Der mitfühlende Computer

Forscher des Eletronikkonzerns Samsung haben ein Smartphone entwickelt, das aus so unterschiedlichen Hinweisen wie Schreibgeschwindigkeit oder Wetterlage die Emotionen eines Nutzers identifizieren soll.

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Von
  • Duncan Graham-Rowe

Forscher des Eletronikkonzerns Samsung haben ein Smartphone entwickelt, das aus so unterschiedlichen Hinweisen wie Schreibgeschwindigkeit oder Wetterlage die Emotionen eines Nutzers identifizieren soll.

Der verständnislose Computer, der Generationen von Nutzern mit kalter Logik und kryptischen Fehlermeldungen genervt hat, könnte demnächst der Vergangenheit angehören. Forscher des Eletronikkonzerns Samsung haben ein Smartphone entwickelt, das die Gefühlslage eines Nutzers erkennen soll – nicht mittels Sensoren oder Kameras, sondern anhand der Art, wie das Smartphone genutzt wird.

Als Anhaltspunkte dienen etwa Daten, wie schnell ein Nutzer Zeichen eingibt, wie häufig er den „Rückstell“- oder andere Spezialbuttons drückt, und wie stark das Gerät hin und her bewegt wird. Daraus berechne eine Software, ob der Smartphone-Träger zufrieden, wütend, gutgelaunt oder überrascht sei, sagt Hosub Lee vom Samsung Advanced Institute of Technology in Südkorea, der das Forschungsprojekt leitet.

Auch wenn derartige Messgrößen auf den ersten Blick wenig mit Emotionen zu tun zu haben scheinen, gebe es feine Korrelationen zwischen ihnen und dem Gefühlszustand eines Nutzers. Die Software nutze Algorithmen aus dem sogenannten Maschinenlernen und habe derzeit eine Trefferquote von 67,5 Prozent, sagt Lee.

Deren Prototyp, der in der kommenden Woche auf der Consumer Communications and Networking Conference in Las Vegas vorgestellt wird, ist Teil einer Twitter-Anwendung für das Samsung Galaxy S II. Damit können Nutzer von sozialen Netzwerken ihre Kurzmitteilungen um Symbole ergänzen, die Emotionen anzeigen. Es seien aber noch jede Menge weitere Anwendungen denkbar, betont Lee. So könnte die Emotionserkennung verschiedene Klingeltöne auswählen, die zur jeweiligen Gemütslage passen. „Das Smartphone könnte auch einem Nutzer in schlechten Stimmung einen Cartoon vorspielen, um ihn aufzuheitern“, sagt Lee.

Das sei aber nur der Anfang. „Emotionserkennung wird die Tür zu ausgefeilten Geräten oder Diensten öffnen, die Kontexte erkennen“, erwartet der Samsung-Forscher. „Wenn wir die momentane Gefühlslage eines Nutzers kennen, können wir ihm Dienste anbieten, die genauer auf ihn zugeschnitten sind.“

Die Software muss zunächst trainiert werden, um die Eigenheiten eines Nutzers zu analysieren. In dieser Phase zeichnet sie bei jedem Tweet, den ein Nutzer absetzt, diverse Größen auf, die Hinweis auf eine bestimmte Emotion sein könnten. Dazu gehören auch das jeweilige Wetter oder Lichtverhältnisse. Der Nutzer notiert seinerseits bei jeder Kurznachricht, wie er sich gerade fühlt.

All diese Daten werden in ein so genanntes Bayes’sches Netz eingespeist. Bei dem handelt es sich um einen Maschinenlern-Algorithmus, der Korrelationen zwischen scheinbar unzusammenhängenden Daten identifiziert. In einem Bayes'schen Netz stellen Messgrößen Knotenpunkte dar, die untereinander verbunden sein können. Jedem Wert einer Messgröße – zum Beispiel dem schnellen und dem langsamen Tippen aufs Display – wird eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet, mit der sie weitere, mit ihr verbundene Messgrößen, beeinflusst. Aus dem Zusammenspiel mehrerer bekannter Größen ergibt sich dann mathematisch eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die gesuchte Variable - in diesem Fall eine Gefühlslage wie "erregt" - vorliegt.

Noch sei die Genauigkeit des Systems ziemlich bescheiden, gibt Lee zu. Die Technologie befinde sich noch in einer frühen experimentellen Phase. Bislang wurden nur Eingaben eines einzigen Nutzers getestet. Samsung macht bislang auch keine Angaben, ob die Technologie irgendwann Eingang in die Smartphones des Herstellers finden wird. Erst einmal wollen die Forscher weitere Trainingsdaten sammeln. „Damit können wir neue Anhaltspunkte für bestimmte Gefühlslagen entdecken“, meint Lee. Er hofft, dass das System irgendwann auch Annahmen zur Persönlichkeit eines Nutzers treffen kann.

Rosalind Picard, eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet der Emotionserkennung, sieht in dem Verfahren der Samsung-Gruppe einen neuen Ansatz, den man weiterverfolgen sollte. „Es gibt einen großen Bedarf an Technologien, mit deren Hilfe Unternehmen auf die Gefühle ihrer Kunden eingehen können“, sagt die Leiterin der Affective Computing Research Group am MIT. „Zu erkennen, wann ein Kunde interessiert oder gelangweilt, verwirrt oder erfreut ist, markiert einen wichtigen ersten Schritt dahin, ihn mit Respekt zu behandeln.“ (nbo)