Kaum Glasfaseranschlüsse in Deutschland

Glasfaser-Internetanschlüsse spielen derzeit in Deutschland kaum eine Rolle, denn nur 0,44 Prozent aller Breitband-Internet-Nutzer verbinden sich per Glasfaserkabel ins Netz. Deutschland gelangt damit nicht einmal in die Statistik des FTTH Councils.

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Von
  • Monika Ermert

Glasfaser-Internetanschlüsse spielen derzeit in Deutschland offenbar kaum eine Rolle: Laut aktueller Zahlen des Fibre to the Home (FTTH) Council verbinden sich nur 0,44 Prozent aller deutschen Breitband-Internet-Nutzer per Glasfaserkabel ins Netz. Deutschland gelangt damit nicht einmal in die Statistik des FTTH Councils.

Die Gründe für das deutsche Schneckentempo bei den Glasfaser-Internetzugängen liegen nach Ansicht der Experten beim "guten deutschen Kupfer" und den bestehenden, lang laufenden Verträgen. Außerdem sei die bei diesem Thema zögerliche Deutsche Telekom auch noch in Glasfasergegner und -Befürworter gespalten. Nicht zuletzt fehle es in Deutschland auch an infrastruktur-politischer Weitsicht. Nach Ansicht des Generaldirektor des FTTH Councils, Hartwig Tauber, führt kein Weg an Glasfaserverbindungen vorbei, da HD-Video und Smart-TVs selbst 100-MBit-Internetzugänge schnell auslasten könnten.

Nicht nur die Breitband-Könige Korea (12 Prozent) oder Japan (26 Prozent), auch andere europäische Länder wie Litauen (8 Prozent) oder skandinavische Länder (etwa Norwegen mit 14 Prozent) lassen den deutschen Glasfasermarkt (0,44 Prozent der Nutzer) weit hinter sich. Selbst ein Land wie Rumänien liegt mit gut einem Prozent vor Deutschland – und das trotz einer ganzen Reihe von Initiativen und Angeboten in deutschen Städten und kleinen Gemeinden. Deutschland werde so, die in der Digitaler Agenda der Europäischen Kommission gesetzten Ziele verfehlen, kommentiert Tauber die Entwicklung, die auch Gegenstand der erstmals in Deutschland gastierenden FTTH Konferenz in München sein wird.

Laut Digitaler Agenda soll bis zum Jahr 2020 jeder Haushalt in Europa einen mindestens 30 MBit/s schnellen Internetzugang nutzen können. Die Hälfte aller europäischen Haushalte soll sogar schon mit 100 MBit/s ins Internet gelangen, wofür man auf Empfehlung der EU-Kommission besonders auf Glasfaserkabel setzen müsse. Doch 2011 hat sich der Zuwachs bei neuen Glasfaseranschlüssen sogar verlangsamt: In der ersten Jahreshälfte 2010 stieg sie noch um 24 Prozent, lag der Zuwachs im ersten Halbjahr 2011 bei nur noch bei 14 Prozent. Demgegenüber schreitet der Glasfaserkabel-Ausbau jedoch weiter noch oben: 2011 verzeichnet der FTTH Council ein Plus an 26 Prozent bei den anschlussfähigen Haushalten (2010 12,5 Prozent).

Insgesamt hinkt Europa weiter hinter anderen Regionen her, insgesamt 4,6 Millionen Nutzer in Europa stehen 46 Millionen in Asien und 9,5 Millionen in Nordamerika gegenüber. Selbst in Russland werde kräftig in Glasfasernetze investiert, dort sind laut FTTH Council 5,6 Millionen Nutzer auf die schnellen Leitungen umgestiegen.

Unbeirrt auf die Glasfaser setzt das Münchner Stadwerke-Unternehmen MNet, das damit als würdiger Gastgeber für die FTTH-Konferenz fungiert. Bis Ende 2011 hat MNet bereits ein Viertel aller innerstädtischen Haushalte innerhalb des Mittleren Rings angeschlossen. Bis 2014 will MNet den gesamten Bereich ans Glasfaser-Netz hängen und damit die Hälfte aller Münchner Wohneinheiten bedienen.

Danach soll es mit den Gebieten außerhalb des Mittleren Rings weitergehen. Jörg Ochs, Leiter Telekommunikation bei den Münchner Stadtwerken (SWM) bezifferte das Ausbautempo: "Wie erschließen jährlich 8000 Gebäude und verlegen 2400 Kilometer Leitungen mit insgesamt 80.000 Kilometern Glasfaser. Das ist der zweifache Erdumfang." Rund 50 Baukolonnen buddeln sich dabei gleichzeitig durch rund 200 Kilometer Münchner Innenstadt. Aktuell seien es vor allem lokale Energieversorger, die solche Projekte voran trieben. Auf andere Anbieter müssten jedoch Städte setzen, die ihre Energieversorgung verkauft hätten. Für börsennotierte Unternehmen seien die langen Laufzeiten jedoch abschreckend.

Momentan greifen viele kleine Gemeinden "regelrecht zur Selbsthilfe", erläutert Tauber. Über groß angelegte Kampagnen holt man sich dort 70 oder noch mehr Prozent der Bürger-/Kundschaft ins Boot und startet dann den Glasfaser-Ausbau. Beispiel dafür sind Oberhausen an der Donau, Schwerte oder die Schwarzwaldgemeinde Sasbachwalden. Laut Tauber gibt es erste Zahlen, dass ländliche Glasfasernetze zu wirtschaftlichem Aufschwung und einem Eindämmen der Landflucht geführt hätten.

Vom Regulierer wünscht man sich beim FTTH Council ein Umdenken in Bezug auf Infrastruktur-Investitionen. Niemand stelle eine 10-Milliarden teure Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahn oder eine neue Autobahntrasse in Frage, doch für dasselbe Geld ließen sich auch riesige Flächenländer an die Glasfaserinfrastruktur anschließen. Bei der EU-Kommission werbe man aktuell daher dafür, den im Gemeinschaftsbudget 2014-2020 vorgesehenen Betrag von 9,2 Milliarden Euro für den Breitbandausbau nicht zu kürzen wie es Vertreter der "Straßen- und Schienenlobby" nach Aussage von Tauber fordern. (rek)