IBM-Stellenkahlschlag: Und die Partner?

Nach einem Zeitungsbericht will IBM die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland in den kommenden Jahren radikal reduzieren. IBM-Chefin Koederitz will sich nicht dazu äußern und überlässt das Thema der Gerüchteküche. Sollte es wirklich zu diesem Stellenabbau kommen, muss das für die IBM-Partner nicht nur schlecht sein.

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Von
  • Damian Sicking

Martina Koederitz, Vorsitzender der Geschäftsleitung, IBM Deutschland

(Bild: IBM)

Liebe IBM-Deutschland-Chefin Martina Koederitz,

da haben Sie in der vergangenen Woche aber für ganz schön viele Schlagzeilen gesorgt! Unfreiwillig, wohlgemerkt. Ausgangspunkt war ein Bericht im Handelsblatt, demzufolge IBM in Deutschland mit einem riesigen Rasenmäher durch die Belegschaft fahren will und von aktuell rund 20.000 Stellen bis zu 8.000 dem Erdboden gleich machen will. Der Artikel stieß wie nicht anders zu erwarten auf ein gewaltiges Medienecho, das von Bild bis Spiegel ("BM plant Job-Kahlschlag in Deutschland") reichte. Riesen-Aufregung also überall, natürlich auch bei den IBM-Mitarbeitern und den Gewerkschaften.

Nur einer oder richtiger eine wollte dazu nichts sagen, zumindest nichts Inhaltliches: Sie, liebe Frau Koederitz, die Deutschland-Chefin von IBM. Sie ließen lediglich ausrichten: "Angesichts der wettbewerbsintensiven Natur unseres Geschäfts diskutieren wir die Details unserer Beschäftigungsplanung nicht öffentlich.“ Liebe Frau Koederitz, Sie haben da etwas missverstanden: Es geht nicht darum, dass Sie diese Meldungen mit der Öffentlichkeit diskutieren sollen. Es würde für´s erste schon reichen, wenn Sie sie bestätigen oder dementieren. Das ist alles. Tun Sie es nicht, überlassen Sie weiterhin das Feld der Gerüchteküche. Motto: Wo Rauch ist, ist auch Feuer.

Ich will jetzt hier nicht noch einmal die ganze Geschichte aufrollen, über die "Fakten" ist ja bereits alles geschrieben worden, zumindest soweit sie bekannt sind. Nur so viel: Es geht darum, dass IBM im Rahmen eines neuen Programms mit dem Namen "liquid“ die "Beziehungen zu seinen Arbeitskräften radikal verändern" (Spiegel) will. Aus festangestellten Mitarbeitern sollen freie Dienstleister werden, auf die Sie bei Bedarf zugreifen. "Liquid“ ist natürlich ein sehr passender Begriff dafür, denn wenn Sie diese Ideen in die Praxis umsetzen und die personellen Fixkosten durch variable Kosten ersetzen, erhöht sich natürlich die (finanzielle) Liquidität des Unternehmens. Damit das Unternehmen flüssiger wird, werden die Mitarbeiter überflüssiger ("overliquid“).

Liebe Frau Koederitz, ich finde die IBM-Pläne schon ein bisschen komisch. Während andere Firmenchefs sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie – Stichwort "Fachkräftemangel“ – die dringend benötigten Spezialisten für sich gewinnen, will IBM sie im großen Stile rausschmeißen. Aus fixen Kosten mal ganz fix variable Kosten machen. Da kann man schon mal den Eindruck gewinnen, dass die Mitarbeiter für IBM am Ende doch nichts anderes als Kostenfaktoren sind, jeder einzelne ein Kostenblock. Und so ein Kostenblock, der hängt ja oft wie ein Klotz am Bein.

Vor diesem Hintergrund kann man natürlich schon verstehen, dass Sie nicht so gerne über dieses Thema reden und es Ihnen am liebsten wäre, wenn dies auch sonst niemand täte. Denn wie sagen die Unternehmenschefs immer gerne, vor allem bei betriebsinternen Weihnachtsfeiern oder wenn sie das Mikrophon eines Reporters vor der Nase haben: "Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital.“ Vielleicht haben Sie das ja auch schon mal gesagt, liebe Frau Koederitz. Aber jetzt orientieren Sie sich offenbar lieber an der Redewendung: Über Kapital ("Geld“) spricht man nicht.

Sehr gewundert habe ich mich über eine Information in einem Artikel der gedruckten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 2. Februar. In diesem Beitrag mit der Überschrift "Gewerkschaft warnt vor Stellenabbau bei IBM“ heißt es: "Wie viele Mitarbeiter IBM in Deutschland genau hat, ist unklar. Angesichts `globaler Teams´ könne sie keine Landeszahlen nennen, hat IBM-Deutschlandchefin Martina Koederitz in dieser Woche erklärt.“ Hallo! Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? Sie wissen nicht, wie viele Mitarbeiter bei IBM Deutschland auf der Payroll stehen? Kleiner Tipp: Vielleicht hilft ein Anruf in der Personalabteilung weiter. Aber andererseits: Die Mitarbeiterzahl ändert sich ja auch ständig, mal sind es mehr, mal sind es weniger. Das kann man ja gar nicht immer so genau wissen. Das ist – Stichwort: "Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital“ – wie bei den Multi-Millionären und Milliardären: Die wissen auch nie so ganz genau, wie reich sie in diesem Moment gerade sind.

Aber gut, andere Frage: Was würde dieser radikale Umbau im Personalbereich für die vielen IBM-Partner bedeuten? Nun, schwer zu sagen, aber ich würde mir an Stelle der Partner nicht zu große Hoffnungen machen. Denn die IBM-Aktion dient ja nicht dazu, die Leistung des Unternehmens zu steigern, sondern den Profit.

Auf der anderen Seite: Wenn es darum geht, dass IBM in Zukunft verstärkt mit externen Spezialisten zusammen arbeiten will, dann könnten die Partner durchaus davon profitieren. Denn sie sind ja extern. Und sie haben einen großen Vorteil: Sie kennen IBM recht gut und wissen besser als andere, an welchen Strippen man ziehen muss, damit sich an anderer Stelle etwas bewegt.

Die Partner könnten auch noch in einer weiteren Hinsicht von einem IBM-Jobabbau profitieren. Wie zum Beispiel Ulrich Dietz, Vorstandschef des IBM-Partners GFT Technologies AG in Stuttgart. Dietz selbst sucht derzeit rund 200 feste und weitere 300 freie Mitarbeiter, wie er gegenüber Bild erklärte. Für viele IBM-Mitarbeiter sieht Dietz daher "gute Möglichkeiten". Auch Computacenter-Chef Oliver Tuszik kann einem etwaigen Personalabbau bei IBM etwas sehr Positives abgewinnen: "Wenn 8000 qualifizierte Mitarbeiter auf den Markt kommen, hilft das anderen Unternehmen", sagt er.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Systemhäuser und Dienstleister besser erst einmal einen befristetes Arbeitsverhältnis mit einem ehemaligen IBM-Angestellten anstreben sollten, um zu prüfen, ob man miteinander auskommt. Denn schon häufig sind Mitarbeiter, die ihre "berufliche Sozialisation“ bei einem Industrieunternehmen erfahren haben, beim mittelständischen Partner nicht wirklich glücklich geworden – und die Unternehmen mit den Mitarbeitern auch nicht.

Liebe Frau Koederitz, Sie sind jetzt seit Mai vergangenen Jahres an der Spitze von IBM Deutschland. Keine leichte Zeit für Sie, wenn alles stimmt, was man über IBM Deutschland so liest. Schon seit längerem sollen die Chefs in der US-Zentrale unzufrieden mit dem Geschäftsbeitrag aus Deutschland sein. Das Wachstum hierzulande – man schätzt es auf vier Prozent – liegt weit hinter anderen Ländern zurück. "Die Bedeutung des Deutschland-Geschäfts für IBM ist gesunken", zitiert die Financial Times Deutschland Hans-Olaf Henkel, der in den 90er Jahren das Deutschland-Geschäft von IBM geleitet hatte. Eins haben Sie jetzt auf jeden Fall geschafft, liebe Frau Koederitz, wenn auch unfreiwillig: Über IBM spricht man wieder.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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