Software AG: Die "IT-Perle aus Hessen" verliert an Glanz

Wie kann man seriöser Weise sagen, dass man bis zum Jahr 2020 seinen Umsatz verfünffachen will, wenn man noch nicht einmal in der Lage ist, die Geschäftsentwicklung für die nächsten drei Monate richtig vorauszusagen? Die Frage geht an Karl-Heinz Streibich, den Vorstandschef der Software AG.

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Von
  • Damian Sicking

Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG

(Bild: Software AG)

Lieber Karl-Heinz Streibich, Vorstandschef der Software AG,

in der vergangenen Woche meldeten sich die beiden größten deutschen Softwarehersteller mit Angaben zum Geschäftsergebnis 2011 zu Wort. Die Unterschiede hätten größer kaum sein können. Während man bei der Nummer 1, der SAP aus Walldorf, über neue Rekorde jubelte, gab es nur wenige Kilometer entfernt bei der Software AG in Darmstadt lange Gesichter. Denn vor allem aufgrund eines unerwartet schwachen vierten Quartals blieben Sie deutlich unter Ihren Erwartungen. Statt des geplanten Umsatzzuwachses wird die Software AG im besten Fall das Umsatzniveau des Vorjahres von 1,1 Milliarden Euro halten können.

Ein schwerer Rückschlag! Vor allem auch vor dem Hintergrund Ihres Plans, bis zum Jahr 2020 den Umsatz auf fünf Milliarden Euro zu verfünffachen. Wenn Sie in diesem Tempo "weiterwachsen", wird da nichts draus. Und man muss sich sogar fragen, was von Ihrer "Vision 2020" zu halten ist. Denn wenn es Ihnen nicht einmal gelingt, die Geschäftsentwicklung für die nächsten drei Monate vorauszusehen, wie viel wert ist dann eine Aussage über die Entwicklung in den nächsten acht Jahren?

Denn auch Sie, lieber Herr Streibich, wurden von dem ausbleibenden Geschäft vor allem in den USA im Schlussquartal 2011 kalt erwischt. Eigentlich wurden alle kalt erwischt, nicht zuletzt die Börsenanalysten. Noch kurz vor der Bekanntgabe Ihres Q4-Ergebnis am Montag voriger Woche gab es ausgesprochen optimistische Stimmen von Börsenanalysten. Sie hatten sogar mit besseren Geschäften als im vergleichbaren Vorjahresquartal gerechnet und entsprechend höhere Kursziele vorausgesagt. Als dann die bittere Wahrheit ans Licht kam, brach der Aktienkurs binnen Stunden um über 20 Prozent ein.

Man muss sich wirklich fragen, wie voraussagefähig das Geschäftsmodell der Software AG überhaupt ist. Denn schon Mitte vergangenen Jahres hatte die "IT-Perle aus Hessen" (Wirtschaftswoche, Juli 2011) mit einem überraschenden Umsatzrückgang im zweiten Quartal für eine kräftige Enttäuschung gesorgt. Dass die Software AG Ende 2011, also just in dem Quartal, in dem der Umsatz erneut wegbrach, für ihre internationale Wachstumsstrategie mit dem European Business Award ausgezeichnet wurde, bestätigt die Vermutung des grundsätzlichen Prognoseproblems.

Lieber Herr Streibich, Mitte vergangenen Jahres veröffentlichte die Wirtschaftswoche (Wiwo) einen Jubelartikel über Sie und die Software AG. Titel des Beitrags: "Die Software AG macht Dampf". Gut, Dampf, kann man sagen, das ist ja irgendwie auch nichts anderes als "heiße Luft". Der Wiwo-Autor schrieb damals, dass die Software AG für all das stehe, "was Anleger an IT-Unternehmen besonders lieben", nämlich vor allem die enorme Wachstumsdynamik. Heute muss man ergänzen, dass die Software AG für all das steht, was Anleger an Unternehmen am meisten hassen, nämlich das Verfehlen ihrer Prognosen.

Lieber Herr Streibich, in demselben Wiwo-Artikel werden Sie mit dem Satz zitiert: "Wir arbeiten bereits heute an der Struktur, bis 2020 rund fünf Milliarden Umsatz zu erzielen." So ein Satz klingt natürlich beeindruckend, und das ist vermutlich auch der Grund, weshalb die Wiwo ihn sogleich auch noch in einem weiteren Artikel über die Software AG gebracht hat. Auch Anleger mögen solchen Sätze. Im Kern aber sind sie nur Show. Und wenn, wie jetzt zu beobachten, die Wirklichkeit solche Aussagen konterkariert, dann schaden sie eher, als dass sie nützen.

In der jetzigen Situation ist es für die Software AG vermutlich besser, statt an nebulösen Strukturen für Wunschschlösser zu arbeiten, die Schwächen des Geschäfts auszumerzen und sich darauf zu konzentrieren, eine stabile und konstante Geschäftsentwicklung zu erzielen. Die USA-Aktivitäten zum Beispiel scheinen ja derzeit die Achillessehne der Software AG zu sein. Analysten sprechen von einer "Fehlausrichtung des US-Geschäfts". Dass Sie, lieber Herr Streibich, angekündigt haben, jetzt Ihr Augenmerk nach Amerika richten und dort die Software AG besser aufzustellen, läßt hoffen. Ein bisschen jedenfalls.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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