US-Senat verschiebt Abstimmung über Zensurgesetz

Nach den heftigen Internetprotesten am Mittwoch hat der Mehrheitsführer im US-Senat beschlossen, die für Dienstag geplante Abstimmung über ein umstrittenes Copyright-Gesetze zu verschieben.

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Die für den kommenden Dienstag vorgesehene Abstimmung des US-Senats über den umstrittenen Gesetzesvorschlag Protect IP Act (PIPA) ist bis auf Weiteres verschoben worden. "Im Lichte der jüngsten Ereignisse habe ich entschieden, die Abstimmung am Dienstag zu verschieben", teilte der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid am Freitag mit. Bei den "jüngsten Ereignissen" dürfte es sich auch um die erfolgreichen Proteste zahlreicher Websites vom vergangenen Mittwoch handeln. Zuvor war bereits ein ähnlicher Vorstoß im US-Repräsentantenhaus (SOPA) auf die lange Bank geschoben worden.

Am Mittwoch hatten zahlreiche bekannte Websites gegen die auch in der Internetwirtschaft heftig umstrittenen Gesetzesvorhaben protestiert. Unter anderem die englischsprachige Wikipedia blieb am "Blackout Day" gleich ganz schwarz. Andere Websites wie Googles Suchmaschine oder die Blog-Plattform Wordpress zeigten ihren Widerstand auf andere Weise. Die Netzgemeinde protestiert gegen die Pläne des Kongresses zum Schutz der Urheberrechte, weil die Gesetze ursprünglich auch Netzsperren auf DNS-Ebene gegen ausländische Websites in Stellung bringen wollten. Auch die US-Regierung hat die Vorhaben kritisiert.

Zwar sind die DNS-Sperren inzwischen offenbar kein Thema mehr. Doch sehen vollkommen legale Unternehmen der Internetwirtschaft in den Vorhaben trotzdem weiter eine existenzielle Bedrohung ihrer Geschäftsmodelle. Die Gesetze sollen der Unterhaltungsindustrie und anderen Rechteinhabern weit reichende Möglichkeiten geben, auch gegen Plattformen vorzugehen, die Rechtsverletzungen "ermöglichen" oder "erleichtern". So könnten sie eine richterliche Anordnung erwirken, die den Zahlungsverkehr der betroffenen Seiten lahmlegt. Mit so schwammigen Formulierungen, fürchten die betroffenen Unternehmen, würden die im US-Copyright geregelten Haftungsprivilegien von Diensteanbietern ausgehebelt.

Auch die für Internetpolitik zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes hat die geplanten US-Gesetze zu Netzsperren scharf kritisiert. "Ich bin froh, dass sich eine Kehrtwende ankündigt bei SOPA: Wir brauchen keine schlechte Gesetzgebung, wir sollten besser die Vorteile eines offenen Internets bewahren", erklärte sie am Freitag über Twitter. "Die Kommission wird niemals sagen, dass Raubkopieren in Ordnung geht", erläuterte Kroes' Sprecher. "Zusätzlich zur Strafverfolgung, die sehr wichtig ist, müssen wir aber die Anzahl legal erhältlicher Inhalte erhöhen."

Der maßgeblich hinter den Vorhaben steckenden US-Unterhaltungsindustrie schmeckt die Entwicklung derzeit gar nicht. Der Vorsitzende des US-Verbands der großen Filmstudios MPAA Chris Dodd zeigte sich gegenüber der New York Times überrascht, wie schnell sich für SOPA und PIPA der Wind gedreht hatte. Offenbar war die Rechteinhaber-Lobby der Ansicht, die Gesetzesvorhaben würden leicht durch den Kongress kommen. Er habe in vierzig Jahren nicht erlebt, dass sich ein Vorhaben mit weitreichender Unterstützung in beiden Kammern in letzter Minute so dramatisch wendet. Jetzt spricht Dodd von Erkenntnissen, die daraus zu ziehen sind, und bietet der Internetwirtschaft Gespräche an. (vbr)