Die ARM-Story

`Ich gab Ihnen zwei Dinge, die National, Intel und Motorola ihren Design-Teams niemals gegeben haben: erstens kein Geld und zweitens keine Leute´. Doch Acorn-Gründer Hermann Hauser vergaß seinem stolz verkündeten Erfolgsrezept noch hinzuzufügen `und drittens keine Zeit´ – denn für den wichtigsten Job der Acorn-Firmengeschichte hatten seine Entwickler gerade mal eine lächerliche Frist von vier Tagen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Wohl nur wenige der Ingenieure, die auf dem letztjährigen Embedded Forum im Sommer 2001 den detaillierten Ausführungen der Broadcom-Chefarchitektin Sophie Wilson zum Firepath-Prozessor lauschten, wussten, dass Sophie einst als Direktorin von Eidos Lara (`Hannelore´) Croft mit aus der Taufe gehoben hatte, in ihrem `früheren Leben´ einmal ein Mann war und Roger hieß und als das Hirn der Firma Acorn und der ARM-Architektur gilt. Gerade mal zwanzigjährig hatte Roger/Sophie einen entscheidenden Beitrag zur Firmengeschichte geliefert ... doch der Reihe nach.

Die Firma Acorn wurde am 5. Dezember 1978 in Cambridge von zwei Freunden mit einer Firmeneinlage von je 100 Pfund in der Küche gegründet: dem Wiener Physiker Hermann Hauser, der in Cambridge über Computersimulationen chemischer Reaktionen promoviert hatte und anschließend im Cavendish Laboratory weiter arbeitete, und dem Sinclair-Mitarbeiter Chris Curry.

Curry war für das Marketing beim Technologie-Guru Clive Sinclair verantwortlich, hatte aber andere Vorstellungen über die Gestaltung der anstehenden Heimcomputer als sein Chef und auch über den Umgang mit externen Entwicklern.

Der später zum Ritter geschlagene, für seine Spontanität bekannte Sir Clive Sinclair war ob dieser Abtrünnigkeit seiner `rechten Hand´ wenig erbaut. Sein Missmut entlud sich einige Jahre später im dann schon tobenden erbitterten Konkurrenzkampf - nach einer Anzeigen-Kampagne von Curry gegen seinen Sinclair ZX-Spectrum - in einer handfesten Prügelei. In ihrer gemeinsamen Stammkneipe `Baron of Beef´ schlug er empört auf Curry ein.

Curry und Hauser wollten vor allem eine britisch/österreichische Antwort auf das amerikanische `Steve(n)-Gespann´ Jobs und Wozniak geben, deren Garagenfirma Apple Ende 1978 gerade mit ihrem Siegeszug begann. Auf jeden Fall sollte Curry/Hausers Firma im Telefonbuch vor Apple stehen und so wurde eine andere Baumfrucht, nämlich Acorn (`Eichel´), als Firmenname auserkoren, oder genauer Acorn-CPU für `Cambridge Processor Unit´.

Für eine eigene Produktion reichte es bei der 200-Pfund-Firma nicht, aber Curry brachte viel Erfahrung mit Mailordering ein, sodass die Zwei-Mann-Company recht einfach Bausätze zusammenstellen und verkaufen konnte. Ein fähiger Tüftler namens Chris Turner gesellte sich hinzu, aber es mangelte zunächst an dem zündenden Produkt. Sie bastelten an einem Spielautomaten und einigen einfachen Designs. Da traf es sich, dass Roger Wilson, ein Undergrade-Cambridge-Student, mit einem fertigen System-Design im Kopf an sie herantrat, ein Rechner mit Mostek-6502-Prozessor, 256 Byte Speicher, 512 Byte ROM, einer Hexadezimal-Tastatur und kleinem Display - ähnlich übrigens einem kleinen Ein-Platinen-Computer namens Set65, der einige Jahre später als c't-Bastelprojekt vorgestellt wurde.

Hauser zauderte zunächst, mit der Hardware sei es nicht getan, man habe weder Betriebssystem noch BIOS noch Debugger, doch Wilson erwiderte, er habe die Systemsoftware schon geschrieben und einen Debugger brauche er nicht: seine Software sei `von Anfang an korrekt programmiert´. Dieser berühmt gewordene Satz zeugte wahrlich nicht von mangelndem Selbstbewusstsein und er erwies sich überdies als - fast - richtig. Zwei Winzfehler konnten in Minutenschnelle behoben werden, dann war das Produkt als System 1 `ready for Market´ und wurde trotz Hex-Tastatur zum Renner - als Bausatz für 69 Pfund.

Schnell wurde bei den Nachfolge-Systemen 2, 3 ... vor allem der Speicher erweitert. Die nächste Generation 1980 bekam einen richtigen Namen `Atom´ - Hauser war ja Physiker ... Sie hatte bereits eine richtige Tastatur und TV-Anschluss - wenn auch mit für europäische Fernseher problematischen 60 Hz - sowie ein ordentliches Gehäuse. Der Bausatz kostete 120 Pfund und für Ungeschickte konnte Acorn auch Fertig-Systeme für 50 Pfund Aufpreis anbieten. Immerhin, 20 000 Atome konnte die junge Firma absetzen, das war ein guter Grundstock.

Der entscheidende Durchbruch kam dann Anfang 1981 durch die British Broadcasting Corporation, die schon geraume Zeit auf der Suche nach einem Computersystem war, welches als Begleitprojekt für die geplante Fernsehserie `The Computer Programme´ dienen konnte. Dummerweise hatten sich die BBC-Fernsehschaffenden mehr an größeren Computersystemen orientiert, mit hohen Anforderungen an Grafik, Sound, Kommunikation bis hin zu künstlicher Intelligenz. Mit allen in Frage kommenden Anbietern hatte die BBC schon ohne den gewünschten Erfolg gesprochen, darunter auch mit Sinclair, der seinen nur mäßig dafür zu gebrauchenden `NewBrain´ bei der BBC unterbringen wollte. Zu Acorn kamen sie zuletzt und nahezu ohne verbleibende Zeit.

Sie hätten so ein System in petto, log Hauser mit wienerischem Charme den angereisten BBC-lern vor. Noch ein paar winzige Detailverbesserungen und schon in vier Tagen könne man ihnen einen lauffähigen Prototypen präsentieren, der all ihre Forderungen erfülle - es wurden die wohl härtesten vier Tage und drei Nächte im Leben von Steve Furber, Roger/Sophie Wilson und Chris Turner, die Hauser trickreich zu dieser `Mission impossible´ überredete. Ihnen zur Seite stellte Hauser das ad hoc engagierte `schnellste Gun in Western Europe´ namens Ramesh Bannerij, der Leitungen schneller löten beziehungsweise fädeln konnte als andere in der Lage sind, sie aufs Papier zu malen.

Allein über diese vier Tage könnte man ein spannendes Buch schreiben. Eines von den zahlreichen Problemen war, so Sophie Wilson zu c't, in der kurzen Zeit vier schnelle dynamische Speicher von 16Kx4 aufzutreiben. Der lokale Hitachi-Händler riss sich alle Beine aus, bekam aber in ganz Großbritannien keinen einzigen dieser Chips, sondern musste die einzig vorhandenen Referenzchips in Europa vom Kontinent einfliegen lassen. Dem namenlosen Helden wurde es gedankt, denn Acorn hat alle späteren Speicher - es wurden Millionen - von Hitachi bezogen und über sein Büro bestellt.

Jedenfalls, wenige Minuten bevor die BBC-Delegation wieder anrückte, lief das `Proton´-System halbwegs stabil, überzeugte die Fernsehleute vollständig und wurde dann zum weltbekannten BBC-Micro. 12 000 Exemplare würde man wohl verkaufen können, schätzte zunächst die BBC; es wurden letztendlich 1,5 Millionen und die BBC hat nicht nur eine, sondern ein halbes Dutzend Serien rund um den Micro und seine Nachfolger gedreht. Schnell wuchs die Firma Acorn auf einige hundert Köpfe und eines Tages rückte auch Bill Gates an, um Acorn zu seinem Betriebssystem MSDOS samt MS-BASIC zu überreden. Doch Sophie Wilson konnte ihm demonstrieren, dass ihr Betriebssystem und ihr BBC-BASIC in nahezu jedem Punkt den Microsoft-Produkten um Längen voraus war. So unterstützte ihre Software bereits ein Netzwerk, den sogenannten Cambridge Ring. Acorn vergaß allerdings, diese Technik patentieren zu lassen - und so wurde sie vom Konkurrenten Apple kopiert und als AppleTalk bekannt ...

Für die nächste Rechnergeneration brauchte Acorn einen modernen, leistungsfähigen Prozessor. Der 8-Bitter 6502 war allmählich am Ende und sein 16-Bit Nachfolge-Chip WDC 65816 konnte nicht recht überzeugen. Eigentlich wäre Intels 80286 der Chip der Wahl gewesen, doch Acorn wollte gern ein paar Erweiterungen auf dem Chip unterbringen, Intel aber nur den Prozessor als Ganzes vermarkten und nicht allein den Core. So entschloss sich Acorn trotz null Erfahrung im Mikroprocessor-Design zu einer eigenen Lösung. Angeregt durch die in Berkeley geborene RISC-Idee entwarf Sophie Wilson den Befehlssatz der Acorn RISC Maschine ARM. `Während IBM Monate brauchte, um auf Mainframes Befehlssätze zu simulieren, machte Sophie das im Kopf´ - so Hauser später.

Hermann Hauser (links) hat ein Händchen für wagemutige Entscheidungen zur richtigen Zeit, Sophie Wilson und Steve Furber (Mitte) haben sich selbstbewusst und unbekümmert an die Entwicklung eines eigenen Prozessors gemacht, und Robin Saxby (rechts) führt seit Gründung die Firma ARM auf Erfolgskurs.

Kollege Steve Furber kümmerte sich um die Mikroarchitektur und schrieb dafür einen `Event Driven Simulator´ in BBC-BASIC (Asim, später umgeschrieben in C), der die Simulationsgrundlage für viele spätere ARM-Prozessoren bot. Heraus kam ein kleiner, aber leistungsfähiger 32-Bit-Kern, der in einem eigenen Artikel noch ausführlich gewürdigt wird.

Für die Verifizierung des Chip-Designs wäre die BASIC-Software aber zu langsam gewesen. Hierfür entwarf Sophie Verifikationssoftware in Assembler (6502 und National 16032). Dennoch, die Software die auf unterster Stufe (Gate Level) den konkreten Chip mit seinen 25 000 Transistoren simulierte, lief nur `mind blowingly slow´. Es dauerte dennoch nur 18 Monate, bis Wilson, Furber & Co schließlich am 26. April 1985 das erste laufende Silizium in den Händen halten konnte. Die darob geleerten Champagner-Flaschen (Moet & Chandon) gehören inzwischen zu den legendären ARM-Reliquien.

Doch die Konkurrenten wie Apple, Commodore und die frisch den Markt abfegende Firma Atari hielten sich gar nicht mit einer eigenen Prozessor-Entwicklung auf, sondern setzten auf die Fertigprodukte der großen Halbleiterfirmen. Und eh sich die Acorn-Manager versahen, saßen sie auf einer Halde von einer Viertelmillion unverkäuflicher Alteisenstücke. Hinzu kam der teure missglückte Versuch, in den USA Fuß zu fassen. Das Geld wurde schnell knapp und das ganze ARM-Projekt war kurz davor, eingestampft zu werden, da sprang 1985 eine andere europäische Firma, nämlich Olivetti, in die Bresche. Sie übernahm einen Großteil der inzwischen an der Börse gehandelten Aktien der Acorn Ltd und der Olivetti-Vorstand ließ sich von Hauser überreden, am Prozessorprojekt festzuhalten. Hauser selbst ging als Leiter der Olivetti-Forschungsableitung mehrere Jahre nach Italien. Anschließend hat er als Venture-Kapitalist eine Vielzahl neuer Firmen in Cambridge und später auch in den USA aus der Taufe gehoben und gilt als Vater des Cambridger Silicon Valley. Neuerdings sieht er allerdings in München den wichtigsten Hightech-Standort Europas.

Archimedes 305, der erste Desktop mit einem RISC-Prozessor

Der ARM1 bestand nicht nur aus dem Prozessor selbst, sondern war ein Chipsatz aus Prozessor, Speicher-, I/O- und Grafik-Controller. Er litt noch unter diversen Einschränkungen, so besaß er keine Multiplikationseinheit. Auf den Markt kam diese erste Prozessorversion daher nicht, das blieb dem beschleunigten Nachfolger ARM2 vorbehalten, den Acorn Ende 1987 in die ersten Archimedes-Rechner 305/310 und 410/420 (alle mit 8 MHz Takt) einbaute. Mit dem legendären 3D-Spiel `Lander´ machte Archimedes in Großbritannien und auch im kontinentalen Europa Furore. Zu so etwas waren die PCs und Ataris der damaligen Zeit nicht in der Lage. Und das echtzeittaugliche Betriebssystem im ROM war seiner Zeit auch in etlichen Punkten voraus. Nur fehlte es natürlich komplett an einer Software-Basis. Und es dauerte einige Jahre, bis hierfür genügend Applikationen verfügbar waren. Mit dem interessanten RISC-Prozessor wollte Acorn auch in ein neues Marktsegment, den Unix-Markt. Hierfür kam dann Ende 1988 als Einstiegssystem der R140 mit einem Unix (RISCix) im ROM. Die BBC machte auch wieder mit und erwählte im Mai 1989 die nächste Archimedes-Generation 3000 zum BBC-Micro.

Mit dem 3-D-Spiel Lander demonstrierten die ARM-Prozessoren im Archimedes-Rechner ihre Leistungsfähigkeit.

In selben Jahr brachte Acorn auch den ARM3-Prozessor heraus, etwa gleichzeitig zu Intels 486. Wie nämlicher bekam der ARM3 einen integrierten L1-Cache eingebaut und beide Kontrahenten liefen auch mit dem gleichen Takt von 25 MHz. Daneben hatten die Acorn-Entwickler den kleinen ARM2-Kern redesignt, sodass er nun voll statisch war (ARM2aS). Das machte den Strom sparenden Winzling hervorragend geeignet für den Embedded-Markt und zog viele Interessenten für Handheld-Produkte an - allen voran Apple. Nur wollte Apple keine Prozessoren von einem Desktop-Konkurrenten kaufen.

Apple machte Acorn klar, dass es sinnvoll war, das Prozessorkind von der Acorn-Mutter loszulösen und allein in die Welt zu schicken - und damit es nicht so allein ist, wollte sich Apple auch großzügig an den Investitionen beteiligen. Das war die Geburtsstunde der Firma ARM, wobei ARM jetzt nicht mehr `Acorn Risc Maschine´ bedeutete, sondern zu `Advanced Risc Maschines´ umfirmierte. Acorn und Apple beteiligten sich zu gleichen Teilen von etwa 40 Prozent, den Rest übernahm die Chipschmiede VLSI. Später gesellte sich noch eine japanische Investmentbank hinzu. Als Chef wurde jemand von außerhalb erkoren: Robin Saxby von den European Silicon Structures - ein Glücksgriff, denn Saxby hat die Geschicke der jungen Firma ARM seitdem bis heute (seit Oktober 2001 nur noch als Chairman) mit viel Erfolg gelenkt.

Acorn teilte sich auf, einige wichtige Entwickler (etwa Jamie Urquhart) gingen zu ARM Ltd, die zehn Meilen weg von Cambridge in Swaffham Bulbeck ihr Hauptquartier aufschlug. Andere wie Sophie Wilson bleiben bei Acorn - mit dem Nebenjob einer Direktorin bei Eidos - und Steve Furber nahm einen Ruf an die Universität Manchester an, wo er später dann den `taktlosen´ ARM-kompatiblen Prozessor namens Amulet entwickelte. Außerdem beteiligte er sich auch an einem Spin-off der Uni namens Transitive, das auf dem letzten Microprocessor Forum mit Codemorphing-Software zwischen verschiedenen Prozessoren auf sich aufmerksam machte.

Die neue ARM-Riege unter Saxby änderte das Geschäftsmodell hin zu einer `fabless´ Designschmiede, die nur IP (Intellectual Property) vermarktet. Dazu änderte sie auch die Nomenklatur der Prozessoren, so folgte auf den ARM3 der ARM6. Mit nur einer angehängten Ziffer bezeichnet sie den in Software kodierten Prozessorkern, zweistellige Anhängsel, etwa ARM60, stehen für reale Chips mit diesem Kern und dreistellige (zum Beispiel ARM610) für Implementierungen mit weiteren Makrozellen und Logiken. Der ARM6 bot nun volle 32-Bit-Adressierung und weitere Änderungen, die Apple für die geplanten Newton-Systeme einforderte. Auch Acorn war ja nun normaler Kunde und kaufte die Prozessoren bei der Tochter ein. Das erste Produkt war der ARM250, ein kompletter Single-Chip-Computer, der oben erwähnte Peripherie-Chips zusammen mit dem ARM2-Prozessor-Core integrierte. Der Archimedes 3010/3020, der im August 1992 vorgestellt wurde, waren mit diesem gegenüber dem ARM3 zwar etwas langsameren, aber dafür deutlich preiswerteren Chips ausgestattet. Der durch Apples Newton bekannt gewordenen ARM610 war eine Sparausführung des ARM600 ohne Coprocessor-Interface.

Eigentlich hatte Apple den im August 1993 vorgestellten Newton Messagepad ja für den Hobbit-Prozessor von AT&T designt, sich dann aber umorientiert. Der Hobbit bekam aber die gleiche Chance im EO Personal Communicator, der ironischerweise ausgerechnet von Hermann Hausers Firma EO (zusammen mit AT&T und Olivetti) zur gleichen Zeit auf den Markt gebracht wurde. Doch der EO Communicator samt der Firma EO überlebte nur ein Jahr, während Apple an den MessagePads immerhin bis 1998 festhielt, als die Firma in höchster Finanznot war und der herbeigeeilte Retter Steve Jobs den Newton opferte. Jobs verhökerte auch Zug um Zug Apples ARM-Anteile, bis im Sommer 2001 so gut wie alle Anteile mit reichlich Gewinn abgestoßen waren. Die späteren Messagepad-Modelle besaßen übrigens schon den erheblich schnelleren von Digital in Lizenz gefertigten StrongARM-Prozessor.

ARM-Erfolgskurs

Und während Tochter ARM immer mehr in Fahrt kam, ging es der alten Mutter Acorn immer schlechter. Zwar nutzte Acorn auch den leistungsfähigen StrongARM, brachte noch einige Desktops und RISC-PCs mit zwei Prozessor-Slots auf den Markt und bastelte für Oracle am NetComputer, aber kurz vor dem Erscheinen des mit viel Vorschusslorbeeren überschütteten `Phoebe´-Rechners gab die Firma zum Entsetzen der Anhängerschar den Desktop-Markt komplett auf. Sie konzentrierte sich nur noch auf Kommunikation, Digital-TV und DSL, und benannte sich in Element 14 um. Morgan Stanley Dean Witter nahm sich kurz darauf der Firma an und sorgte für die weitere Aufteilung: der Settop-Bereich ging an die britische Firma Pace Micro, RISC-OS wird von der RISCOS Ltd weiter gepflegt und Element 14 mit dem beträchtlichen ARM-Aktienpaket wurde Mitte 2000 von Broadcom für satte 407 Millionen Pfund übernommen. Und Sophie Wilson entwickelt seitdem für Broadcom.

Eine kleine Auswahl von `ARM-Powered´-Produkten in unserer Redaktion. Hinten das Board ist ein XScale-Entwicklungssystem.

ARM hingegen schaffte es in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre mit großem Erfolg, ihre Cores an nahezu die gesamte restliche Halbleiterbranche zu lizenzieren. Als besonderer Renner erwies sich ab 1997 der ARM7TDMI, der vor allem wegen seines `Spar-Befehlssatzes´ Thumb schnell riesige Marktanteile in der Embedded-Welt erobern konnte. Thumb verbindet geschickt die Vorteile von CISC (kurzer Code) mit RISC (einfache und schnelle Architektur). Nach 1997 purzelten geradezu die Lizenzverträge ins Haus. Ob Intel, IBM oder Infineon, NEC, Toshiba, Texas Instruments oder Philips, Motorola oder Samsung - bis auf Hitachi sind so gut wie alle Halbleiter-Firmen mit Rang und Namen als Kunde bei ARM vertreten. Die letzte Quartalsbilanz vom Oktober 2001 listet insgesamt 71 Lizenznehmer auf, von denen 31 mit `ARM-Powered´-Produkten auf dem Markt sind. Über 400 Millionen verkaufte Prozessoren, welche mithin einen Marktanteil bei den 32-Bit-Prozessoren von 77 Prozent ausmachen, meldeten die Lizenznehmer insgesamt im Jahre 2000. Im letzten Jahr dürften es wohl noch etwas mehr geworden sein, wiewohl auch hier die Krise zu spüren war und die Stückzahl zunächst etwas absackte. ARMs Einkommensentwicklung hat das aber dank vieler neuer Lizenznehmer nicht merklich geschadet. Wo man bei kleinen tragbaren Gerätchen auch hinschaut, mit hoher Trefferquote sind ARM-Prozessoren drin. Das gilt für Nokias Communicator und für den iPaq von Compaq, für Apples neuen Ipod oder den in Deutschland von Hexaglot vermarkteten Quickionary. Diverse Handys, Kameras, Drucker ADSL-Modems oder Intels Pocket Concert - alles ARM-powered. Die kleine Architektur schreitet mit großen Schritten voran.

Mehr Infos

ARM-Meilensteine

1985

  • Acorn Computer Group entwickelt den ersten kommerziellen RISC Processor (Silizium am 26. April 1985)

1987

  • Der Archimedes 300/400 erscheint als erster RISC-Homecomputer mit ARM2

1990

  • Advanced RISC Machines ARM wird als Tochter von Acorn, Apple und VLSI gegründet. VSLI wird auch erster Lizenznehmer

1991

  • ARM6, der erste Embedded RISC-Core

1992

  • Lizenz für GEC Plessey and Sharp 1993Lizenz für Texas Instruments and Cirrus Logic
  • Nippon Investment and Finance (NIF) wird Investor
  • ARM7 Core

1994

  • Lizenz für Samsung and AKM
  • ARM7500, ein System-Chip für Multimedia-Applikationen

1995

  • Lizenz für Digital, Atmel/ES2, NEC, Symbios Logic und LG Semicon
  • Architektur-Erweiterung ARM Thumb vorgestellt
  • ARM-Büro in München
  • Erstes ARM-Thumb-Silizium ( TI)
  • StrongARM-Core von Digital Semiconductor
  • ARM 8 vorgestellt
  • `ARM7100 PDA-on-a-chip`

1996

  • Lizenz für OKI, Alcatel, Yamaha, Atmel and Rohm
  • ARM810 Mikroprozessor
  • ARM7500FE Multimedia System Chip für den Network Computer vorgestellt
  • ´Piccolo´, ARMs Signal Processing Architecture vorgestellt
  • ARM und Microsoft passen Windows CE an die ARM-Architektur an

1997

  • Lizenz für Rockwell, Philips, Lucent, Hyundai und Sony
  • ARM und Sun arbeiten zusammen für JavaOS auf ARM
  • ARM erwirbt 45 % Anteile an PALMCHIP
  • ARM9TDMI-Familie angekündigt

1998

  • Lizenz für Seiko Epson, Matsushita, HP, IBM und Qualcomm
  • ARM Holdings plc an der Börse in London (LSE) und NASDAQ (17 April 1998)
  • ARM tritt Bluetooth-Konsortium bei
  • Lizenz für Intel (StrongARM)
  • ARM9-Familie erweitert für Windows CE (ARM910 and ARM920)
  • Lizenz für National Semiconductor (für neuen synthesizable Processor Core)
  • ARM entwickelt Synthesizable Version des ARM7TDMI-Prozessors
  • Partnerschaft mit Cirrus Logic and Lucent für integrierte Designs für Massenspeicher
  • ARM stellt ARM10-Familie vor
  • Cadence wird erster Partner im ARM Technology Access Program (ATAP)

1999

  • Lizenz für Toshiba, Fujitsu, STMicroelectronics und 3Com
  • ARM9E, ARM946E und ARM9466E vorgestellt

2000

  • Lizenz für Motorola, Mitsubishi, Sanyo, Altera, Triscend, Agilent, Micronas und ZTEIC
  • SecurCore-Familie für Smartcards
  • Jazelle-Technologie für Java-Applikationen
  • ARM kündigt SIMD-(single instruction multiple data)-Technologie an
  • ARM922T Core eingeführt
  • Erstes ARM10-Silizium (Lucent)
  • Intel stellt XScale vor
  • ARM erwirbt Allant Software, EuroMIPS Systems und Infinite Designs
  • TSMC and UMC werden Mitglieder des `ARM Foundry Programms´
  • Lizenz für Infineon (ARM7, ARM9)

2001

  • Lizenz für Global UniChip and Zeevo
  • Lizenz für STMicroelectronics, Philips, ADMtek, LSI
  • Lizenz für Sanyo, Yamaha, Epson, Marvel
  • Intel und TI erweitern Lizenz für Architektur V6
  • Lizenz für Samsung (SecurCore) und SiS
  • Architektur V6 vorgestellt

(as)