Das Phänomen der High Sensitive Persons

Viele Mitarbeiter, bei den die Diagnose Burnout gestellt wird, sind nicht krank, sondern hochsensibel. Für Arbeitgeber, die das wissen, sind "High Sensitive Persons" kein Problem, sondern eine Bereicherung.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Thema Burnout ist in aller Munde und auch die Frage, warum ein Mensch davon betroffen ist und der andere nicht, wurde schnell geklärt: Eine Arbeit, die mit Sinn erfülle, führe nur selten zum "Ausbrennen", so die gängige Erklärung. Wer das Gefühl hat, seine Arbeit frei gestalten zu können und etwas sinnvolles zu tun, erkranke nicht daran. Nun warten Psychologen aber auch mit einer anderen Erklärung auf, die ebenfalls sehr einleuchtend ist. So wird bei vielen Menschen ein Burnout diagnostiziert, obwohl die Ursache ihrer Überlastung woanders liegt: Sie gehören zu den "High Sensitive Persons", kurz HSP genannt.

In Deutschland ist das Phänomen der breiten Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Das dürfte sich allerdings bald ändern, denn nachdem sich immer mehr Wissenschaftler ernsthaft mit dem Thema befassen, greifen auch die Medien es auf. Über das Thema Burnout ist nun wirklich alles geschrieben worden. Warum so viele Menschen daran erkranken, obwohl wir im Durchschnitt deutlich weniger Zeit mit Arbeit verbringen, als z.B. noch vor 100 Jahren, konnte aber bisher niemand erklären. Nun gibt es eine Erklärung: HSP. Nicht die Arbeitsbelastung ist das Problem, sondern die vielen Reize der modernen Welt. Eine Erklärung, die den Meisten von uns einleuchtet. Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis das Thema genauso "populär" wird, wie der Burnout.

Doch auch wenn HSP bisher eher in der Esoterikszene bekannt war und Betroffene hier als „Engel der Neuzeit“ oder „Wächter der Menschheit“ gehandelt wurden, handelt es sich um eine durchaus ernste Angelegenheit. Denn diese Hochsensibilität hat nichts mit kosmischen Energien oder göttlichen Fügungen, sondern sehr viel mit einem besonders empfindsamen Nervensystem zu tun.

Wissenschaftler schätzen, dass 8 bis 15 Prozent der Bevölkerung HSPs sind. Menschen, die visuelle Eindrucke, Geräusche, Gerüche und auch Emotionen besonders deutlich wahr nehmen. Man könnte es auch anders formulieren: Ihr "Filter", der nur bestimmte Informationen ins Gehirn bzw. ins Bewusstsein lässt, ist deutlich durchlässiger, als der einer normalen Person. Sie stoßen schneller an ihre Grenzen, die Leitungen sind überlastet. Entsprechend schnell leiden solche Menschen dann auch an einer Reizüberflutung und reagieren z.B. auch deutlich sensibler auf Kritik. Kein Wunder also, dass diese Menschen sich viel öfter ausgebrannt fühlen, als der Rest der Bevölkerung. Entsprechend häufig diagnostizieren Ärzte dann auch Burn-Out, Angststörungen oder gar eine soziale Phobie, obwohl es sich "nur" um eine Hochsensibilität des Nervensystems handelt.

Abstellen kann man diese Sensibilität übrigens nicht, man muss lernen, damit zu leben. Das gilt für den Betroffenen und für seinen Arbeitgeber. Tatsächlich sind hochsensible Mitarbeiter ein großer Gewinn für jedes Unternehmen: Zu den typischen Merkmalen dieser Menschen gehört eine große Kreativität und die Kunst, sich sehr intensiv in Themen einzuarbeiten. Zuverlässigkeit und ein gewisser Hang zu Perfektionismus wird ihnen ebenfalls nachgesagt. Und natürlich sind diese Menschen im Umgang mit Kunden besonders empathisch, erfassen deutlich schneller, was der Gegenüber will und meint. Auch die Stimmungen in der Firma erfassen diese Mitarbeiter sehr viel schneller als der Durchschnitt – oder der Chef.

Wer Mitarbeiter mit der Diagnose Burnout vor sich hat, sollte deshalb auch das Thema HSP ins Auge fassen. So würde sich das Problem eventuell schon dadurch lösen lassen, dass der sensible und ansonsten doch sehr erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter in Zukunft nicht mehr im Großraumbüro, sondern in einem kleinen Einzelzimmer arbeiten kann. Ihm einfach nur Kunden abzunehmen, wird das Problem der Reizüberflutung durch die Geräusche der Umgebung nämlich nicht lösen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter: http://www.hochsensibel.org/dokumente/Broschuere.pdf (masi)