Facebook-Börsengang: Datenschutz contra Profit

Der anstehende Börsengang von Facebook bringt die Gemüter in Wallung: Die einen fürchten, dass der Datenschutz endgültig unter die Räder gerät, die anderen jubeln angesichts der erhofften Profite.

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Von
  • Dusan Zivadinovic

Der anstehende Börsengang von Facebook macht Datenschützern Angst. "Es steht zu befürchten, dass der Fokus in Zukunft auf Gewinnmaximierung gerichtet wird", sagte Johannes Caspar, der als Datenschutzbeauftragter von Hamburg für das Online-Netzwerk zuständig ist. Der Druck der Aktionäre werde wachsen und die Entscheidungen des Unternehmens möglicherweise zu Lasten des Datenschutzes beeinflussen, sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur dpa.

Facebook hatte am späten Mittwoch seinen Börsenprospekt vorgelegt und damit den ersten Schritt zum Gang aufs Parkett getan. Der Jubel an der Wall Street war riesig, locken doch gigantische Gewinne. In der allgemeinen Euphorie stiegen selbst die Aktien anderer Internetfirmen deutlich. In dem rund 200-seitigen Prospekt, das die Investoren mit dem Unternehmen vertraut machen soll, betont Facebook selbst, dass die Bindung der Nutzer an das Soziale Netzwerk wichtiger sei als "kurzfristige finanzielle Resultate". Experten taxieren Facebooks Wert auf 100 Milliarden Dollar und mehr.

Das Unternehmen werde so hoch bewertet, weil es der Werbeindustrie die Chance gebe, Konsumenten sehr gezielt anzusprechen, sagte Datenschützer Caspar und warnte: "Das Geschäftsmodell lebt von den Daten der Nutzer." Neuerungen wie die jüngst eingeführte Chronik stünden in diesem Kontext: Sie sollten Mitglieder dazu anregen, noch mehr von sich preiszugeben. Schon seit längerem sieht sich Facebook der Kritik der Datenschützer ausgesetzt. Gründer und Chef Mark Zuckerberg sah sich genötigt, in einem Brief an die Investoren seine Position noch einmal klarzustellen: Facebook verfolge eine "soziale Mission" und wolle die Menschen stärker miteinander vernetzen. "Einfach gesagt: Wir entwickeln keine Dienste, um Geld zu machen; wir verdienen Geld, um bessere Dienste zu entwickeln." Datenschützer Caspar stellt aber in Frage, dass diese Grundsatzerklärung angesichts des Profitdrucks der Börse tatsächlich gelebt werden könne.

Wie sehnlich die Wall Street Facebooks Ankunft erwartete, zeigten die Kursausschläge anderer Internetfirmen. Der mit Facebook eng verbandelte Spieleentwickler Zynga legte zum Handelsschluss am Donnerstag um 17 Prozent zu und stieg bis zum Freitagmittag um weitere 13 Prozent. Das Schnäppchenportal Groupon, das berufliche Online-Netzwerk LinkedIn und das Internet-Radio Pandora profitieren ebenfalls. Die Unternehmen waren erst in den vergangenen Monaten an die Börse gegangen und gelten damit als Wegbereiter für Facebook. Selbst die Aktie des seit dem Jahr 2004 an der Börse gelisteten Schwergewichts Google bewegte sich nach oben, wenn auch nur um etwas mehr als 1 Prozent.

Dabei ist Google mit seinem eigenen sozialen Netzwerk Google+ einer der schärfsten Rivalen von Facebook. Beide Unternehmen finanzieren sich hauptsächlich über Werbung und buhlen um die gleiche Kundschaft. Auch Google steht immer wieder in der Kritik der Datenschützer, zuletzt wegen der Ankündigung, die bislang getrennt vorgehaltenen Nutzerdaten aller seiner Dienste nun gesammelt auszuwerten. Facebook verweist allerdings stets darauf, dass nur die Datenschützer an seinem Europasitz in Irland zuständig sind. Der Hamburger Datenschützer Caspar steht aber nach eigenen Aussagen mit seinen irischen Kollegen im Austausch. Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sieht Facebook beim Datenschutz stärker in der Pflicht. Als börsennotiertes Unternehmen müsse das Online-Netzwerk "um so mehr den Anspruch erfüllen, sich an Recht und Gesetz zu halten – und zwar nicht nur in den USA, sondern auch auf wichtigen Auslandsmärkten wie Deutschland", erklärte sie am Donnerstag.

Facebook ist der Bedeutung des Datenschutzes für sein Geschäftsmodell durchaus bewusst: Im Börsenprospekt verweist das Unternehmen darauf, dass die Umsetzung von Gesetzen und Regulierungsbeschlüssen zu hohen Kosten führen und neue Produkte verzögern oder verhindern könnte. Zudem bestehe das Risiko, das Negativ-Berichterstattung über den Umgang mit der Privatsphäre der Nutzer dem Ruf schade. Facebook will bei seinem Börsengang nach derzeitigem Stand 5 Milliarden Dollar einsammeln. Damit wäre es der größte Börsengang eines Internet-Unternehmens aller Zeiten. Wann genau das Soziale Online-Netzwerk aufs Parkett geht, ist indes noch unklar. Die Vorlage des Prospekts war nur der erste Schritt. Fachleute erwarten abschleßende Schritte bis zum Sommer. (dpa)/ (dz)