheint zumindest fragwürdig. Als erstes Zeichen für eine Verschlechterung der Lage aus Sicht der Kunden kann die nahezu zeitgleich erfolgte Entscheidung von Seagate und WD gewertet werden, die Garantie auf verschiedene Festplattenmodelle zum Jahreswechsel zu reduzieren. Für ausgewählte Platten sinkt die Garantiefrist sogar von 5 auf nur noch ein Jahr. Sollten die beiden Hersteller bei der Preisgestaltung ähnlich konzertiert vorgehen, steht ihnen allerdings die kritische Prüfung durch die Kartellbehörden ins Haus. Am Ende könnten womöglich konkurrierende Massenspeicher wie SSDs oder sogar Tape von der Entwicklung im Festplattenmarkt profitieren – in beiden Produktsegmenten spielen Seagate und WD derzeit keine wesentliche Rolle. (map)
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