Enhanced Science: Wikis für die Wissenschaft

Bundesforschungsministerium stellt erste Projekte zu neuen Formen des vernetzten Wissensmanagements vor.

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Von
  • Richard Sietmann

Vor einem Jahr hatte das Bundesforschungsministerium (BMBF) die deutsche "e-Science"-Initiative ins Leben gerufen; e-Science steht für "enhanced science", und unter diesem Schlagwort fördert das BMBF Entwicklungsaktivitäten mit dem Ziel, eine neue Service-Infrastruktur für die wissenschaftliche Kommunikation und Publikation, Informationsbeschaffung und Teamarbeit in virtuellen Organisationen zu schaffen. Vergleichbare "e-Science"-Programme gibt es in den USA -- dort ist von "Cyberinfrastructure" die Rede -- und in Großbritannien.

Gestern erläuterte die Leiterin des BMBF-Referats "Digitale Bibliothek", Christine Thomas, auf dem "Forum "Wissensvernetzung"" in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften den aktuellen Stand der Initiative. Der mit 100 Millionen Euro dotierte und auf fünf Jahre angelegte Förderschwerpunkt ruht auf zwei Säulen. Im Mittelpunkt der ersten, dem "D-Grid", steht die Entwicklung von Middleware für das Grid-Computing, die kooperative Nutzung von Computer-Ressourcen wie Prozessorleistung, Speicherplatz, Daten und Programme über verteilte Systeme in Hochgeschwindigkeits-Wide-Area-Networks. In diesem Bereich sind, wie gemeldet, bereits fünf Forschungsvorhaben bewilligt worden.

Die zweite Säule steht unter dem Titel "Wissensvernetzung". Gemeint ist der Übergang von digitalen Bibliotheken und elektronischen Publikationen zu virtuellen Informations- und Arbeitsumgebungen: Wissenschaftler sollen sich interdisziplinär über das Internet zu virtuellen Organisationen formieren können. Gefördert werden deshalb Projekte zu neuen Methoden der kooperativen Wissensverarbeitung ähnlich den Wiki-Technologien sowie auf den Bedarf der Forschung zugeschnittene dynamische Informationsdienste und kontextorientierte Zugriffsverfahren.

"Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sollen", so Referatsleiterin Christine Thomas, "e-Science-Dienste künftig so selbstverständlich nutzen können, wie sie heute mit Laborgeräten, Nachschlagewerken oder Informationsdiensten umgehen". Die Vision sei eine digitale Infrastruktur, bei der Rechenleistung, Dienste und Inhalte "quasi wie Strom aus der Steckdose kommen, ohne dass sich die Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz um die technischen Details kümmern müssen".

In dem Bereich "Wissensvernetzung" hat das BMBF aus rund 25 begutachteten Projektvorschlägen jetzt die ersten vier Fördervorhaben bewilligt. So geht es bei "Ontoverse" um den kooperativen Aufbau eines formalen Kategorien-Schemas (Ontologie) in den Biowissenschaften über ein semantisches Wiki. Im Projekt "WisEnt" widmen sich drei Partner der verteilten Datenverarbeitung in der so genannten Energiemeteorologie, der Informationsgewinnung zur Charakterisierung der fluktuierenden Energieerzeugung aus Solar- und Windenergie. Das Ziel von "Wikinger" (Wiki Next Generation Enhanced Repository) ist die Weiterentwicklung der Wiki-Plattform zur wissenschaftlichen Kommunikation und Kollaboration mit einer Pilotanwendung für die zeitgeschichtliche Erforschung des deutschen Katholizismus. Das Projekt "TextGrid" schließlich will durch die Entwicklung von Werkzeugen für das verteilte Arbeiten an wissenschaftlichen Editionen die geisteswissenschaftliche Forschung gridfähig machen.

Daneben fördert das BMBF im Rahmen der "e-Science"-Initiative bereits seit dem vergangenen Jahr die optischen Netztechnologien im Testbed "VIOLA" des Deutschen Forschungsnetzes sowie das Vorhaben "eSciDoc" zum Publikationsmanagement, bei dem die Max-Planck-Gesellschaft und das Fachinformationszentrum Karlsruhe kooperieren. (Richard Sietmann) / (anm)