Spiegelreflex gegen Systemkamera

Fujifilm stellt eine Leica für den Mittelstand vor. Aber die Platzhirsche der Fotografie versuchen, ihre Spiegelreflexkameras gegen den Angriff der Systemkameras zu retten. Ich wette, sie werden es auf Dauer nicht durchhalten.

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Von
  • Martin Kölling

Fujifilm stellt eine Leica für den Mittelstand vor. Aber die Platzhirsche der Fotografie versuchen, ihre Spiegelreflexkameras gegen den Angriff der Systemkameras zu retten. Ich wette, sie werden es auf Dauer nicht durchhalten.

Wow, dachte ich heute. Die US-Konsumelektronikmesse CES hat ja für Fotografen echt etwas tolles gebracht: Fujifilm stellte mit der X-Pro 1 seine erste spiegellose Systemkamera vor, die ich mal salopp als Leica für den Mittelstand bezeichne. Großer Sensor, manuelle Blendeneinstellung am Objektiv, großer Scharfstellring und der tolle Hybridsucher aus der X100, der einen optischen und einen elektronischen Sucher vereint. Ich könnte mir vorstellen, dass Leicas angekündigter Vorstoß in das Segment genauso aussieht, nur mit einem roten Punkt auf dem Gehäuse. Doch umso mehr war ich von Canons Reaktion auf die neue Herausforderung der Spiegellosen enttäuscht - und zwar ähnlich wie von Nikon vor ein paar Monaten. Die beiden Platzhirsche verweigern sich mit durchaus interessanten Produkten (aber entgegensetzten Methoden) dem Trend zu spiegellosen Spiegelreflexkameras.

Nikon spendierte seinen Vorstößen in das Segment der Spiegellosen (der J1 und der V1) nur einen relativ kleinen Sensor. Der soll zwar tolle Bilder machen. Aber im Prinzip ist fast alles scharf. Wer ein bisschen mehr Kontrolle über Tiefenschärfe haben will, soll gefälligst weiter brav Nikons Spiegelreflexkameras kaufen, ist die Botschaft. Canon hingegen gibt seinem Neuling, der G1 X, zwar einen großen Sensor mit. Er ist sogar einen Tick größer als der MicroFourThird-Sensor von Olympus und Panasonic und nur ein wenig kleiner als der von Canons Spiegelreflexkameras. Aber es gibt keine Wechselobjektive, sondern nur einen fest eingebauten Vierfach-Zoom (Weitwinkel bis leichtes Tele). Canon meint also, dass ihre Kunden keine kleineren Kameras mit Wechselobjektiven wollen. Ok, die Bildqualität dürfte erhaben sein. Aber dafür ist die Strategie umso trauriger: Wie schon bei Nikon scheint der größte Sinn der Kamera zu sein, den Spiegelreflexverkäufen nicht weh tun. Beide setzen offenbar darauf, dass sie allein mit ihrer Marktmacht verhindern können, dass Spiegelreflexkameras zu einem Nischenprodukt werden.

Ich finde das nicht nur langweilig. Die Strategie ist auch riskant. Denn wenn ihr Kalkül nicht aufgeht, laufen Canon und Nikon Gefahr, erst zu einem Zeitpunkt in den Markt einsteigen zu müssen, an dem ihre Rivalen schon riesige Objektivarsenale aufgebaut haben. Und ich bin immer noch überzeugt, dass sie früher oder später nachziehen müssen. Denn wie ich schon an anderer Stelle schrieb, werden die Systemkameras in Japan wahrscheinlich schon in diesem Jahr die Spiegelreflexkameras entthronen. Auch in Europa wächst ihr Marktanteil

Und er wird noch weiter wachsen, wenn sich erst herumspricht, dass die neuen Kameramodelle der bisherigen vier großen Player Olympus, Panasonic, Samsung und Sony – und nun auch Fujifilm – qualitativ mindestens mit den Nicht-Profi-Spiegelreflexkameras von Canon und Nikon gleichgezogen und sie teilweise sogar überholt haben. Sie sind eben nicht nur kleiner, sondern der Autofokus arbeitet auch schneller und genauer. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Vielleicht können die Kamera-Dinos den Trend ja wirklich aussitzen. Aber ich wette dagegen. (bsc)