Zwischen TV und Tablet

Was im Januar auf der CES zu sehen ist, steht zum Jahresende in den Geschäften. Diese einfache Formel erklärt, warum die jährlich in Las Vegas stattfindende Unterhaltungselektronik-Messe für Technik-Fans so spannend ist.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Nico Jurran
Inhaltsverzeichnis

Die Consumer Electronics Show (CES) ist ein Erfolgsmodell: In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Messe in ihrer Größe verdoppelt, immer wieder konnte der Veranstalter CEA (Consumer Electronics Association) neue Besucherrekorde feiern. Die in der Zwischenzeit ebenso auf einen jährlichen Turnus umgestellte IFA steht dazu nicht in Konkurrenz: In Las Vegas gibt es Ankündigungen, Allianzen und einige Prototypen. In Berlin werden zum anstehenden Weihnachtsgeschäft dann die Seriengeräte gezeigt.

Wie die IFA beschränkt sich die CES schon längst nicht mehr auf klassische Unterhaltungselektronik. Auch die neuesten Notebooks, Tablets und Smartphones werden hier inzwischen ganz selbstverständlich präsentiert. Sogar die Autobranche hat die CES als Podium entdeckt – trotz parallel stattfindender Detroit Motor Show. Im Vorjahr beeindruckte Audi als erster deutscher Autohersteller mit einer CES-Keynote; in diesem Jahr war Dieter Zetsche an der Reihe, der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG.

Doch das Bild von der branchenübergreifenden Megamesse hat in diesem Jahr Risse bekommen. Nicht nur PC-Schwergewicht Dell blieb fern. Microsoft, deren traditionelle Eröffnungsansprache bisher als offizieller Startschuss galt, verkündete zumindest temporär seinen Abschied von der CES. Die Redmonder pochen weiterhin auf ihre Führungsrolle im Consumer-Markt und nennen „terminliche Probleme“ als Grund für den Abgang. Ganz aus der Luft gegriffen dürfte das nicht sein: Microsofts lange Produktzyklen passen tatsächlich nicht zu den Staccato-Veröffentlichungen der Unterhaltungselektronik-Hersteller. Gary Shapiro, Präsident des Messeveranstalters CEA, blieb da nichts anderes übrig, als zu beteuern, dass es sich sicherlich nur um eine „Pause“ handele – und man in Zukunft bestimmt wieder eine Microsoft-Führungskraft auf der Bühne sehen werde.

Auf Microsofts vorerst letzter CES-Keynote schlug Steve Ballmer ruhigere Töne an – hatte aber auch nicht viel Neues zu berichten.

Das Highlight der vorerst letzten Rede von Microsoft-CEO Steve Ballmer war ein Ausblick auf kommende Enwicklungen bei der Kinect-Kamera: So sollen Kinder in den USA künftig eine interaktive Version der Sesamstraße auf der Xbox abrufen können, bei der die kleinen Zuschauer den Figuren eine bestimmte Anzahl von Gegenständen zuwerfen müssen – und so Spaß am Zählen entwickeln. Laut Steve Ballmer sei dies der erste Schritt zu einem ganzheitlichen Unterhaltungsprogramm mit Kinect-Unterstützung. Weiterhin gab der CEO bekannt, dass die Kinect ab dem 1. Februar auch offiziell in einer Version für Windows-PCs erhältlich sei – einschließlich passender Anwendungen etwa von Mattel, Boeing, Toyota, American Express, Unilever und Siemens. Details zu den Programmen nannte Ballmer jedoch nicht. Die PC-Version der Kinect wird nicht zur Xbox kompatibel sein.

Ansonsten sollten die US-Medien, die von Ballmers letztem Auftritt vor allem eine Art Zusammenfassung der vergangenen Jahre erwartet hatten, Recht behalten. Ballmer wies darauf hin, dass Microsofts App-Store für Windows 8 Ende Februar seine Pforten öffnet – vom Start an mit Apps in über 120 Sprachen. Zur gleichen Zeit solle auch die nächste Vorabversion von Windows 8 zum freien Download zur Verfügung gestellt werden. Er versprach, Windows 8 werde auf jedem PC laufen, der für Windows 7 geeignet ist.

Das Ultrabook-Lager zeigte sich von den Abgängen auf der CES indes gänzlich unbeeindruckt: Intel will für die Produktkategorie die größte Marketingkampagne seit Centrino aufziehen. Mehr als 75 Ultrabooks sollen in diesem Jahr erscheinen – und zwar nicht nur wie bisher mit 11- und 13-Zoll-Display, sondern mit bis zu 15 Zoll. Gimmicks wie NFC, Spracherkennung, Neigesensoren, durchsichtige Touchpads und Touch-Displays sollen die Enwicklung vorantreiben. Was davon in den kommenden Monaten den Weg in die Läden findet und was eher als Technik-Demo oder Spielerei zu betrachten ist, haben wir ab Seite 30 zusammengefasst.

Wie bereits im vergangenen Jahr bildeten Tablets einen der großen Trends – wobei Modelle mit Full-HD-Display im Mittelpunkt standen. Aber auch Speziallösungen sind inzwischen zu finden – wie Panasonics Android-Modelle Toughpad A1 mit 10-Zoll-Display (Listenpreis 1300 US-Dollar) und das kleinere B1 mit 7-Zoll-Bildschirm (noch ohne Preis), die auch Stürze aus einer Höhe von 1,20 Meter unbeschadet überstehen sollen. Asus zeigte mit dem Padfone ein Tablet, das von einem herausnehmbaren Android-Smartphone angetrieben wird. Ausführliche Informationen gibt es erst auf dem Ende Februar stattfindenden Mobile World Congress in Barcelona.

Im Lager der typischen braunen Ware übte ausgerechnet ein CEA-Analyst Kritik mit seiner These, 2012 werde das Jahr des Interfaces: Tatsächlich würden die Unterhaltungselektronik-Hersteller zwar ständig neue Produkte entwickeln, die Bedienbarkeit bleibe dabei aber sehr häufig auf der Strecke. Besonders die sogenannten Smart-TVs, also Fernseher mit Internet-Funktionen, ließen sich bislang nur sehr quälend bedienen. Als positives Beispiel wurde LGs Magic-Wand-Fernbedienung genannt, die ähnlich wie Nintendos Wii-Controller Bewegungen auswertet. Und dennoch: Von der Benutzerfreundlichkeit aktueller Smartphones und Tablets sind die Smart-TVs noch meilenweit entfernt.

Dass in Las Vegas nun gleich eine ganze Reihe von Firmen Lösungsvorschläge für eben dieses Problem zeigte, dürfte weder an der Kritik seitens der CEA noch an plötzlicher Einsicht liegen. Vielmehr schwebt der Apple-Fernseher wie ein Damoklesschwert über den Herstellern: Auch wenn niemand weiß, was man konkret von einem solchen Gerät erwarten darf, gehen doch viele schon wegen der Aussagen des verstorbenen Apple-CEOs Steve Jobs in dessen offizieller Biografie ganz selbstverständlich davon aus, dass es gerade in Sachen Bedienung Maßstäbe setzen wird. Und so präsentierten unter anderem LG und Samsung Modelle, die sich mit Gesten steuern lassen und gesprochene Befehle verstehen sollen (beispielsweise bei der Texteingabe im Online-Portal) – Siri lässt grüßen.

Die Entwickler der TV-Version von Ubuntu preisen an ihrem Betriebssystem vor allem an, dass es herstellerunabhängig sei. Einen weitergehenden Zugriff wollen sie dem Anwender jedoch nicht ermöglichen.

Viele Anwender würden sicherlich ein offenes Betriebssystem auf Fernsehern begrüßen, das mehr Freiheiten bei der Gestaltung der Bedienoberfläche bietet – ein Konzept, das bei DVB-Receivern ja bereits durchaus erfolgreich ist. Folglich keimten entsprechende Hoffnungen auf, als Canonical auf der Messe „Ubuntu TV“ präsentierte – eine Variante des Betriebssystems, die sogar einen Film-Shop enthält. Bei näherer Betrachtung handelt es sich aber nicht um ein offenes Linux, sondern ein geschlossenes System.

Auch Opera will auf den Fernseher: Pünktlich zur CES öffnete Opera die Pforten seines „TV Store“ für HTML5- und CE-HTML-Apps für vernetzte Fernseher, Blu-ray-Player und Settop-Boxen. Im vergangenen Jahr hatte der norwegische Browser-Hersteller das Opera Devices SDK vorgestellt. Damit lassen sich Web-Apps entwickeln, die man bequem von der Couch aus mit der Fernbedienung steuern kann. Google versucht unterdessen einen Neustart mit Google TV: Nachdem das TV-Betriebssystem im vergangenen Jahr in den USA so viele Probleme hatte (unter anderem mit Rechteinhabern), dass Logitech und Intel absprangen, hat das Unternehmen nun Partner für einen zweiten Versuch gewinnen können: LG, Samsung und Sony wollen Google TV künftig in ihre Geräte integrieren. Wie die Pläne im Einzelnen aussehen, erläutern wir ab Seite 20.

Bei großen Entwicklungssprüngen klappt es mit der Serienfertigung nicht immer so schnell wie zunächst erhofft: OLED geistert bereits seit Jahren als immer wieder neues Thema über die CES. Bezahlbare Geräte sucht man im Handel aber vergeblich. In diesem Jahr zeigen LG und Samsung hingegen endlich knackscharfe 55-Zöller. Die Vorteile der OLED-Technik nutzen die Hersteller allerdings unterschiedlich aus. Mehr dazu im folgenden Artikel.

Anstehen für 4K: An mehreren Ständen konnte man einen Blick auf die Zukunft der Displaytechnik werfen – wenn man genug Geduld hatte.

Nach Ansicht von Experten werden sich die Hersteller auch beim nächsten großen Trendthema „4K“ mächtig strecken müssen, um die auf der CES 2012 gezeigten Prototypen mit Auflösungen von bis zu 4096 x 2160 (4K) Bildpunkten bald in die Läden bringen zu können. Doch wozu überhaupt 4K? Zum einen bietet sich die gegenüber 1080p vierfache Auflösung für Projektionen und Großbildschirme an.

Dabei bleibt allerdings die Frage nach passendem 4K-Videomaterial, nach geeigneten Zuspielern und sogar nach einer fehlerfrei funktionierenden Verbindung zwischen Player und Display (siehe S. 26). Andererseits können 4K-Panels bereits bei der Wiedergabe von stereoskopischen Filmen interessant sein, da sie dank der doppelten Zeilenzahl gegenüber 1080p den Bau von 3D-Fernsehern ermöglichen, die auch mit passiven Brillen die volle HD-Auflösung zeigen. Auch für die nächste CES dürfte den Herstellern also nicht der Stoff ausgehen – ob Microsoft nun mit von der Partie ist oder nicht.

Mehr Infos

CES-Neuheiten

Artikel zum Thema "CES-Neuheiten" finden Sie in c't 3/2012:

  • Unterhaltungselektronik-Stelldichein in Las Vegas - Seite 18
  • Neue TV-Bedienkonzepte, 55"-OLED-Display, 3D - Seite 20
  • Technik und Vertriebswege für Filme in 4K-Auflösung - Seite 26
  • Camcorder und Digitalkameras - Seite 28
  • Billige 3D-Drucker für jedermann - Seite 29
  • Notebooks, Smartphones, Tablets - Seite 30

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