Weißrussland reglementiert Internetnutzung

Ein neues Gesetz sieht eine Strafe von umgerechnet 100 Euro vor, wenn Bürger für E-Mails und Finanzaktionen Seiten verwenden, die nicht in Weißrussland registriert sind.

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Die Republik Weißrussland (Belarus) wird mit neuen Vorschriften die Internetnutzung seiner Bürger stärker reglementieren. Das ab 6. Januar geltende neue Gesetz "317-3" über Verwaltungsübertretungen beschränkt die Nutzung ausländischer Internetdienste durch Weißrussen und (andere) Ansässige. Das Gesetz sieht eine Strafe von umgerechnet 100 Euro vor, wenn Bürger für E-Mails und Finanzaktionen Seiten verwenden, die nicht in Weißrussland registriert sind. Unternehmen und Geschäftsleute müssen den Angaben zufolge alle Server ins Inland verlegen und bei der Regierung registrieren. Ausländische Webseiten, Mailserver und sonstige Dienste dürfen für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen nicht mehr genutzt werden.

Polizei, Steuerbehörde und Geheimdienst sind berufen, die Einhaltung des Gesetzes zu überwachen. Aber auch Unternehmen und Privathaushalte müssen mithelfen, in dem sie eine Art privater Vorratsdatenspeicherung betreiben. Wo immer Internetzugänge geteilt werden (z.B. im Internetcafé, Büro oder Privathaushalt) müssen sich alle Nutzer ausweisen. Lückenlose Aufzeichnungen über alle Verbindungen sind für ein Jahr zu speichern, alle Geräte sind den Behörden zu melden. Sonst drohen der Entzug des Online-Zugangs und empfindliche Geldstrafen. Dies gilt auch, wenn der Anschlussinhaber illegales Nutzungsverhalten nicht unverzüglich den Behörden anzeigt.

Das neue Gesetz soll ein Dekret von Präsident Alexander Lukaschenko vom Februar 2010 umsetzen. Damals hatte der Staatschef Maßnahmen zur "Verbesserung der Nutzung des nationalen Segments des Internet" angeordnet. Wie die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen berichtete, sieht das Dekret eine umfassende staatliche Kontrolle über das Internet vor. Alle Provider (ISP) müssen sich registrieren und technische Details über ihre Netzwerke, Systeme und Ressourcen preisgeben. Sie müssen alle Geräte identifizieren, die über ihre Netze online gehen können, auch Computer und Mobiltelefone.

Die Provider müssen auch Zensureinrichtungen betreiben. Grundsätzlich haben sie alle "gefährlichen" Seiten zu filtern. Darunter fallen nach weißrussischer Lesart "Extremismen" ebenso wie Pornographie, Webseiten in Verbindung mit dem Schmuggel von Drogen, Menschen oder Waffen sowie Inhalte "die zu Gewalt anstiften". Eine direkt dem Präsidentenbüro untergeordnete Behörde soll alle Inhalte kontrollieren, bevor sie online gestellt werden. Sonstige Zensuranordnungen sind von den ISP innerhalb 24 Stunden umzusetzen.

In Weißrussland hatten sich im Sommer zahlreiche Regierungsgegner über soziale Online-Netzwerke zu Protesten verabredet. Es gab Hunderte Festnahmen. Dem inhaftierten oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Nikolai Statkewitsch droht unterdessen eine noch längere Strafe, weil er laut Anklage gegen die "Gefängnis-Disziplin" verstoßen hat. Das sagte seine Ehefrau nach Angaben unabhängiger Medien vom Dienstag. Statkewitsch war nach den Massenprotesten gegen Wahlfälschungen bei der Präsidentenwahl im Dezember 2010 zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

[Update: Die Berliner Botschaft von Belarus hält die "Berichte über massive Interneteinschränkungen" für "realitätsfremd". Privatpersonen würden nicht am Aufrufen ausländischer Websites gehindert. Die Bestimmungen richteten sich an weißrussische Geschäftsleute und juristische Personen. Ziel sei "die Transparenz des Online-Handels zu schaffen, Verbraucherrechte zu gewährleisten, die Internetnutzer vor Webseiten mit gesetzlich verbotenen Inhalten zu schützen sowie Cyberkriminalität zu bekämpfen." Ein Botschaftssprecher betonte, die belarussischen Gesetze in diesem Bereich "unterscheiden sich grundsätzlich nicht von entsprechenden Gesetzen in mehreren EU-Ländern und in den USA".

Der zweitgrößte weißrussische Mobilfunker Velcom gab gegenüber heise online an, den Präsidenten-Erlass schon Mitte 2010 umgesetzt zu haben. Die Tochter der Telekom Austria Group habe damals alle Geräte für Endkunden-Dienste ins Inland verlegt und alle Websites auf .by-Domains umgestellt. Das nach behördlichen Vorgaben eingerichtete Filtersystem zensiere nur auf Wunsch des Endkunden (Opt-In). Wie häufig die Behörden auf die von Velcom gespeicherten Vorratsdaten zugreifen wurde nicht verraten.] (vbr)