Datenschützer befürchtet Gewöhnung an engmaschiges Überwachungsnetz

Weniger Datenschutz führe nicht etwa zu einer Vereinfachung komplizierter Geschäftsprozesse, meint der bayerische Datenschutzbeauftragte, der in geplanten großen Datenbeständen eine neue Qualität des "über die Bürger gestülpten Datenkäfigs" sieht.

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Von
  • Jürgen Kuri

"Ich habe einen Traum ...": Gäbe es den Datenschutz nicht, wären Überwachung und Kontrolle der Bürger noch schlimmer, als sie schon seien. Komplizierte Geschäftsprozesse würden dennoch nicht einfacher werden, in Wirklichkeit sogar noch problematischer, hält der bayerische Datenschutzbeauftragte Karl Michael Betzl in seinem Tätigkeitsbericht 2005/2006 fest. "Wir gewöhnen uns allmählich an das immer engmaschiger werdende Überwachungsnetz. Hier sollten wir innehalten und uns fragen, wie viel Überwachung und Gängelung wir uns gegenseitig antun wollen."

Unter anderem beklagt Betzl, dass geplante große zentrale Datenbestände wie JobCard, elektronische Gesundheitskarte, Schülerdatenbank, Antiterror-Datei et cetera eine "neue Qualität des über den Bürger gestülpten Datenkäfigs" darstellten. All diese Datenbestände und Maßnahmen wie beispielsweise die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten böten die Möglichkeit zu den unterschiedlichsten Rasterungen und Profilbildungen. Auch müssten Videoaufzeichnungen von Versammlungsteilnehmern nicht nur das informationelle Selbstbestimmungsrecht beachten, "sie dürfen insbesondere im Ergebnis nicht zu einer Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit führen".

Es zeige sich zudem immer wieder, dass in den politischen Diskussionen zu den Beschlüssen über solche Datensammlungen "absolute Vertraulichkeit und strikteste Zweckbindung" zugesichert werden, um die Akzeptanz für den Aufbau der Datenbestände zu fördern. "Schon die Diskussion um die Verwendung der Daten des Mautsystems zeigt aber, dass die Halbwertszeit solcher Zusicherungen sehr gering ist", schreibt Betzl den Politikern und Strafverfolgern ins Stammbuch. Eine Sicherheit, dass bei solchen Datenbeständen die ursprüngliche Zweckbindung dauerhaft aufrechterhalten bleibe, gebe es daher nicht.

Neben den Aktivitäten von Strafverfolgern und Terrorbekämpfern moniert Betzl unter anderem "eine bedenkliche Tendenz" im Sozialbereich , zunehmend Daten betroffener Bürger zu erheben. Auch geriet beispielsweise die GEZ als Einzugsstelle für die Rundfunk- und Fernsehgebühren ins Visier des bayerischen Datenschützers: Leider müsse er den Bürgern, die besorgt Anfragen an ihn richteten, immer mitteilen, dass er für die Kontrolle des Datenschutzes bei der GEZ nicht zuständig sei. Dabei gebe es immer mehr Anfragen von Bürgern, wie die GEZ an ihre Daten gekommen sei. Betzl hält es für erforderlich, "nach einer Gebührenstruktur zu suchen, die die Datenerhebungen und die Kontrolltätigkeit der GEZ auf ein für die Bürger erträgliches Maß zurückschraubt". (jk)